Seewölfe - Piraten der Weltmeere 28. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 28 - John Curtis


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und zerschmetterten ihn zwei Yards über Deck.

      Der Fockmast neigte sich, Rahen und Spieren krachten herab, dann begruben Fock und Marssegel die Back und die Toten, die dort bereits lagen, unter sich. Laufendes und stehendes Gut fiel außenbords, der schwere Mast durchschlug das Schanzkleid an der Steuerbordseite der „Sevilla“.

      Bei der „Golden Hind“ pullten die Männer wie verrückt, um die Drehung des Schiffes, das weiter und weiter nach Backbord herumschwang und damit gleichzeitig auch außer Schußposition geriet, zu stoppen.

      Das gewaltige Donnern einer weiteren Breitseite ließ sie zusammenzucken. Erschrocken rissen sie dann jedoch die Köpfe hoch, während sich um sie herum das Meer in eine Hölle riesiger, emporschnellender Wasserfontänen verwandelte, deren Wassermassen sie fast unter sich begruben.

      Undeutlich erkannten sie die Silhouette der anderen Galeone, die inzwischen, im Eifer des Gefechtes von ihnen unbemerkt, auf Schußposition herangeschleppt worden war.

      Die erste Breitseite hatte noch etwas zu kurz gelegen, aber die zweite?

      Zu allem Überfluß schwang in diesem kritischen Augenblick auch die „Selvilla“ herum, jeden Moment mußte sich die „Golden Hind“ vor den Mündungen ihrer tödlichen zwölf schweren Geschütze, über die sie an jeder Rumpfseite verfügte, befinden.

      Drake sah das alles vom Achterkastell aus, als er ein weiteres Mal Feuer kommandierte, und sich die Backbordgeschütze der „Golden Hind“ abermals entluden. Die Kugeln, mit denen die neun Neunpfünder an der Backbordseite geladen worden waren, trafen wieder voll. Sie durchschlugen das Schanzkleid der „Sevilla“ an Steuerbord, rissen einige der feuerbereiten Zwanzigpfünder aus ihren Brooktauen und katapultierten sie quer über das Geschützdeck nach Backbord hinüber. Die schweren Geschütze erfaßten mit ihren Lafetten einige der Männer, zermalmten alles, was ihnen in den Weg geriet. Eins von ihnen zerquetschte ein Pulverfaß, dessen Inhalt sich an einer brennenden Lunte entzündete.

      Eine berstende Explosion erschütterte die „Sevilla“ – eine riesige Stichflamme schoß zu den Segeln des Großmastes empor, verwandelte sie in Sekundenschnelle in lodernde, züngelnde Brände, die sich im Nu auch auf andere Teile der Takelage ausdehnten.

      Die Männer flohen aus dem Geschützdeck. Durch die Hitze, die die inzwischen ebenfalls brennenden Decksplanken verbreiteten, lösten sich die Ladungen der übrigen Geschütze. Es war, als sei auf der „Sevilla“ von einer Sekunde zur anderen die Hölle ausgebrochen.

      Genau in diesem Moment, in dem das Feuer bereits gierig weiter und weiter um sich griff, in dem die Flammen auch schon zum Besan hinüberleckten, kam plötzlich Wind auf.

      Drake sah, wie sich die Segel der „Golden Hind“ blähten, er spürte, wie sich sein Schiff plötzlich unter dem Druck der Segel nach Steuerbord überlegte.

      „Steuerbord brassen!“ überschrie er den allgemeinen Lärm und warf gleichzeitig einen Blick auf die bereits bedrohlich nah herangeglittene, inzwischen lichterloh brennende Galeone. Er hörte das Prasseln der Flammen, die lauten Kommandos, und sah, wie die Entermannschaften in die Wanten kletterten und die Musketenschützen sich hinter den Schanzkleidern der „Sevilla“ verteilten.

      Er konnte sich jetzt nicht um die Männer im Boot kümmern, aber er hoffte, daß sie die Situation rasch erfassen und an Bord entern würden. Das Boot konnten sie in diesem Moment nicht auffieren, es mußte irgendwo an der Bordwand belegt und mitgeschleppt werden, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wieder warf Drake einen gehetzten Blick zur „Sevilla“ hinüber, während die „Golden Hind“ bereits Fahrt aufnahm. Es war wirklich allerhöchste Zeit gewesen, und dann sah er, wie sich von der anderen Galeone, deren Segel sich soeben auch mit Wind füllten, eine weitere Breitseite löste. Deutlich registrierte er die Mündungsblitze, die Wolken aus Pulverdampf, die vor den Stückpforten wie riesige Bälle standen und immer weiter wuchsen. Und dann geschah es – die Breitseite traf. Einige der zwanzigpfündigen Kugeln zischten knapp drei Yards hoch über das Achterkastell, auf dem er stand. Andere schlugen mit einem infernalischen Knall, der die ganze „Golden Hind“ bis in ihre letzten Verbände erschütterte, in die Bordwand ein. Irgendwo schrien Männer auf, ein Teil des Steuerbordschanzkleides zerplatzte förmlich, eine der Stückpforten wirbelte davon und schlug klatschend in die See.

