Gesammelte Werke. Aristoteles
einem Unterliegenden ist; so wird z.B. der Mensch von einem unterliegenden einzelnen Menschen ausgesagt, aber er ist in keinem unterliegenden Menschen. Anderes ist dagegen in einem Unterliegenden, aber wird von keinem Unterliegenden ausgesagt; (mit: »in einem Unterliegenden« meine ich, was ohne Theil eines Dinges zu sein nicht getrennt von dem bestehen kann, in dem es ist;) so ist diese einzelne Sprachkenntniss in der unterliegenden Seele, aber sie wird von keinem Unterliegenden ausgesagt und ebenso ist dieses einzelne »Weiss« zwar in diesem unterliegendem Körper (denn jede Farbe ist in einem Körper) aber es wird von keinem Unterliegenden ausgesagt. Manches dagegen wird von einem Unterliegenden ausgesagt und ist auch in einem Unterliegenden; so ist die Wissenschaft in der unterliegenden Seele und wird von der unterliegenden Sprachkenntniss ausgesagt; Manches ist endlich weder in einem Unterliegenden, noch wird es von einem Unterliegenden ausgesagt, z.B. »dieser Mensch« und »dieses Pferd«; denn keines von diesen ist in einem Unterliegenden und keines wird von einem Unterliegenden ausgesagt. Ueberhaupt wird das Untheilbare und der Zahl nach Eine von keinem Unterliegenden ausgesagt, indess kann Manches davon in einem Unterliegenden sein; denn »diese einzelne Sprachkenntniss« gehört zu den in einem Unterliegenden Seienden, aber sie wird von keinem Unterliegenden ausgesagt.
Drittes Kapitel
Wenn Etwas von einem Andern als von seinem Unterliegenden ausgesagt wird, so wird Alles, was von dem Ausgesagten gilt, auch von seinem Unterliegenden gelten. So wird »Mensch« von einem bestimmten Menschen ausgesagt und »Geschöpf« wird vom Menschen ausgesagt; folglich wird Geschöpf auch von diesem bestimmten Menschen ausgesagt werden können; denn dieser bestimmte Mensch ist ein Mensch und auch ein Geschöpf.
Bei verschiedenartigen und einander nicht untergeordneten Gegenständen sind auch deren Unterschiede der Art nach verschieden; so z.B. die Unterschiede bei den Thieren und bei der Wissenschaft; denn die Unterschiede bei den Thieren sind das »auf dem Lande lebende« und das »Zweifüssige« und das »Flügel habende« und das »im Wasser lebende«; die Wissenschaft dagegen hat keinen dieser Unterschiede; denn keine Wissenschaft unterscheidet sich von der andern durch das zweifüssig sein. Dagegen steht bei den einander untergeordneten Gattungen dem nichts entgegen, dass die Unterschiede bei ihnen dieselben sind; denn die oberen Gattungen werden, von den unteren ausgesagt und folglich werden alle Unterschiede, die bei dem Ausgesagten bestehen, auch bei dem Unterliegenden vorhanden sein.
Viertes Kapitel
Von den ohne Verbindung gesprochenen Worten bezeichnen die einzelnen entweder ein Ding, oder eine Grösse, oder eine Beschaffenheit oder eine Beziehung, oder einen Ort, oder eine Zeit, oder einen Zustand, oder ein Haben, oder ein Thun, oder ein Leiden.
Ein Ding ist, um es im Umriss anzudeuten, z.B. der Mensch, das Pferd; eine Grösse ist z.B. das Zweiellige, oder Dreiellige; eine Beschaffenheit ist z.B. weiss, sprachgelehrt; eine Beziehung ist z.B. doppelt, halb, grösser; ein Ort ist z.B. im Lykeion, auf dem Markte; eine Zeit ist z.B. Gestern, vorm Jahre; ein Zustand z.B. das Liegen, Sitzen; ein Haben z.B. Schuhe anhaben, bewaffnet sein; ein Thun z.B. er schneidet, er brennt; ein Leiden z.B. er wird geschnitten, er wird gebrannt.
Jede der hier genannten Kategorien enthält an sich weder eine Bejahung noch eine Verneinung; aber durch die Verbindung derselben mit einander entsteht eine Bejahung oder Verneinung. Jede Bejahung oder Verneinung ist entweder wahr oder falsch; aber Worte, die ohne Verbindung gesagt werden, sind weder wahr noch falsch; z.B. Mensch, weiss, läuft, siegt.
