Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer

Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman - Kathrin Singer


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da küsste er sie.

      Und zögernd, fast scheu erwiderte sie seinen Kuss.

      Im gleichen Moment schien sich Matthias Hartmann zu verwandeln. Es war, als habe eine Zauberin ihn berührt, um ihn zu erlösen. Das Mondlicht fiel auf sein Gesicht, das plötzlich jung und gelöst wirkte. All die düstere Anspannung war von ihm abgefallen.

      »Es kommt mir wie ein Wunder vor, Julia«, murmelte er, und in seiner Stimme schwang eine unbändige Freude mit, verhalten noch, aber unverkennbar.

      »Was denn? Was kommt dir wie ein Wunder vor?«, fragte sie zärtlich und schmiegte sich an ihn.

      »Dass du mich ein bisschen gernhast.« Er drückte sie stürmisch an sich. »Und ich bin so eklig zu dir gewesen.«

      »Ach, das ist lange her.«

      »Ein paar Wochen nur.«

      »Mir kommt es wie eine Ewigkeit vor. Bestimmt, Matthias. Ich habe das Gefühl, als ob ich schon seit Jahren bei dir im Forsthaus zu Hause wäre.«

      »Zu Hause? Hast du zu Hause gesagt?«, fragte Matthias atemlos.

      Julia nickte eifrig.

      Er presste seine Lippen in ihr Haar und flüsterte: »Ich wünschte, es ist … Nein …«

      Julia lehnte sich in seinen Armen zurück und suchte seinen Blick. »Was wünschst du dir, Matthias?«

      »Ach, nichts.«

      Julia grub ihre Fingernägel in den rauen Stoff seiner Jacke. »Bitte, du musst es mir sagen.«

      »Es ist vermessen. Ich kann nicht«, flüsterte er tonlos.

      »Sind deine Wünsche so töricht?«

      »Ja, töricht, das ist das richtige Wort, ich will dich nicht in Verlegenheit bringen, Julia. Komm.« Er wollte sie weiterziehen.

      Doch sie wehrte sich. »Erst möchte ich deinen vermessenen Wunsch hören, Matthias.«

      »Später vielleicht, später.« Seine Stimme war rau, und er sah starr geradeaus.

      »Könnte ich den Wunsch erfüllen?«, fragte sie leise.

      »Nur du!« Er schluckte schwer vor Aufregung und wagte nicht, sie anzusehen.

      Unwillkürlich schmiegte Julia sich enger an ihn. Und diese fast schutzsuchende Geste bewirkte mehr als alle dringenden Fragen.

      Matthias Hartmann packte sie bei den Schultern. »Könntest du dir vorstellen, für immer bei mir zu bleiben? Willst du meine Frau werden?«

      Es war so still, dass das verschlafene Zwitschern eines Vogels überlaut klang.

      Das Mondlicht spiegelte sich in Julias Augen.

      »Ja«, sagte sie.

      Der Förster starrte sie an, als könnte er es nicht fassen, als habe er sich verhört. Doch als Julia zur Bekräftigung noch einmal nickte, ging es wie ein Beben durch seinen Körper. Es schien, als wollte dieser schwerblütige, melancholische Mann jauchzen, aufschreien vor Glück.

      Doch nur ein zärtliches »Julia, meine Julia«, kam über seine Lippen. Er küsste sie nicht. Er hielt sie nur eng und innig an sich gedrückt, so fest und doch so zärtlich, dass ihr ganz warm ums Herz wurde.

      »Möchtest du eine offizielle Verlobungsfeier, Julia?«, fragte Matthias später.

      »Verlobungsfeier? Warum heiraten wir nicht gleich?«, platzte sie heraus.

      »Ist das dein Ernst?« Matthias schien noch immer an seinem unverhofften Glück zu zweifeln.

      »Aber ja! Am liebsten wäre es mir, wenn wir schon in den nächsten Tagen das Aufgebot bestellen würden.«

      Er schmiegte überrascht den Arm um ihre Schultern. »Bitte, ganz wie du willst, Julia. Ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil, ich bin so froh, so glücklich, ich kann es noch gar nicht glauben.«

      Julia biss sich auf die Unterlippe. Gut, dass Matthias nicht fragte, warum sie es so eilig hatte. Sie wollte klare Fronten. Am liebsten wäre es ihr, wenn der heimkehrende Björn sie bereits als seine Schwägerin begrüßen musste. Nein, sie wollte ihr Herz nicht in Konflikte stürzen. Björn – das war ein schönes Abenteuer, aber Vergangenheit.