      Die „Golden Hind“ luvte an und gehorchte dem Ruder. Drake gab dem Mann am Kolderstock präzise Anweisung. Sorgfältig achtete er darauf, daß sein Schiff nicht vor die Geschütze der brennenden spanischen Galeone geriet, denn das wäre aus dieser kurzen Entfernung von nur noch knapp hundert Yards ihr Ende gewesen.

      Thomas Moone hastete zum Achterkastell empor. Noch im Laufen wischte er sich Schweiß und Pulverdampf aus dem Gesicht.

      „Da, Sir!“ brüllte er aufgeregt und deutete nach achtern. Drake fuhr sofort herum, er kannte Moone schon lange. Wenn dieser sonst so bedächtige Mann derart aus dem Häuschen geriet, dann mußte das eine ernste Angelegenheit sein.

      Er sah es Sekunden später: ein verhältnismäßig kleines Schiff, rahgetakelt – nur das trapezförmige Großsegel an einer Gaffelrute. Drake kannte diesen Schiffstyp, er wußte, wie schnell und wie ungeheuer manövrierfähig diese Segler waren. Da half einem weit größeren Schiff nicht einmal mehr die stärkere Bewaffung.

      Wieder stieß er eine Verwünschung aus. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! Ganz abgesehen davon, daß ihm nun auch die andere Galeone auf den Pelz zu rücken begann. Sie war ein verdammt rankes und schnelles Schiff, mit dem ebenfalls nicht zu spaßen sein würde. Schon diesem Gegner zu entkommen, hätte ihm und seinen Männern und der „Golden Hind“ alles abverlangt. Und jetzt auch noch dieser verfluchte Schnellsegler, gegen den die „Golden Hind“ bestenfalls eine lahme Ente war! Nein, gegen diesen Don hatten sie keine Chance, wenn die Kerle zu kämpfen verstanden, wenn sie ihr Schiff beherrschten und von ihren Geschützen etwas verstanden!

      Drake dachte an die Treffer, die die „Golden Hind“ vor einigen Minuten kassiert hatte.

      Er sah Thomas Moone nur an, aber der schüttelte den Kopf.

      „Verwüstungen im Schiffsinnern, Sir“, sagte er, „aber alles über der Wasserlinie, behindert uns im Augenblick nicht weiter. Zwei Tote, vier Verwundete, Sir, das ist weit schlimmer. Ein Geschütz zerstört.“

      Drake nickte. Gehetzt blickte er zwischen der Galeone und dem anderen Segler hin und her, der unglaublich schnell von achtern aufsegelte.

      „Back- und Steuerbordgeschütze klar zum Gefecht, Mr. Moone“, befahl er dann. „Pfeilschützen mit Brandpfeilen in die Marse. Brassen bemannen. Wenn es schon sein soll, dann nehmen wir einen dieser verdammten Dons mit auf die große Reise. Sie bleiben bei den Geschützen, Mr. Moone. God save the Queen – alles Gute, Mr. Moone“, fügte er dann noch hinzu, und Thomas Moone wußte, daß es Drakes Abschied war.

      „Alles Gute, Sir“, erwiderte er und verließ dann das Achterkastell. Voller Grimm ballte er die Hände. Jawohl, die Dons würden sich wundern, noch waren sie nicht bei den Fischen!

      Drake beobachtete den kleinen, schnell von achtern aufkommenden Segler. Dann warf er einen Blick zu der unter vollen Segeln heranrauschenden Galeone hinüber und fixierte fast gleichzeitig die schwarze Qualmwolke, die immer noch über der brennenden „Sevilla“ im blaßblauen Himmel stand. Die war erledigt, keine Gefahr mehr für die „Golden Hind“. Aber die anderen beiden – und verdammt noch mal, die „Golden Hind“ erwies sich nicht einmal als schnell genug, um der Galeone an Steuerbord zu entkommen. Der Spanier hatte aufgeholt, die gischtende Bugwelle leuchtete weiß herüber, er konnte schon die über Deck hastenden Seesoldaten erkennen. Diesmal schien es ihnen wahrhaftig an den Kragen zu gehen. Drake war nicht der Mann, der sich in diesem Punkt irgendwelchen Illusionen hingab. Aber er war El Draque, der bis zum letzten Atemzug kämpfen würde!

      „God save the Queen – Gott schütze die Königin“, murmelte er noch einmal, und dann hatte er seinen Entschluß gefaßt.

      „Ruder hart Steuerbord, an die Brassen, Männer!“ schrie er, und seine Stimme dröhnte über die Decks der „Golden Hind“.

      Das Schiff


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