Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman. Leni Behrendt

Leni Behrendt Staffel 4 – Liebesroman - Leni Behrendt


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      »Mich in Pension nehmen. Ach, Tante Traude, merkst du denn gar nicht, wie peinlich mir das ist?«

      »Warum sprichst du dann darüber, du Dummchen?«

      »Ich muß doch.«

      »Kein Mensch muß müssen, behauptet Lessing in seinem weisen Nathan. Und nun komm, iß erst einen Scheffel Salz bei uns. Was drumrum ist, werde ich dir in Rechnung stellen. Doch vorher möchte ich nichts davon hören. Übrigens ist hier ein versiegelter Umschlag, der mit den Koffern zusammen abgegeben worden ist. Wahrscheinlich sind die Schlüssel darin. Pack also die Sachen aus und richte dich häuslich ein.«

      Eine Woche hielt Lenore es ohne Arbeit aus, doch dann machte sie kurzen Prozeß und suchte sich ihre Beschäftigung. Als sie in der Küche erschien, war Riekchen skeptisch, doch als die junge Frau unter Beweis stellte, daß sie von der Hauswirtschaft etwas verstand, durfte sie hier und da mal einspringen.

      Auch Ilga traute dem Frieden nicht, als die Freundin bei ihr im Büro auftauchte.

      »Ja, sag mal, was willst du denn eigentlich helfen?« fragte sie lachend. »Unsinn machen, den ich dann in Ordnung bringen muß?«

      »Wollen wir es erst einmal darauf ankommen lassen«, blieb Lenore hartnäckig. »Gib mir irgend etwas, woran ich nichts verderben kann. Wenn ich mich dann gar zu dumm anstelle, kannst du meine Hilfe mit Fug und Recht ablehnen, früher nicht.«

      »Na schön«, gab Ilga gutmütig nach. »Du wirst schon bald kneifen.«

      »Abwarten!«

      Und tatsächlich zeigte Lenore sich so anstellig, daß Ilga ihr nach und nach leichte Arbeiten anvertrauen konnte. So sprang Lenore denn da ein, wo gerade eine Hilfe gebraucht wurde, und nannte sich stolz: Mädchen für alles.

      Wobei ihr jedoch immer noch Zeit genug blieb, mit Ilga, die sich bei der Arbeit auch »kein Beinchen ausriß«, wie der Vater es schmunzelnd nannte, dem Wintersport zu huldigen.

      Dabei erholte sie sich zusehends, wurde so strahlend frisch und froh, daß der Professor, der an einem Sonntag die Verwandten besuchte, seine ehemals so elende Patientin kaum wiedererkannte.

      »Na, Sie haben sich aber mal herausgemacht, kleine Frau«, sagte er bewundernd. »Prächtig, ganz prächtig sehen Sie aus.«

      »Das hat sie mir zu verdanken, die ich ihr mit so gutem Beispiel vorangehe«, prahlte Ilga, und man glaubte es ihr sogar. Denn ihre Munterkeit ließ keine seelischen Komplexe aufkommen, und die gerade waren es, an denen Lenore am meisten gekrankt hatte.

      An diesem Tage sollte die junge Frau auch den dritten der Brüder kennenlernen, die doch alle so ganz verschieden aussahen. Rudolf, der älteste, mittelgroß, rundlich, rosig, der jüngste durch die Verwachsung klein geblieben, mit einem klugen, durchgeistigten Gesicht, der mittlere ein kraftstrotzender Hüne. Charakterlich jedoch waren sie sich ähnlich, waren grundanständige Männer mit hohen Ehrbegriffen.

      Als Lenore den kleinen Herrn begrüßte, hatte sie das Gefühl, als ob diese klaren, forschenden Augen ihre Seele ergründen wollten. Doch als es in ihnen humorvoll aufzuckte, faßte sie ein spontanes Vertrauen und lachte den Mann so strahlend an, daß es ihm warm ums Herz wurde.

      »Ein wirklich reizendes Geschöpfchen!« sprach er ihr nach, als sie nach dem Nachmittagskaffee mit Ilga und Gunther hinausging, um sich mit ihnen bis zur Dunkelheit noch im Freien zu tummeln. »Ihr Mann muß ein Narr sein – oder blind.«

      »Im allgemeinen ist er es nicht«, bemerkte der Professor. »Wenn es um seine Kranken geht, verfügt er sogar über einen bewundernswerten Scharfsinn.«

      *

      Nun weilte Lenore bereits vier Wochen auf dem Hollgarthof und sah aus wie das blühende Leben, so wunderbar hatte sie sich körperlich wie seelisch erholt. An die Vergangenheit dachte sie kaum noch, außer an die toten Eltern.

