Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский


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Bedenken haben, so ein Esel! Und was die eigentlichen Geschäftssachen anlangt, also Druck, Papier, Verkauf, so übertragen Sie das nur mir! Ich kenne alle Schliche. Wir wollen klein anfangen und uns in die Höhe bringen; wenigstens werden wir unsern Unterhalt davon haben und jedenfalls das hineingesteckte Geld wieder herausbekommen.«

      Dunjas Augen glänzten.

      »Was Sie uns da vortragen, gefällt mir sehr, Dmitrij Prokofjitsch«, sagte sie.

      »Ich verstehe natürlich nichts davon«, bemerkte Pulcheria Alexandrowna. »Es kann ja sein, daß es ganz gut ist; aber Gott mag’s wissen. Es ist alles so neuartig und fremd. Natürlich müssen wir hierbleiben, mindestens für die nächste Zeit …«

      Sie blickte Rodja an.

      »Wie denkst du darüber, Bruder?« fragte Dunja.

      »Ich denke, daß es eine sehr gute Idee von ihm ist«, antwortete er. »An eine wirkliche Verlagsfirma darf man selbstverständlich vorläufig nicht denken; aber so fünf oder sechs Bücher wird man in der Tat mit unzweifelhaftem Erfolge verlegen können. Ich kenne auch selbst ein Werk, das mit Sicherheit gut gehen wird. Und was seine Fähigkeit, die Sache durchzuführen, anlangt, so kann daran kein Zweifel sein; er versteht die Sache … Aber ihr werdet ja noch Zeit haben, alles miteinander zu besprechen …«

      »Hurra!« rief Rasumichin. »Nun passen Sie einmal auf: hier in diesem Hause ist eine Wohnung zu haben, bei denselben Wirtsleuten. Sie liegt ganz für sich, abgesondert, und steht mit diesem Hotel garni nicht in Verbindung; sie ist möbliert, der Preis ist mäßig, es sind drei Stübchen. Also die sollten Sie fürs erste mieten. Die Uhr werde ich morgen für Sie versetzen und Ihnen das Geld bringen, und dann wird alles in Ordnung kommen. Und die Hauptsache ist, daß Sie alle drei zusammen wohnen können; denn auch Rodja kann bei Ihnen wohnen. Wo willst du denn hin, Rodja?«

      »Wie, Rodja, du willst schon fortgehen?« fragte Pulcheria Alexandrowna ganz erschrocken.

      »In einem solchen Augenblick?« rief Rasumichin.

      Dunja blickte ihren Bruder mit mißtrauischer Verwunderung an. Er hielt die Mütze in der Hand und schickte sich an wegzugehen.

      »Na aber, ihr tut ja gerade, als ob ihr mich begraben wolltet oder für immer von mir Abschied nähmet!« sagte er in seltsamem Tone. Es sah aus, als ob er lächelte; aber ein wirkliches Lächeln war es nicht. »Allerdings, wer weiß, vielleicht ist es auch das letzte Mal, daß wir uns sehen«, fügte er unvermutet hinzu.

      Er hatte das eigentlich nur denken wollen; aber wie von selbst waren es vernehmliche Worte geworden.

      »Aber was ist denn mit dir?« rief die Mutter.

      »Wohin gehst du, Rodja?« fragte Dunja auffallend ernst.

      »Ich habe nichts Besonderes vor, einen notwendigen Weg«, antwortete er unklar und unbestimmt, als sei er unsicher, was er sagen solle; aber sein blasses Gesicht trug den Ausdruck fester Entschlossenheit.

      »Ich nahm mir vor, … als ich hierherging, … ich nahm mir vor, Ihnen, Mama, … und dir, Dunja, zu sagen, daß es wohl das beste ist, wenn wir uns eine Zeitlang trennen. Ich fühle mich nicht wohl, ich habe eine solche Unruhe, … ich komme später wieder zu euch, ich komme ganz von selbst wieder, sobald … es möglich ist. Ich werde an euch denken und euch liebbehalten … Aber laßt mich jetzt, laßt mich allein! Ich habe diesen Entschluß gefaßt, … schon früher … Ich habe mich fest dazu entschlossen … Was auch mit mir geschehen möge, ob ich nun zugrunde gehe oder nicht, jedenfalls will ich allein sein. Vergeßt mich völlig; das ist das beste … Erkundigt euch nicht nach mir. Sobald es nötig ist, komme ich selbst wieder, oder … ich rufe euch zu mir. Vielleicht wird noch alles gut! … Aber jetzt, wenn ihr mich liebt, trennt euch von mir … Sonst fange ich an, euch zu hassen; das fühle ich … Lebt wohl!«

      »O Gott, o Gott!« rief Pulcheria Alexandrowna.

      Mutter und Schwester waren beide aufs tiefste erschrocken; nicht minder Rasumichin.

      »Rodja, Rodja! Sei doch wieder gut zu uns; laß uns doch miteinander so weiterleben, wie wir es immer getan haben!« rief die arme Mutter.