      Ihre Zukunft hieß Matthias und die Kinder!

      Bereits vierzehn Tage später läuteten im nahen Dorf die Hochzeitsglocken.

      In einer weißen Kutsche, von zwei prachtvollen Schimmeln gezogen, fuhren Julia, Matthias und die festlich gekleideten Kinder zur Kirche.

      Heidi griff verstohlen nach Julias Hand. »Du bist so eine schöne Braut, Tante Julia, wie eine richtige Märchenprinzessin.«

      Julia errötete vor Freude. Die Begeisterungsrufe ihrer Schützlinge, als sie ihnen erklärt hatte, dass sie nun für immer bei ihnen bleiben werde, klangen noch heute in ihren Ohren. Seitdem waren Heidi und Carsten noch anhänglicher und liebevoller.

      »Bleibst du auch ganz bestimmt für immer?«, vergewisserte sich der siebenjährige Junge noch einmal, als die Kutsche vor der Kirche stoppte.

      Julia strich über sein blondes Haar.

      »Ehrenwort, Carsten. Ich bleibe jetzt immer bei euch.«

      »Prima. Du bist die Allerbeste. Schade, dass Vati dich heiratet, ich hatte dich auch genommen, später natürlich.«

      Julia küsste ihn zärtlich auf die Wange. »Danke. Das ist mein schönstes Hochzeitsgeschenk.«

      Die Glocken läuteten, als gelte es, das größte Fest der Welt zu verkünden. Die Orgel brauste und jubilierte wie Engels­chöre.

      Es war Julia, als schreite sie auf Wolken, nicht auf steinernen Fliesen durch den Mittelgang. Sie war stolz auf ihren Mann. Matthias, der hoch aufgerichtet an ihrer Seite ging, sah fantastisch aus, um viele Jahre verjüngt. Das Glück verklärte seine Züge.

      Und dann standen sie vor dem Altar. Der Dorfpfarrer sprach mit einfachen, bewegenden Worten vom Sinn der Ehe.

      »Die Ehe, meine Lieben, ist ein Prüfstein. Zueinander halten, füreinander da sein, nicht nur in den guten, sondern vor allem in den bösen Tagen, das zeigt erst den Wert eines Menschen. Schöne Worte können leere Versprechungen sein, auch im Angesicht Gottes. Wenn zwei Menschen aber am Ende des Lebens stehen und einander in die Augen sehen können, ohne die Wimpern niederzuschlagen, dann haben sie die Prüfung bestanden, dann sind ihre Seelen aus einem rohen Stein zu einem kostbaren Diamanten geschliffen. Denkt immer daran, die Liebe kann alles Schlechte und Böse zum Guten wenden, und zwar nur die Liebe. Das Unterpfand der Liebe aber ist die Treue …«

      Obwohl Julia intensiv den Worten des alten Pfarrers lauschte, fühlte sie sich plötzlich unbehaglich.

      Ein sonderbares Gefühl beschlich sie. Wie unter einem inneren Zwang musste sie den Kopf nach links wenden.

      Hinter der Treppe, die zur Kanzel führte, stand er – Björn.

      Sein flammender Blick war wie ein Fausthieb, der Julia direkt aufs Herz traf.

      Björn Hartmann – er musste hierhergerast sein, als er im Forsthaus eingetroffen war. Er trug ein offenes grünkariertes Hemd. Sein Gesicht war gerötet. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Er starrte sie an, als wollte er sich jeden Moment auf sie stürzen, um sie mit seinen starken Händen zu packen, ihr den Brautschleier aus dem Haar zu fetzen und sie aus der Kirche zu tragen. Julia spürte, wie es ihr eisig über den Rücken rieselte. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme des Pfarrers.

      Björn wirkte wie ein verwundetes, überaus gereiztes Tier der Wildnis. Dass ihn ihre Eheschließung mit seinem Bruder derart treffen würde, hatte sie nicht geahnt. Liebte Björn sie tatsächlich? War es echte Liebe? Nicht nur ein Spiel im Sommerwind?

      Mit Gewalt musste Julia sich zwingen, weiter der Trauungszeremonie zu folgen. Als der alte Pfarrer die feierliche Frage an sie richtete, antwortete sie mit besonders klarer, fester Stimme: »Ja!«


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