Gesammelte Werke von Dostojewski. Федор Достоевский

Gesammelte Werke von Dostojewski - Федор Достоевский


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Ich bin so vergnügt wie lange nicht. Wollen wir nicht Champagner trinken? Wie denken Sie darüber, mein lieber Poet?«

      »Ich werde nicht mittrinken; ich will nicht!«

      »Ach was, reden Sie nicht! Sie müssen mir heute unbedingt Gesellschaft leisten. Ich fühle mich sehr wohl, und da ich ein bis zur Sentimentalität gutherziger Mensch bin, so kann ich nicht allein glücklich sein. Wer weiß, wir kommen vielleicht noch dahin, miteinander Brüderschaft zu trinken, hahaha! Nein, mein junger Freund, Sie kennen mich noch nicht! Ich bin davon überzeugt, daß Sie mich liebgewinnen werden. Ich will, daß Sie heute Leid und Freude, Frohsinn und Tränen mit mir teilen, wiewohl ich hoffe, daß wenigstens ich für meine Person nicht weinen werde. Nun, wie ist’s, Iwan Petrowitsch? Bedenken Sie nur, daß, wenn Sie mir nicht den Willen tun, meine ganze gehobene Stimmung vergeht, verschwindet, verfliegt und Sie nichts zu hören bekommen; na, und Sie sind doch einzig und allein zu dem Zweck hier, um etwas zu hören. Nicht wahr?« fügte er hinzu und blinzelte mir dabei wieder unverschämt zu. »Nun, dann wählen Sie also!«

      Die Drohung war schwerwiegend. Ich willigte ein. »Ob er mich betrunken machen will?« dachte ich. Hier dürfte es am Platze sein, ein Gerücht über den Fürsten zu erwähnen, das mir schon vor längerer Zeit zu Ohren gekommen war. Es hieß von ihm, er, der in Gesellschaft immer so sein und elegant auftrat, liebe es, sich manchmal nachts zu betrinken, sich stierartig zu betrinken und dann geheime Orgien zu feiern, garstige geheime Orgien … Ich hatte schändliche Dinge über ihn gehört. Aljoscha wußte, wie man sagte, davon, daß sein Vater manchmal trinke, bemühte sich aber, dies vor allen und namentlich vor Natascha geheimzuhalten. Einmal verplapperte er sich im Gespräch mit mir, brach aber sofort ab und gab auf meine Fragen keine Antwort. Übrigens hatte ich vorher das, was ich von anderen gehört hatte, offen gestanden, nicht geglaubt. Jetzt nun wartete ich, was da kommen werde.

      Der Wein wurde gebracht; der Fürst goß zwei Gläser ein, für sich und für mich.

      »Ein reizendes, ganz reizendes Mädchen, wenn sie mich auch ausgescholten hat!« fuhr er fort und kostete mit Genuß den Wein; »aber gerade dann, in solchen Augenblicken, sind diese reizenden Geschöpfe besonders reizend … Sie hat gewiß gedacht, sie hätte mich dazu gebracht, mich zu schämen, Sie erinnern sich, an jenem Abend, und sie hätte mich in Grund und Boden geschmettert. Hahaha! Und wie gut ihr das Erröten steht! Sind Sie Weiberkenner? Manchmal steht ein plötzliches Erröten blassen Wangen ausgezeichnet; haben Sie das schon bemerkt? Ach, mein Gott! Es scheint, Sie ärgern sich schon wieder?«

      »Ja, ich ärgere mich!« rief ich, ohne mir länger Zwang aufzuerlegen; »und ich will nicht, daß Sie jetzt von Natalja Nikolajewna sprechen… Das heißt, nicht in diesem Ton. Ich… ich erlaube Ihnen das nicht!«

      »Oho! Nun, meinetwegen, ich werde Ihnen das Vergnügen machen und das Thema wechseln. Ich bin ja nachgiebig und weich wie Teig. Wir wollen von Ihnen reden. Ich habe Sie sehr gern, Iwan Petrowitsch; wenn Sie wüßten, wie freundschaftlich und aufrichtig ich mich für Sie interessiere!«

      »Fürst, wäre es nicht besser, wenn Sie sachlich redeten?« unterbrach ich ihn. »Das heißt von unserer Sache, wollen Sie sagen. Ich verstehe Sie auf eine bloße Andeutung hin, mon ami; aber Sie ahnen gar nicht, wie nahe wir die Sache berühren, wenn wir jetzt von Ihnen sprechen, und selbstverständlich, wenn Sie mich nicht unterbrechen. Also, ich fahre fort: ich wollte Ihnen sagen, mein wertester Iwan Petrowitsch, daß ein Leben, wie Sie es führen, einfach Selbstmord ist. Gestatten Sie mir, diesen delikaten Gegenstand zu berühren; ich tue es aus Freundschaft. Sie sind arm; Sie lassen sich von Ihrem Verleger Vorschüsse geben, bezahlen davon Ihre kleinen Schulden, nähren sich für den Rest ein halbes Jahr lang nur von Tee und frieren in Ihrer Dachstube, bis Ihr Roman in dem Journal Ihres Verlegers erscheint. Ist’s nicht so?«

      »Mag es auch so sein, so ist das doch…«

      »Ehrenwerter als zu stehlen, Bücklinge zu machen, sich bestechen zu lassen, zu intrigieren und so weiter und so weiter. Ich weiß, ich weiß, was Sie sagen wollen; das ist alles schon längst gedruckt.«