      Langsam wandte er sich um und ging langsam zur Tür, um das Zimmer zu verlassen. Dunja eilte ihm nach.

      »Bruder! Was tust du unsrer Mutter an!« flüsterte sie; in ihren Augen funkelte die Entrüstung.

      Er schaute sie düster an.

      »Ihr braucht euch nicht zu beunruhigen; ich komme wieder; ich werde manchmal kommen!« murmelte er halblaut, als wäre er sich selbst nicht recht bewußt, was er eigentlich sagen wollte, und ging aus dem Zimmer.

      »Ein böser, gefühlloser Egoist!« rief Dunja.

      »Verrückt ist er, nicht gefühllos! Er ist geisteskrank! Sehen Sie denn das nicht? Sonst wären Sie ja selbst gefühllos! …« flüsterte Rasumichin ihr in größter Erregung ins Ohr und drückte ihr kräftig die Hand.

      »Ich komme gleich wieder!« rief er Pulcheria Alexandrowna zu, die vor Schreck wie gelähmt war, und stürzte aus dem Zimmer.

      Raskolnikow wartete draußen, am Ende des Korridors, auf ihn.

      »Ich hatte es mir gedacht, daß du noch zu mir herauskommen würdest«, sagte er. »Geh wieder zu ihnen zurück und bleib bei ihnen … Bleib auch morgen bei ihnen … und immer. Ich … komme vielleicht wieder, … wenn ich kann. Leb wohl!«

      Und ohne ihm die Hand zu reichen, wandte er sich zum Gehen.

      »Aber wo willst du denn hin? Was hast du nur? Was ist mit dir los? Wie ist so was nur möglich!« murmelte Rasumichin ganz fassungslos.

      Raskolnikow blieb noch einmal stehen.

      »Ein für allemal: frage mich nie und nach nichts. Ich kann dir keine Antwort geben … Komm nicht zu mir. Vielleicht komme ich wieder hierher … Verlaß mich, … aber die beiden da verlaß nicht! Verstehst du mich?«

      Im Korridor war es dunkel; aber sie standen bei einer Lampe. Eine Minute lang blickten sie einander schweigend an. Sein ganzes Leben lang erinnerte sich Rasumichin dieser Minute. Raskolnikows brennender, starrer Blick schien jeden Augenblick schärfer zu werden und bohrte sich ihm in Herz und Hirn. Auf einmal zuckte Rasumichin zusammen. Es war, als sei etwas Seltsames zwischen ihnen beiden hindurchgegangen, hindurchgeschlüpft, … ein Gedanke, eine Art Ahnung, etwas Furchtbares, Ungeheuerliches, was beiden auf einmal zum Bewußtsein kam … Rasumichin wurde leichenblaß.

      »Verstehst du mich jetzt?« sagte Raskolnikow mit krampfhaft verzogenem Gesichte. »Kehre zurück, geh zu ihnen«, fügte er hinzu, wendete sich schnell um und ging aus dem Hause.

      Es ist nicht meine Absicht, zu schildern, was an diesem Abend bei Pulcheria Alexandrowna vorging: wie Rasumichin zu ihnen zurückkehrte, wie er sie beruhigte, wie er auseinandersetzte, man müsse Rodja, solange er krank sei, Ruhe gönnen, wie er beteuerte, Rodja werde jedenfalls wiederkommen, jeden Tag kommen: seine Nerven seien furchtbar angegriffen, und man dürfe ihn nicht reizen; er, Rasumichin, werde ihn nicht aus den Augen lassen; er werde ihm einen guten Arzt beschaffen, den besten, den es gebe, ein ganzes Konsilium … Kurz, Rasumichin wurde ihnen an diesem Abend Sohn und Bruder.

      IV

      Raskolnikow aber ging geradeswegs nach dem Hause am Kanal, wo Sonja wohnte. Es war ein altes zweistöckiges, grün angestrichenes Haus. Er suchte den Hausknecht auf, der ihm so ungefähr beschrieb, wo der Schneider Kapernaumow wohne. Auf dem Hofe fand er in einer Ecke den Eingang zu einer engen, dunklen Treppe, gelangte auf ihr, langsam hinaufsteigend, endlich zum ersten Stockwerk und trat auf eine Galerie hinaus, die an diesem Stockwerk auf der Hofseite hinlief. Während er in der Dunkelheit umhertappte, ohne den Eingang zu Kapernaumows Wohnung finden zu können, wurde plötzlich drei Schritte von ihm entfernt eine Tür geöffnet; ganz mechanisch trat er hinzu und faßte nach ihr.

      »Wer ist da?« fragte ängstlich eine weibliche Stimme.

      »Ich bin es, … ich wollte zu Ihnen«, antwortete Raskolnikow und trat in ein winziges Vorzimmer ein. Hier brannte auf einem durchgesessenen Stuhle ein Licht in einem verbogenen Messingleuchter.

      »Sie sind es! O Gott!« rief


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