Butler Parker 126 – Kriminalroman. Günter Dönges
des Marktes.
Der Butler brauchte nicht lange zu warten.
Zuerst erschien ein gewisser Mr. Stallett, ein untersetzter Endfünfziger, der eindeutig Teilnehmer der Rallye war. Er schaute sich verstohlen nach allen Seiten um, als er die mittlere der drei Banken betrat.
Fast unmittelbar danach tauchte Stanley Hudson auf. Er entschied sich für die linke der drei Banken und machte eine knappe Minute später Platz für Mr. Brakers, einen langen, fast dürren Mann, der gut und gern seine sechzig Jahre alt war und einen weiten, karierten Radmantel trug. Brakers hielt es mit der rechten der drei Banken.
Daß diese Herren nicht den jüngsten Stand der Börsennotierungen studieren wollten, lag für den Butler auf der Hand. Sie hoben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit je fünftausend Pfund ab, um den Forderungen der Erpresser nachzukommen.
Parker erhob sich.
Er hatte die Absicht, sich an Stalletts Fersen zu heften, um die Formalitäten der Geldübergabe zu studieren. Mit etwas Glück konnte er dann einen der Erpresser sogar stellen und überwältigen. Parker wünschte sich ein schnelles Ende dieses Falles. Obwohl bisher nicht viel passiert war, konnten die Dinge doch jederzeit Umschlagen und in einen ernsten Mord münden.
Zu seiner peinlichen Überraschung aber mußte er diesen Versuch aufgeben. Ihm wurde plötzlich schlecht. Er hatte nur wenige Schluck Tee getrunken, doch die mußten seinen Magen bereits nachhaltig verstimmt haben. Parker spürte einen penetranten Brechreiz in sich aufsteigen, stand hastig auf und ging natürlich nicht nach draußen. Er eilte zum Waschraum und bemühte sich um Würde. Dabei besaß er aber noch die Geistesgegenwart, sich die Gesichter der Gäste in der Teestube anzusehen. Ihm entging dabei nicht, daß ein etwa dreißigjähriger Mann ihn irgendwie spöttisch musterte.
Mit Mühe und Not erreichte Parker den Waschraum. Ihm war völlig klar, daß man ihn elegant überlistet hatte. Ihm war jedoch zu übel, um sich darüber gründlich zu ärgern. Er hatte im Moment andere Dinge zu tun.
*
Der junge Mann schob sich vorsichtig ins Hotelzimmer und drückte die Tür leise hinter sich ins Schloß. Er schien sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein, denn er pirschte sich auf Zehenspitzen an das Badezimmer heran, aus dem das Rauschen und Plätschern von Wasser zu vernehmen war.
Er hatte diesen günstigen Zeitpunkt genau abgepaßt. Vom Korridor aus hatte er das Rauschen der Wasserleitung gehört, dann noch etwa zehn Minuten gewartet und ging jetzt zum Angriff über.
Der Eindringling war etwa achtundzwanzig Jahre alt, schlank, von normaler Größe und zeigte eine leicht deformierte Nase. Trotz eines Jet-Helms war er von einem gewissen »Glücksbringer« hart erwischt worden. Splitter des Sonnenvisiers hatten den Nasenrücken gründlich zerschrammt.
Der Mann freute sich darauf, dieses alte Pferd, wie er Lady Agatha insgeheim und privat nannte, zur Rechenschaft zu ziehen. Er hatte sich bereits einige Bösartigkeiten überlegt, die alle davon ausgingen, daß dieses »alte Pferd« schließlich in der Badewanne saß. Diesen Nachmittag würde sie nie mehr im Leben vergessen, das wußte er bereits jetzt...
Agatha Simpson war ahnungslos.
Sie trällerte eine Melodie, plantschte wieder im Badewasser herum und behauptete dann, sie sei von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. So wenigstens lautete der Text des Chansons, das sie mit dunkler Baritonstimme von sich gab.
Der Eindringling öffnete vorsichtig die Tür zum Badezimmer und spähte zur Wanne hinüber. Sein Opfer war sehr verschwenderisch mit einem Badeschaummittel umgegangen. Wahre Berge türmten sich aus der Wanne in die Höhe. Der neugierige Mann sah nur den Haarschopf der Sechzigjährigen.
Er grinste wie ein Filmgangster, zog seinen kurzläufigen Revolver aus der Schulterhalfter und betrat dann schwungvoll die Fliesen. Er marschierte sofort zur Badewanne und schlug mit dem Lauf seiner Waffe auf den Haarschopf. Nicht besonders fest, denn die verrückte Lady sollte ja nicht ohnmächtig werden.
