Katze, was schnurrst du. Elfriede Ott
UNHEIMLICH. Was ist das in der Dunkelheit? Zwei Sterne, die die Erde besuchen?
Plötzlich weg. Jetzt dort, jetzt da.
Natürlich beobachtet uns ein Wesen, dessen Augen die Fähigkeit haben, zu leuchten.
Ein Fuchs? Vielleicht ein Reh? Ein Hund? Eine Eule? Ein Drache? Ein Zwerg? Eine Elfe? Eine Schlange? Ein Wolf? Ein Löwe? Ein Tiger? … In den Weinbergen vom Wienerwald?
Nein! Natürlich eine Katze. Es ist der Peter vom Haus auf dem Hügel. Dort wohnen einige Katzen, aber die sind nicht so schwarz in der Nacht. Eine schwarze Katze! Sie hat etwas Unheimliches.
Unlängst auf dem Friedhof. Eine Bank in der Sonne neben dem Grab meiner Mutter. Ich bin müde. Nicht nur körperlich.
Friedhof – Sonne: Plötzlich etwas bei meinen Füßen. Etwas zum Erschrecken.
Eine kleine schwarze Katze. Sie legt sich wohltuend auf meinen Bauch. Ein Sprung zu meinem Gesicht. Bei den Ohren macht sie es sich gemütlich. Totale Ruhe. Warmes Schnurren in der Wärme. Bitte rühr dich nicht weg. Du tust mir so gut. Bleib bei mir. Immer. Du wirst es gut haben. Kaum gedacht, husch ist sie weg. Warum kann ich sie nicht halten?
Es stimmt, wenn sie sagen, das ist halt so mit dem Glück.
Das ist halt so mit dem Glück. Es kommt nur in den Märchen vor!
Ich sitze auf der Bank und dichte ein Märchen:
Man sagt mir, ich heiße Mutzi. Ich bin soeben herausgekrochen aus meiner Mama, in die sogenannte Welt. Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber meine Mami gibt mir etwas Gutes zu trinken und so spüre ich, dass ich schon viel größer bin. Ich bin sicher schon zehn Zentimeter groß. Eines Tages kann ich meine Augen öffnen. Ich will mir diese Welt anschauen. Ich schlüpfe zur Haustüre und schau in den Garten. Da wachsen ja Gänseblümchen, die sind schon so groß wie ich. Am Gartenzaun ist ein kleines Loch. Ein Schritt und ich bin draußen.
Ich schleiche am Gartenzaun entlang und bin auf dem, das sie Straße nennen. Aus einem Haus erklingen Töne, die sie Musik nennen. Im Takt spaziere ich die Straße entlang. Die führt plötzlich auf einen Berg hinauf. Sehr hoch, aber ich muss mich gar nicht anstrengen. Ich bin schon oben. Von dieser Bergspitze sehe ich weit, weit ins Land. Sie sagen, das wäre Österreich, ein riesiges Land. Aber wo wieder hinunter? Das habe ich vergessen. Ich kann nicht mehr zurück. Also dann irgendwo halt.
Als ich wieder unten bin, verspüre ich schrecklichen Hunger. Aber da werde ich von Leuten weggejagt. Warum? Ich bin doch nur eine kleine Katze.
Plötzlich kommt aus einem der Häuser eine Frau heraus. Sie schaut mich an mit gütigen Augen, breitet die Hände aus und sagt zu mir: »Komm, du kleine Katze. Bei mir sollst du es gut haben.«
Und so war es auch. Ich blieb bei ihr. Es ging mir so gut wie dann auch in meinem ganzen Leben.
Plötzlich hörte ich, wie sie in einen Apparat hineinsprach: »Ja, sie ist hier bei mir.« Da verkroch ich mich in den letzten Winkel.
Es kamen fremde Leute, fanden mich und nahmen mich mit. Ich fürchtete mich und schrie. Doch dort, wo sie mich absetzten, kam mir alles so bekannt vor. Ja, meine Mama kam mir entgegen und schnurrte mich an. Da schnurrte ich zurück.
Plötzlich waren um mich viele kleine Katzenkinder, meine Geschwister. Ich forderte sie alle auf, mit mir zu kommen. Ich fand den Weg zurück. Und als die Frau aus dem Haus kam, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und rief: »Ihr dürft alle bei mir bleiben, wenn ihr auch so viele werdet, wie Herr Theodor Storm geschrieben hat.«
Wir lebten alle glücklich und zufrieden bei der Frau mit den gütigen Augen.
Und wenn wir nicht gestorben sind, dann leben wir noch heute.
Meine Gedanken gehen zu Theodor Storm,
zu seinen »Maikätzchen«:
THEODOR STORM
Von Katzen
Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber – Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche –
Die wollte von den Sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! – Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen Kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. –
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist’s! – Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar – nein, es ist unaussprechlich,
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon –
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfünfzig Katzen! –
ICH HATTE EINMAL ein Vortragsprogramm über Katzen. Dadurch hatte ich ein Katzenpublikum.
Es waren andere Menschen als sonst, lauter Katzenbesitzer. Sie strahlen etwas aus, das ungewöhnlich ist. Sie schauen ihren Katzen direkt ein bissl ähnlich. So wie ich meinem Hund.
Wir haben ähnliche Bedürfnisse. Eine Gedankenwelt. Wir erraten gegenseitig unsere Gedanken. Wir hatten jahrelang eine Nebelkrähe in unserer Familie. Ich beobachtete sie einmal, wie sie im Nachbargarten Hand in Hand mit unserem Kater spazieren gegangen ist.
Jemand, der kein Tier besitzt, kann die Beziehung