Alfried Krupp: Ein Lebensbild. Frobenius Herman
beim Zwangsverkauf für 12000 Thaler zu erwerben. Mithin erschloß sich am selben Tage, an welchem 12 Jahre später der geniale Erbe der väterlichen geistigen Hinterlassenschaft geboren wurde, für dessen Vater Friedrich das Feld der Thätigkeit, auf dem er die erste Anregung erhielt zu seinen schöpferischen Ideen und weit hinausschauenden Plänen.
Frau Amalie, eine thatkräftige und geistig bedeutende Frau, übernahm selbst die Leitung des Eisenwerkes und suchte seine Ergiebigkeit durch Verbesserungen zu steigern; ihrem Enkel aber gab sie die Gelegenheit, sich dort als Hüttenmann auszubilden. Der Jüngling ergriff den Beruf mit voller Begeisterung. In seinem Geist reifte unter der Anregung der täglichen Beschäftigung der Gedanke, welcher ihm zum Leitstern wurde für sein ganzes, nur gar zu bald im Dienste der Idee geopfertes Leben. Die Eisentechnik Deutschlands war zurückgeblieben, durch England weit überflügelt, und immer mehr wurde der Bedarf an werthvolleren, besseren Erzeugnissen, wie Maschinentheilen und Geräthen, auch im Vaterlande allein aus den englischen Fabriken gedeckt, immer mehr aber drückte das auf die heimische Industrie, je mehr die Maschinen sich vervollkommneten und je allgemeiner ihre Anwendung in allen Berufskreisen voraussichtlich wurde. Für eine ganze Reihe von Werkzeugen und Geräthen verlangte die fortschreitende Industrie ein ganz besonders feinkörniges, hartes und widerstandsfähiges Eisenmaterial, und dies verstanden nur die englischen Fabriken in ihrem Gußstahl herzustellen. Daher ist es leicht erklärlich, daß sich in Deutschland allerorten die denkenden und strebsamen Hüttenleute mit Studien und Versuchen abmühten, um das Geheimniß der Gußstahl-Fabrikation zu ergründen. Und dieses Verlangen ist es auch, welches in Friedrich Krupp, durch seine Beschäftigung auf der Gute Hoffnung-Hütte in Sterkrade mächtig angeregt, zur heißen Flamme wurde, die sein Vermögen und seine Gesundheit verzehrte, während sie für die deutsche Industrie zum Heerdfeuer wurde, an dem sich ihre Thätigkeit in mächtigem Aufschwung entwickelte, und zum Freudenfeuer des endlichen Sieges über die britische Industrie.
Das fleißige, unermüdliche Streben des Jünglings lohnte die Großmutter am 27. Juni 1807 — kurz vor Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres — durch Schenkung des Werkes, und als sich im August des folgenden Jahres Friedrich Krupp mit Therese Wilhelmi aus Essen verheirathete, geschah es noch auf der Gute Hoffnung-Hütte; den häuslichen Heerd wollte er sich neben dem flammenden Ofen errichten, der ihm den Gußstahl liefern sollte. Wie weit er damals mit seinen Versuchen bereits gediehen war, ist nicht bekannt. Jedenfalls erschien es ihm selbst wohl noch nicht möglich, in kurzer Zeit damit ein vollwerthiges Resultat zu erreichen, denn dann würde er nicht darein gewilligt haben, daß bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit am 14. September 1808 die Gute Hoffnung-Hütte verkauft wurde (nachdem die Schenkung, unbekannt aus welchem Grunde, schon am 15. Mai 1808 rückgängig gemacht worden war). Begründet wird der Verkauf durch die mehr und mehr hervortretende Unmöglichkeit, mit der nahe gelegenen Antony-Hütte zu konkurriren, obgleich die preußische Regierung durch Zuwendung von Aufträgen die Gute Hoffnung-Hütte zu unterstützen suchte. Es ist interessant, daß unter dem Kaufakt sich die Namen der Begründer der niederrheinischen Eisenindustrie vereinigt finden, denn die Käufer waren Heinrich Huyssen, Gerhard und Franz Haniel und Gottlob Jacobi. Mit letzterem, einem sehr tüchtigen Hütteningenieur, begegnete sich Friedrich Krupp in dem Bemühen, das Geheimniß der Gußstahl-Fabrikation zu ergründen.
In Essen, wohin der junge Ehemann nach Verkauf der Hütte seinen Wohnsitz verlegte, trat er in einen durchaus neuen Wirkungskreis, indem er das von seiner Mutter geführte größere Spezereigeschäft im Oktober 1810 auf seinen Namen übernahm. Aus dieser Zeit datirt also die Firma Friedrich Krupp, die sich freilich zunächst mit einem Artikel beschäftigte, der den späteren Fabrikaten derselben Firma so fremd wie möglich ist, sie handelte vornehmlich mit Kaffee.