Doch der Schlag entpuppte sich als eine Niete. Es handelte sich im wahrsten Sinn um einen Schlag ins Wasser. Revolver, Hand und Haarschopf versanken im Schaumgebirge, und gleichzeitig kassierte der Mann einen derben Stoß, der seine Schulterblätter traf.
Der Eindringling wußte nicht, wie ihm geschah. Er machte einen Satz nach vorn, hechtete mit dem Kopf voran ins Schaumgebirge, das übrigens betörend gut roch, und verschwand unter Wasser. Da er automatisch nach Luft schnappte, schluckte er eine gehörige Portion Badewasser, das nach Fichtennadeln schmeckte. Als er endlich wieder auftauchte, machte er einen benommenen Eindruck.
»Sie Lümmel«, hörte er über sich, nahm entsetzt den Kopf hoch und sah in das grimmige Gesicht der resoluten Dame. Sie hielt eine langstielige Rückenbürste in der rechten Hand und klatschte dem Mann die Borsten ins Gesicht.
Seine an sich schon mitgenommene Nase wurde erneut in Mitleidenschaft gezogen. Der Eindringling stöhnte und tauchte wider Willen erneut unter. Agatha Simpsons linke Hand lag auf seinem Kopf und verfügte über eine erstaunliche Kraft.
Der ungebetene Besucher schluckte erneut eine Portion Wasser, kam wieder zurück an die Oberfläche und hustete und spuckte. Er schien sehr hilflos.
»Sie Flegel!« Agatha Simpson grollte. »Wie können Sie sich unterstehen, eine Dame zu belästigen?«
Sie ließ ihm keine Zeit, eine passende Ausrede zu finden oder sich zu äußern. Erneut verschwand sein Kopf unter Wasser. Der Mann strampelte wie besessen mit den Beinen im Wasser und glaubte, seine letzte Minute habe geschlagen. Er versuchte, gegen den Druck von Myladys Hand anzukommen, doch das erwies sich als hoffnungslos. Nachdem die Detektivin ihm eine gute Magenfüllung verpaßt hatte, gestattete sie dem jungen Mann, wieder ans Tageslicht zu kommen.
Er blieb schlaff, entnervt und ausgepumpt im Badewasser liegen und haderte mit seinem Schicksal. Ihm war inzwischen restlos klar, daß das »alte Pferd« ihn gründlich hereingelegt hatte. Wie ein Anfänger war er in eine ganz einfache Falle getappt.
»Nun möchte ich etwas von Ihnen hören, junger Mann«, sagte Lady Agatha und spielte mit der langstieligen Badebürste. »Reden Sie einfach drauflos, ich werde die Spreu schon vom Weizen trennen.«
Während sie noch sprach, rutschte ihr die Badebürste ein wenig aus der Hand, worauf die harten Borsten erneut ihre Spur über seinen Nasenrücken zogen.
Der Mann, der in nichts an eine badende Venus erinnerte, quiekte auf und tauchte freiwillig unter.
*
Trotz seiner Übelkeit hatte Josuah Parker keineswegs die allgemeine Übersicht verloren.
Im Umgang mit der Unterwelt erfahren, rechnete er mit einem Besuch im Waschraum. Obwohl ihm noch recht übel war, baute er sich hinter der Tür auf und wartete.
Er brauchte es nicht lange zu tun.
Die Tür öffnete sich, der Dreißigjährige trat ein und hielt sofort auf das eine der beiden Kabinette zu, in dem er den Butler vermutete. Sein Irrtum war durchaus verzeihlich, denn Josuah Parker hatte sich von seiner schwarzen Melone getrennt und sie oben auf der Abschlußkante des Türrahmens abgelegt, daß der Eindruck entstand, er habe das Kabinett mit Beschlag belegt.
Der Dreißigjährige griff in die Innentasche des Jacketts und zog einen wenig schönen Gegenstand hervor: Es handelte sich um einen handfesten Totschläger, wie er in Gangsterkreisen gern verwendet wird.
Parker war fair und hüstelte. Er wollte den Mann nicht einfach rücklings niederschlagen, das hätte seinem sehr entwickelten Feingefühl nicht entsprochen.
Der Mann fuhr herum und sah bereits dicht vor sich den Bambusgriff eines altväterlich gebundenen Regenschirms. Bevor er ausweichen konnte, legte dieser Griff sich auf seine Stirn. Es gab einen dumpfen Laut, dann knickte der Mann mit weichen Knien ein und vergaß seine finsteren Absichten.
Josuah Parker untersuchte den Mann, barg dessen Brieftasche und holte aus einer Schulterhalfter einen kurzläufigen Revolver, den er konfiszierte. Dann setzte er seine Melone auf und wartete, bis der Mann sich wieder rührte. Da er seinen