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Treppe hinauf zur Brücke der »Salvador«. Sein breites, glattrasiertes Gesicht verzog sich zu einem freundlichen Lächeln, als Kapitän Limon aus der Kapitänskajüte kam und mit schnellen, kleinen Schritten auf ihn zukam.

      »Alles in Ordnung?« fragte Kapitän Limon. Er war ein dicklicher, untersetzter Mann von etwa fünfzig Jahren. Er fuhr mit einem riesigen roten Taschentuch über die stark ausgebildete Stirnglatze und wischte sich die Schweißperlen weg. Kapitän Limon trug eine Art Pyjama, dessen Jacke aufgeknöpft war und den Blick auf seine dicht behaarte Brust freigab.

      »Alles in Ordnung, von uns aus können Sie losmachen und abfahren.«

      Sergeant Wallby reichte das dicke Bündel der Schiffs- und Ladepapiere an Kapitän Limon weiter. Der Kapitän des Frachters nahm das Bündel achtlos entgegen und schob es in ein Wandbord.

      »Mal ’ne Frage im Vertrauen«, sagte er dann zu Sergeant Wallby. Sein Amerikanisch war hart akzentuiert. »Warum haben Sie meinen Kahn fast auf den Kopf gestellt, Sergeant?«

      »Hab’ ich das?« gab der Sergeant neutral zurück. Er schüttelte sich eine Zigarette aus der Packung, die er einer Tasche seiner stramm sitzenden Hose entnommen hatte, und zündete sie an.

      »Ich fahr’ ja nicht zum ersten Mal durch den Kanal«, meinte Kapitän Limon.

      »Vielleicht sind wir hinter Gaunern her«, gab Sergeant Wallby lächelnd zurück. Er sog an der Zigarette und sah von der Brücke hinunter auf das Schiffsdeck. Zwei uniformierte Männer der Kanalpolizei winkten lässig nach oben. Sergeant Wallby antwortete mit einer vagen Handbewegung.

      »Gauner? Hier auf der ›Salvador‹?« Kapitän Limon sah Sergeant Wallby entgeistert an. »Das war doch ’n Witz, oder?«

      »Wir sehen uns jeden Kahn an, der durch den Panama-Kanal fährt«, erwiderte der Sergeant gleichmütig.

      »Um was geht es eigentlich?« wollte Kapitän Limon wissen. »Mir können Sie’s doch sagen, Sergeant.«

      »Können Sie den Mund halten?« erkundigte sich Sergeant Wallby mit gedämpfter Stimme.

      »Klar«, gab Kapitän Limon zurück. »Ich kann schweigen wie ein Grab.«

      »Ich auch...!« Sergeant Wallby grinste, tippte an den Rand seiner Mütze und ging dann mit schnellen Schritten zurück zur Treppe. Innerhalb weniger Sekunden war er von der Brücke verschwunden.

      Kapitän Limon fluchte leise.

      Er baute sich am Brückenrand auf und sah dem Sergeant nach, der seinen beiden Männern zunickte und dann zusammen mit ihnen über die Gangway hinüber auf den Kai stieg.

      »Was war los? Ärger mit der Kanalpolizei?«

      Kapitän Limon wandte sich zu dem Sprecher um, der lautlos hinter ihm erschienen war. Er stand dem 1. Offizier der »Salvador« gegenüber, einem mittelgroßen, schlanken Mann von knapp vierzig Jahren.

      »Die spielen sich wieder auf«, meinte Kapitän Limon und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.

      »Hab’ ich auch schon gemerkt, Käpt’n«, antwortete der 1. Offizier. Er hieß Steve Mulligan und wirkte verschlossen. »Ich hab’ sie durch alle Laderäume führen müssen. Sie haben sogar Stichproben gemacht und wollten sich die Ladung ganz genau ansehen.« Steve Mulligan lächelte plötzlich und fügte hinzu: »Vielleicht sind sie mal wieder hinter Waffen her...!«

      »Wenn schon...!« Kapitän Limon machte eine wegwerfende Handbewegung. Er wischte sich erneut den Schweiß von der Stirnglatze. »Da hätten sie bei uns lange suchen können.«

      »Wann legen wir ab?« erkundigte sich Steve Mulligan, das Thema wechselnd.