      »Folglich haben Sie gar keinen Anlaß, über meine Lebensweise zu reden. Muß ich Sie wirklich erst taktvolles Benehmen lehren, Fürst?«

      »Nun, Sie, lieber Freund, brauchen das allerdings nicht zu tun. Aber was ist zu machen, wenn wir gerade diese zarte Saite berühren müssen? Umgehen läßt es sich nicht. Na, dann wollen wir die Dachstuben in Ruhe lassen. Ich bin auch selbst kein Liebhaber von Dachstuben, außer in gewissen Fällen« (er kicherte in widerwärtiger Weise). »Aber über eines muß ich mich wundern: was haben Sie für eine wunderliche Passion, die zweite Rolle zu spielen? Es hat ja freilich ein Schriftsteller, ein Berufsgenosse von Ihnen, irgendwo, wie ich mich erinnere, gesagt, es sei vielleicht die größte Tat, die ein Mensch vollbringen könne, wenn er es verstehe, sich im Leben mit der zweiten Rolle zu begnügen. So ungefähr lautete es. Ich habe denselben Gedanken auch schon irgendwo gesprächsweise erörtern gehört. Aljoscha hat Ihnen doch die Braut abspenstig gemacht, das weiß ich; aber Sie quälen sich wie so ein Schiller für die beiden ab und leisten ihnen alle möglichen Dienste und machen bei ihnen fast den Laufburschen… Nehmen Sie es mir nicht übel, mein Lieber; aber das ist doch ein garstiges Spiel mit hochherzigen Gefühlen… Daß Ihnen das nicht widerwärtig wird, wirklich! Sie sollten sich geradezu schämen! Ich glaube, ich würde mich an Ihrer Stelle totärgern, besonders aber mich schämen, schämen!«

      »Fürst! Es scheint, Sie haben mich absichtlich hierhergeführt, um mich zu beleidigen!« rief ich, außer mir vor Wut.

      »O nein, mein Freund, nein; ich bin in diesem Augenblick ganz einfach ein ruhig denkender Mensch und wünsche Ihr Bestes. Kurz gesagt, ich möchte die ganze Sache in Ordnung bringen. Aber lassen wir vorläufig die ›ganze Sache‹, und hören Sie mich bis zu Ende an; geben Sie sich Mühe, nicht hitzig zu werden, wenn auch nur für zwei Minuten. Nun, was meinen Sie, wie wär’s, wenn Sie sich verheirateten? Sehen Sie, ich rede jetzt von einem vollständig abseits liegenden Gegenstand; warum sehen Sie mich denn so erstaunt an?«

      »Ich warte, bis Sie ganz ausgesprochen haben werden«, antwortete ich; ich sah ihn allerdings sehr verwundert an.

      »Es ist eigentlich weiter nichts zu sagen. Ich wollte nur wissen, was Sie sagen würden, wenn einer Ihrer Freunde, der Ihnen ein dauerhaftes, wahres Glück wünscht, nicht so ein flüchtiges, Ihnen ein junges, hübsches Mädchen vorschlüge, das aber… schon seine Erfahrungen gemacht hat; ich rede nur ganz im allgemeinen, aber Sie werden mich verstehen, ein Mädchen in der Art von Natalja Nikolajewna, selbstverständlich mit einer anständigen Kompensation… (beachten Sie wohl: ich rede von etwas Abseitsliegendem, nicht von unserer Angelegenheit); nun, was würden Sie dann sagen?«

      »Ich antworte Ihnen, daß Sie… verrückt geworden sind.«

      »Hahaha! Holla! Sie wollen mich wohl gar prügeln?« Ich war in der Tat nahe daran, mich auf ihn zu stürzen.

      Ich konnte mich nicht länger beherrschen. Er machte mir den Eindruck eines ekelhaften Reptils, einer riesigen Spinne, und ich hatte die größte Lust, das garstige Geschöpf zu zertreten. Er fand sein Vergnügen daran, mich zu verspotten; er spielte mit mir wie die Katze mit der Maus, in der Voraussetzung, daß ich ganz in seiner Gewalt sei. Es schien mir (und ich hatte Verständnis dafür), daß er eine Art von Genuß, vielleicht sogar eine Art von Wollust bei seiner Frechheit, bei dieser Unverschämtheit, bei diesem Zynismus empfand, mit dem er sich endlich vor meinen Augen die Maske abriß. Er wollte sich an meinem Erstaunen, an meinem Schrecken werden. Er verachtete mich aufrichtig und machte sich über mich lustig.

      Ich hatte schon von vornherein vermutet, daß dies alles vorher überlegt sei und er ein bestimmtes Ziel verfolge; aber ich befand mich in einer solchen Lage, daß ich ihn wohl oder übel bis zu Ende anhören mußte. Das lag in Nataschas Interesse, und ich mußte mich entschließen, alles zu ertragen, weil sich in diesem Augenblick vielleicht die ganze Sache entschied. Aber wie konnte ich diese zynischen, gemeinen Äußerungen über sie anhören, wie konnte ich sie kaltblütig ertragen? Überdies wußte er selbst sehr wohl, daß ich genötigt war, ihn anzuhören, und dadurch wurde die Beleidigung noch verschärft. ›Übrigens hat auch er mich nötig‹, dachte ich bei mir und begann, ihm in schroffem, feindseligem Ton zu antworten. Er verstand das.

      »Hören Sie


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