Der Bergpfarrer 152 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer 152 – Heimatroman - Toni Waidacher


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konzentrierte sich wieder auf das Fahren. Die Bergstraße war kurvenreich und führte steil ins Tal hinunter.

      Schließlich waren sie angekommen. Saskias erster Eindruck von St. Johann war der, daß es sich um ein kleines Dorf handelte, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Die Häuser waren alt, aber schmuck herausgeputzt. An vielen Fassaden und Giebeln sah sie die für diese Gegend so typischen Lüftlmalereien. Die Kirche in der Mitte des Ortes war imposant.

      »Da würd’ ich gern’ mal hineinschauen«, sagte die Studentin.

      »Machen wir auch noch«, versprach Kathi. »Aber jetzt schauen wir uns erst einmal ein bissel um. Bist ja schließlich zwei Wochen da. Wir haben also Zeit und Gelegenheit genug, was zu unternehmen.«

      »Mußt denn net auf dem Hof helfen?« fragte Saskia erstaunt.

      Die Bauerntochter schüttelte den Kopf.

      »Meine Eltern haben mir sozusagen Urlaub gegeben«, antwortete sie. »Extra, damit ich Zeit für dich hab’.«

      »Das ist aber nett von ihnen.«

      »Ich komm’ auch prima mit ihnen aus. Überhaupt sind wir eine Familie, in der alle zusammenhalten.«

      Kathi stellte das Auto auf dem Parkplatz des kleinen Einkaufszentrums ab, in dem die Läden bereits geschlossen waren. Trotzdem bummelten sie durch die Passage und schauten in die Auslage der Boutique, die immer aktuelle Damenmode führte. Danach spazierten sie durch das Dorf, ein Fußmarsch, der von einem Ende bis zum anderen kaum mehr als eine Viertelstunde erforderte.

      »Hier ist’s wirklich schön«, sagte Saskia, was sie ehrlich empfand. »Und alles ist genauso, wie du’s immer beschrieben hast.«

      Kathi zog sie mit sich.

      »Komm, wir geh’n in den Biergarten.«

      Es war früher Abend, und viele der Tische waren besetzt. Die zahlreichen Touristen, die nach St. Johann kamen, wohnten meist in den billigeren Pensionen und nicht im teuren Hotel. Dort aber gab es außer dem Frühstück keine anderen Mahlzeiten, so daß die Urlauber gerne den Bier- und Kaffeegarten aufsuchten um hier, je nach Tageszeit, zu Mittag oder Abend zu essen. Indes waren es nicht nur auswärtige Besucher, die sich hier einfanden. Die Bauern tranken ihren Abendschoppen meist im Wirtshaus, das zu dem Hotel gehörte, wie Saskia erfuhr, die jungen Leute frequentierten hingegen lieber das Außenlokal. An einem der Tische saßen zwei Bekannte von Kathi Raitmayr, und die Freundinnen setzten sich dazu. Saskia wurde freudig begrüßt, und schnell war man im Gespräch vertieft. Dabei ging es vor allem darum, wer mit wem auf dem letzten Tanzabend was angefangen hatte, oder welche Beziehung genau dort auseinandergegangen war.

      Nachdem die zwei Madln, es waren Mägde vom Sonnenbichlerhof, sich verabschiedet hatten, saßen Saskia und Kathi zunächst alleine an ihrem Tisch. Die Bauerntochter nahm ihr Handy und rief ihren Freund an.

      »Wir sind im Biergarten«, sagte sie, nachdem sie sich erkundigt hatte, ob Florian Burger Zeit hatte, zu ihnen zu kommen.

      Er versprach es, und Kathi steckte ihr Mobiltelefon zufrieden wieder in die Tasche.

      »In zwanzig Minuten ist er da«, erklärte sie.

      »Fein. Ich freu’ mich schon darauf, ihn kennenzulernen«, nickte Saskia und trank einen Schluck von ihrem Radler.

      Sie unterhielten sich weiter und merkten gar nicht, wie schnell die Zeit verging. Und dann stand Flo­rian plötzlich vor ihnen, und Saskia schnappte nach Luft und wußte gar nicht, wie ihr geschah.

      Donnerwetter, dachte Saskia, das ist also ihr Freund!

      *

      »Grüß euch«, sagte Florian Burger charmant.

      Er beugte sich zu Kathi hinüber und gab ihr einen Kuß. Dann reichte er Saskia die Hand.