Nicht lange duldete es den jungen Eisentechniker in diesem Geschäft; alles Streben seines Herzens war auf die Gußstahl-Fabrikation gerichtet und unwürdig erschien ihm eine Thätigkeit, welche hierfür keinen Raum bot, es drängte ihn, seine ganze geistige, wie körperliche Kraft, seine Zeit und seine Mittel ganz ausschließlich diesem einen Zweck zu widmen. Um seine Versuche fortsetzen zu können, bedurfte er eines, wenn auch noch so kleinen Eisenwerkes; und so sehen wir, daß er bereits am 7. Dezember 1811 ein in der Gemeinde Altenessen gelegenes kleines Gütchen, „die Walkmühle”, ein Anwesen von etwa 5 Morgen Ausdehnung, ankauft, um hier einen Reckhammer, sowie ein Schmelz- und Cementirgebäude zu errichten; ein kleiner das Gelände durchfließender Bach gab die erforderliche Wasserkraft. Hier sollte das Material, der Gußstahl, erzeugt werden, und in dem Städtchen Moers, auf dem linken Rhein-Ufer, damals also noch im französischen Gebiet, sollte eine neu errichtete Feilenfabrik die für das Ausland bestimmten Waaren herstellen, um den Zoll für diese zu ersparen. Es war wohl zuviel auf einmal angefangen, so richtig das Unternehmen auch erscheinen muß, denn diese Feilenfabrik hat nicht lange bestanden.
Mit Fertigstellung der Gebäude im Herbst 1812 löste Friedrich Krupp sein Spezereigeschäft auf, um alle Mittel disponibel zu machen für das eine Ziel, das er sich gesteckt hatte. Im Geburtsjahr seines Sohnes Alfried konnte er also die geschäftliche Mittheilung machen, daß die Firma Friedrich Krupp von jetzt ab „alle Sorten feinen Stahl, auch Guß-, Rund- und Triebstahl” zu liefern im Stande sei.
Der Zeitpunkt, mit welchem mithin die Krupp’sche Gußstahl-Fabrik ins Leben trat, war für das Unternehmen außerordentlich günstig, denn durch die Napoleonische Kontinentalsperre war seit 1806 jede Einfuhr englischer Stahlwaaren abgeschnitten und die Bestände in den letzten Jahren verbraucht worden; die in voller Entwickelung begriffene Eisen- und Stahl-Kleinindustrie im westlichen Deutschland gerieth mehr und mehr in Verlegenheit, denn es mangelte einerseits an dem zu verarbeitenden, bisher aus England bezogenen Material, anderseits an den von dort gelieferten Stahlwerkzeugen. Allerorten wurden deshalb von Technikern und Chemikern Versuche über Versuche gemacht, einen Ersatz des englischen Fabrikates zu erzeugen, und wer mit Erfolg diesen Weg beschritt, konnte, wie es schien, eines reichen Lohnes sicher sein, da er das dringendste Bedürfniß der Industrie befriedigte. Wenn sich aber die vielfachen Versuche, Gußstahl herzustellen, trotz der thatsächlich erreichten Kenntniß des Geheimnisses fast alle spurlos im Sande verliefen, wenn außer Krupp keiner der patentirten Erfinder ein nennenswerthes Resultat erzielte, so liegt dieses in der eigenartigen Natur des Gußstahls wie jeder für bestimmte Zwecke auf einen hohen Grad der Leistungsfähigkeit entwickelten Eisenlegirung. Es ist nicht die Kenntniß der chemischen Zusammensetzung und das einmalige glückliche Gelingen der Herstellung hinreichend, um die Garantie für eine stetige Produktion eines gleich leistungsfähigen Materials zu bieten; denn die Rohmaterialien sind so verschieden und die geringsten Unterschiede in ihrer Zusammensetzung und in ihrer Zusammenmischung von einem so bedeutenden Einfluß auf die Eigenschaften der aus ihnen gewonnenen Eisenlegirung, daß erst ein langjähriges Studium und Probiren, verbunden mit der minutiösesten Prüfung und Untersuchung der Rohmaterialien und mit der peinlichsten Genauigkeit bei ihrer Verhüttung zu einem einigermaßen richtigen Urtheil über das jedesmal zu erwartende Resultat und schließlich zu jener Sicherheit im Betriebe führen konnte, welche der Legirung die für bestimmte Zwecke zu erreichenden Eigenschaften bei der Auswahl der Materialien zuzuführen imstande ist.
Es ist hieraus erklärlich, warum nicht mit der einmaligen gelungenen Erzeugung eines guten Gußstahlblockes für Friedrich Krupp alle Schwierigkeiten überwunden waren; wie er Jahr für Jahr seines Lebens der emsigen Arbeit opfern mußte, um das theoretisch Gefundene und praktisch als richtig Bewiesene für die Fabrikation auch nutzbar zu machen und die geeignete Beschickungsart für die einzelnen Zwecke des Fabrikates zu finden. Ein Leitmotiv für alle seine Versuche hat ihm den richtigen Weg gewiesen und hat in gleicher Weise seinen Sohn von Erfolg zu Erfolg geführt: „Ohne gutes Eisen kein guter Stahl”; für das beste Erzeugniß, das er erstrebte, konnte er auch nur das beste Rohmaterial brauchen. Und der Mangel an letzterem war es häufig, der seine Fortschritte hemmte. Ein zweites aber, was die Fabrikation größerer Gußstahlstücke unbedingt erfordert, sind die Werkzeuge, mit denen diese durchgeschmiedet oder gewalzt werden müssen, um die Gleichmäßigkeit und Dichtigkeit des Gefüges zu erhalten, welche das Material zu den höchsten Leistungen befähigen. Es fehlten ihm die Mittel, um sich große Hämmer und Walzwerke zu beschaffen und erst nach langen Jahrzehnten der langsamen Entwickelung aus den kleinen Anfängen heraus gelang es dem Sohne, durch Konstruktion und Ausführung der mächtigen Hämmer, welche die Welt in Staunen setzten, seinen Stahlblöcken die