Fünftes Kapitel
Von den Dingen sind die hauptsächlichsten, und die welche auch zuerst und am meisten als Dinge gelten, diejenigen, welche weder von einem Unterliegenden ausgesagt werden, noch in einem Unterliegenden sind; wie z.B. dieser Mensch, oder dieses Pferd. Dinge zweiter Ordnung heissen die, in deren Arten die sogenannten Dinge erster Ordnung enthalten sind und zwar heissen so sowohl diese Arten wie die Gattungen dieser Arten. So ist z.B. dieser Mensch im Menschen, als seiner Art enthalten und die Gattung zu dieser Art ist das Geschöpf. Diese Arten und Gattungen heissen also Dinge zweiter Ordnung, wie z.B. der Mensch und das Geschöpf. Aus dem Gesagten erhellt, dass das von einem Unterliegenden Ausgesagte sowohl nach seinem Namen, wie nach seinem Begriffe von dem Unterliegenden ausgesagt werden kann; so wird z.B. Mensch von einem unterliegenden bestimmten Menschen ausgesagt und er wird auch mit diesem Namen bezeichnet; denn man wird das Wort Mensch von dem einzelnen Menschen aussagen. Ebenso wird der Begriff des Menschen von demselben ausgesagt; denn der einzelne bestimmte Mensch ist sowohl ein Mensch wie ein Geschöpf; so dass mithin sowohl der Name wie der Begriff von dem Unterliegenden ausgesagt werden kann. Dagegen wird in der Regel weder der Begriff noch der Name des in einem Unterliegenden Enthaltenen von dessen Unterliegenden ausgesagt; in einzelnen Fällen kann es wohl mit dem Namen geschehen; aber mit dem Begriff ist es nicht möglich. So wird z.B. das in einem unterliegenden Körper enthaltene Weiss auch von ihm ausgesagt (denn man nennt den Körper weiss), aber der Begriff des »Weiss« kann niemals von einem Körper ausgesagt werden. Alles Uebrige wird entweder von den Dingen erster Ordnung als unterliegenden ausgesagt, oder ist in ihnen, als unterliegenden enthalten. Dies erhellt, wenn man das Einzelne zur Hand nimmt; so sagt man: Geschöpf von dem Menschen aus und es kann deshalb Geschöpf auch von diesem bestimmten Menschen ausgesagt werden; denn wenn es von keinem bestimmten Menschen ausgesagt werden könnte, so könnte es auch von dem Menschen überhaupt nicht ausgesagt werden. Ebenso ist die Farbe in dem Körper überhaupt; also auch in einem bestimmten Körper. Denn wenn dieses nicht wäre, so könnte sie auch nicht in dem Körper überhaupt sein. Sonach wird alles Andere entweder von den Dingen erster Ordnung als dem Unterliegenden ausgesagt, oder es ist in ihnen, als dem Unterliegenden, enthalten. Wenn also keine Dinge erster Ordnung wären, so könnte auch von den Andern keines sein.
Von den Dingen zweiter Ordnung ist die Art mehr ein Ding, als die Gattung, da sie den Dingen erster Ordnung näher steht. Denn wenn Jemand angeben wollte, was ein Ding erster Ordnung sei, so wird er es deutlicher und bezeichnender thun, wenn er dessen Art, als wenn er dessen Gattung angiebt. So wird, wenn man einen bestimmten Menschen bezeichnen will, man es deutlicher thun, wenn man sagt, er sei ein Mensch, als wenn man ihn blos als ein Geschöpf bezeichnet; denn jene Bezeichnung trifft mehr das, was das Eigenthümliche dieses einzelnen Menschen ist, während die Gattung mehreren Dingen gemeinsam ist. Ebenso wird man diesen einzelnen Baum deutlicher bezeichnen, wenn man von ihm angiebt, er sei ein Baum, als, er sei eine Pflanze. Auch gelten die Dinge erster Ordnung deshalb am meisten als Dinge, weil sie allem Anderen unterliegen und weil alles Andere entweder von ihnen ausgesagt wird, oder in ihnen ist.
So wie sich hierin die Dinge erster Ordnung zu allem Anderen verhalten, so verhalten sich auch die Arten zu ihren Gattungen; denn die Art liegt der Gattung unter und die Gattungen werden wohl von den Arten ausgesagt, aber nicht umgekehrt die Arten von den Gattungen. Deshalb ist auch die Art mehr ein Ding, wie die Gattung; aber von den einzelnen Arten, so weit sie nicht Gattungen sind, ist keine mehr ein Ding, wie die andere; denn man wird diesen einzelnen Menschen, wenn man ihn einen Menschen nennt, nicht eigenthümlicher bezeichnen, als wenn man dieses einzelne Pferd ein Pferd nennt. Ebenso ist keines von den Dingen erster Ordnung mehr als das andere ein Ding; denn dieser Mensch ist nicht mehr als dieser Stier ein Ding.
Ganz passend werden nach den Dingen erster Ordnung von allen übrigen Kategorien nur die Arten und Gattungen Dinge zweiter Ordnung genannt; denn sie allein von den Kategorien offenbaren das, was die Dinge erster Ordnung sind; denn wenn Jemand von diesem bestimmten Menschen angeben will, was er ist, so wird er es in treffenderer Weise thun, wenn er