      »Und du bist also Kathis langjährige Brieffreundin«, sagte er. »Freut mich, dich endlich kennenzulernen.«

      Zu ihrer Überraschung beugte er sich auch zu Saskia rüber und gab ihr ebenfalls einen Kuß – auf die Wange.

      Kathi schien das nicht zu stören.

      »Hallo, Florian«, sagte die Studentin, um ihre Verlegenheit zu verbergen, »schön, daß du noch herkommen konntest.«

      »Ach ja, es war ein langer Tag«, seufzte der Bauernsohn, während er sich setzte und nach der Kellnerin winkte.

      Saskia betrachtete ihn verstohlen. Florian Burger war bestimmt über einen Meter achtzig groß und schlank. Er hatte gewelltes blondes Haar und blaue Augen. Sein markantes Gesicht war gebräunt, und unter dem Jeanshemd verbarg sich ein muskulöser Oberkörper. Lässig hatte er die Beine übereinandergeschlagen und bestellte eine Maß.

      »Was darf ich denn den Damen spendieren?« erkundigte er sich.

      Ihre Gläser waren noch voll, und sie lehnten dankend ab.

      »Und habt ihr euch schon überlegt, was ihr alles so anstellen wollt, in den zwei Wochen?« erkundigte er sich.

      Saskia war nicht ganz klar, an wen die Frage gerichtet war. Eigentlich hätte Florian sie Kathi stellen müssen, denn die war ja schließlich hier zu Hause. Der Bursche aber schaute sie dabei an – mit einem Blick, der Saskia unter die Haut ging.

      Mensch, ist das ein Typ! dachte sie elektrisiert.

      Gleichzeitig schlug eine Alarmglocke in ihrem Kopf an.

      Finger weg, sagte sie sich, schließlich ist er Kathis Freund!

      Die Bauerntochter erzählte, was sie sich alles überlegt hatte. Natürlich würden sie gleich morgen einen Ausflug in die nähere Umgebung machen, am Nachmittag vielleicht die Kirche besichtigen. Dann stand ein Badetag am Achsteinsee auf dem Programm, vielleicht sogar auch mehrere, je nachdem, wie das Wetter wurde. Außerdem wollte Kathi ihrer Freundin unbedingt das Jagdschloß »Hubertusbrunn« zeigen, das malerisch im Ainringer Wald gelegen war, und weil Saskia einmal hatte durchblicken lassen, daß sie hin und wieder gerne ausritt, wollte die Bauerntochter sie mit einem Besuch des Ferienhotels »Reiterhof« überraschen, wo man Pferde ausleihen konnte.

      Von dieser Überraschung verriet sie allerdings noch nichts, als sie aufzählte, was alles geplant war. Florian nickte zustimmend.

      »Das ist doch super«, meinte er. »Ich hab’ schon mit meinem alten Herrn gesprochen und ihm gesagt, daß ich in den nächsten Tagen ein bissel kürzer treten will auf dem Hof. Schließlich möcht’ ich so viel Zeit wie möglich mit euch verbringen. Dann muß halt der Georg ein bissel mehr schaffen.«

      Georg war sein jüngerer Bruder, der ebenfalls auf dem Hof arbeitete.

      »Ach, das ist schön«, freute sich Kathi und gab ihm einen Kuß.

      Saskia bemerkte, halb amüsiert und halb entsetzt, daß Florian ihr dabei zuzwinkerte.

      Ist das ein Frechling, ging es ihr durch den Kopf, da flirtet der doch mit mir, während er seine Freundin küßt!

      Indes schien sich der Bursche darüber keine Gedanken zu machen. Er nahm seinen Bierkrug und prostete ihr zu.

      »Also dann, auf schöne Ferien.«

      Kathi und Saskia hoben ebenfalls ihre Gläser.

      »Die Kirche ist wohl schon sehr alt, was?« fragte die Studentin, mehr um sich abzulenken.

      »Das kannst meinen«, nickte Florian. »Bestimmt schon an die vierhundert Jahr’. Aber darüber kann dir unser Bergpfarrer mehr erzählen.«

      »Bergpfarrer?« hakte Saskia stirnrunzelnd nach. »Wer ist das denn?«

      »Eigentlich heißt er Pfarrer Trenker«, erklärte Kathi. »Aber die Leut’ nennen ihn halt so, weil er sich droben in den Bergen so gut auskennt. Bestimmt wirst Hochwürden noch kennenlernen, in den zwei Wochen, die du hier bist.«

      »Hast eigentlich schon mal eine Bergtour gemacht?« wollte Florian wissen.

      Die Studentin


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