      Das Leben auf dem Lande brachte dem Großstadtkind viel Neues und Reizvolles. Wohl war Lenore mit ihren Eltern von Kind auf viel gereist und hatte schon ein gutes Stück von der Welt gesehen. Aber immer nur das, was man so für sehenswert hielt, wie berühmte Stätten, vielbesuchte Bäder und so fort. Doch mitten in der Landwirtschaft wie hier war sie noch nie gewesen, daher wirkte der Reiz der Neuheit auch so stark auf sie. Schon deshalb, weil sie hier mit der Natur gewissermaßen auf du und du stand. Wie wunderherrlich war es doch, den Winter schwinden zu sehen, der sich so grimmig gegen den Frühling wehrte, der bereits vor den Toren stand. Aber da half dem grimmen Gesellen nichts, Schritt für Schritt mußte er weichen.

      Lenore war ganz aufgeregt, als sie an einem Sonntagmorgen an den Tisch trat, wo Familie Hollgart beim Frühstück saß. In der Hand trug sie Schneeglöckchen, die sie der Hausherrin überreichte.

      »Die ersten, die ich gefunden habe«, erklärte sie eifrig. »Die sind natürlich für dich, Tante Traude.«

      »Möchte bloß gern wissen, was dich dabei so aufregt«, meinte Gunther pomadig. »Schneeglöckchen sind doch nun wirklich nichts Besonderes.«

      »Für dich natürlich nicht, du unpoetisches Gemüt.«

      »Fangt um Himmels willen nicht an, euch zu zanken!« hob Gertraude beschwörend die Hände, während der Herr Gemahl schmunzelte. »Stopf dir deinen großen Mund mit dem Schinken, den du gerade auf dem Teller hast, mein Sohn.«

      »Und das verhätschelte Töchterchen hat wohl einen kleinen Mund, wie?«

      Da mußten sie alle lachen, und der Friede trat ein.

      Als Lenore gerade das obligate Morgenei aufklopfte, sprach Ilga sie an: »Kommst du mit?«

      »Wohin?«

      »Zu Onkel Reinhard.«

      »Dort oben auf der Höh?«

      »Jawohl. Er hat nämlich heute Geburtstag, und ich bin beordert worden, ihm mit Blumenstrauß und Knicks zu gratulieren.«

      »Und was soll ich dabei?«

      »Dasselbe tun.«

      »Er kennt mich doch kaum.«

      »Trotzdem ist er vernarrt in dich. Kommst du nun, oder kommst du nicht?«

      »Ich komme.«

      »Erledigt.«

      »Das nennt man kurz angebunden«, schmunzelte der Hausherr, der immer Spaß an dem Geplänkel seiner Kinder hatte, zu denen er auch Lenore zählte. »Recht so, ihr Marjellchen! Was sein muß, muß eben sein.«

      »Muß ist eine harte Nuß, die ein jeder knacken muß«, setzte der Sohn des Hauses sein Siegel drauf, dabei mit vollen Backen kauend. »Also knackt sie, ihr Holden. Ich werde per Fernglas geruhsam zusehen, wie ihr mühsam den Berg erklimmt.«

      Nun, so arg war es nun auch wieder nicht. Was der Pennäler großartig mit Berg bezeichnete, war eine Anhöhe, welche die beiden Freundinnen später emporstiegen, dem lockenden Ziel zu. Denn lockend war es, was sich vor ihren Blicken ausbreitete. Schneeweiße Gebäude mit prangend roten Dächern, umstanden von Bäumen, die jetzt allerdings unbelaubt waren, daher freie Sicht boten.

      »Und das alles gehört deinem Onkel?« fragte Lenore bewundernd.

      »Ja. Er ist stolz darauf, dieses prachtvolle Werk sein eigen nennen zu dürfen.«

      »Dann müssen deine Großeltern doch sehr reich gewesen sein, wenn sie ihren Söhnen so viel hinterlassen konnten. Ich meine …«

      »Was du meinst, weiß ich schon«, unterbrach Ilga sie trocken. »Nimm zur Kenntnis, daß meine Großeltern wohl ganz gut situiert waren, aber um ihrem Sohn das da zu schaffen, so viel hatten sie denn doch nicht, zumal die beiden anderen Söhne ja auch nicht leer ausgehen durften. Onkel Reinhard beerbte eine reiche Großtante, die kinderlos starb. Er nur allein, weil er von der Natur so benachteiligt wurde. – Aha, da naht bereits der Hund, also kann sein Herr nicht weit sein.«

      Und tatsächlich tauchte dieser auf, lachend über das ganze Gesicht. »Ei, ei, so viel Holdseligkeit darf der Wanderer


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