      »In ’ner halben Stunde fahren wir in den Kanal ein«, sagte Kapitän Limon. »Bereiten Sie alles für das Ablegen vor, Mulligan. Und sehen Sie sich die Maschine noch mal an... Die hörte sich nicht besonders lupenrein an!«

      »Ich werd’ mich sofort drum kümmern«, erwiderte der 1. Offizier. »Ich geh’ noch mal runter zum Chief. Vielleicht weiß der inzwischen mehr!«

      Steve Mulligan nickte seinem Kapitän kurz zu und verließ die Brücke. Kapitän Limon bemühte ein drittes Mal sein riesiges Taschentuch und wischte sich damit die neugebildeten Schweißperlen ab. Aus zusammengekniffenen Augen sah er dann zum Kai hinüber, auf dem Sergeant Wallby und seine beiden Begleiter zu erkennen waren. Sie stiegen gerade in einen Jeep, der kurz darauf schnell davonfuhr. Der Jeep verschwand hinter Lagerschuppen und abgestellten Lastwagen.

      Kapitän Limon wollte sich gerade ab wenden, als seine Augen von einem Lichtblitz getroffen wurden.

      Die Mittagssonne schien sich in irgendeinem polierten Gegenstand gespiegelt zu haben.

      Kapitän Limon beschattete mit der flachen Hand seine Augen. Dann sah er zu einem der wellblechgedeckten Lagerschuppen hinüber. Er machte einen amerikanischen Wagen aus, neben dem ein schlanker Mann stand.

      Dieser Mann nahm gerade ein Fernglas von den Augen herunter und ging um den Wagen herum. Er setzte sich ans Steuer und fuhr augenblicklich davon. Die Entfernung war zu weit, um sich das Kennzeichnen des Wagens merken zu können.

      Kapitän Limon fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in seiner Haut. Trotz der sengenden Hitze schien er zu frösteln. Mit schnellen Schritten verschwand er in seiner Kapitänskajüte. Auf seiner hohen Stirn hatten sich tief eingeschnittene, steile Falten gebildet...

      *

      Der seltsame Hotelgast schien sich aus einem verstaubten Plüschmuseum hierher in die weiträumige Halle verirrt zu haben. Stocksteif, als habe er einen Besenstiel verschluckt, saß er auf der Kante des tiefen und bequemen Sessels und ignorierte die Einladung der schwellenden Polster.

      Er mißachtete auch die teils neugierigen, teil amüsanten Blicke, die seiner Erscheinung galten. Dieser seltsame Hotelgast trug einen tiefschwarzen Zweireiher, unter dem eine ebenfalls tiefschwarze Weste zu sehen war.

      Der seltsame Hotelgast hatte seine schwarze, steife Melone auf dem zentimeterdicken Teppich abgestellt. Seine Hände, die in schwarzen Zwirnhandschuhen staken, lagen gekreuzt über dem Bambusgriff eines altväterlich wirkenden schwarzen Regenschirms.

      Eingeweihte Gangster, Gauner und Ganoven hätten diesen so korrekt dasitzenden Mann sofort als Butler Josuah Parker identifizieren können, doch Chikago, die Heimatstadt des Butlers, war weit, sehr weit. Josuah Parker wartete hier in der Halle des exklusiven »Globe-Hotel« von Panama-City auf seinen jungen Herrn.

      Parker war schlank, ohne aber mager zu wirken. Er war etwas über mittelgroß und hatte ein Gesicht, an dem sein Alter sich auf keinen Fall ablesen ließ. Er konnte sowohl vierzig als auch fünfzig Jahre alt sein. Sein undurchdringliches Pokergesicht mit den grauen Augen wirkte glatt und war tief ausrasiert. Obwohl trotz der Klimaanlage des Hotels die Halle recht gut temperiert war, wirkte der Butler kühl wie ein Eisberg. Ja, er schien sogar eine gewisse Kälte zu verströmen.

      Butler Parker sah durch die vielen ferienfrohen Hotelgäste hindurch, die die Lounge des Hotels bevölkerten. Mit gemessenen, abgezirkelten Bewegungen knöpfte er seinen tiefschwarzen Zweireiher auf und faßte nach der Uhr, die sich in einer der vielen Westentaschen befand.

      Es war eine Uhr, die in Form und Größe an eine besonders wohlgewachsene Zwiebel erinnerte. Sie hing an einer Uhrkette, deren Glieder glatt ausgereicht hätten, ein mittelgroßes Schiff zu verankern. Es tickte sehr laut, als Parker den Sprungdeckel dieser Uhr aufspringen ließ.

      Parker stellte fest, daß er noch zehn Minuten zu warten hatte, bis sein junger Herr hier in der Hotelhalle erschien. Anwalt Mike Rander hatte ihn durch ein Blitztelegramm nach Panama-City beordert. Josuah Parker war dieser Einladung mehr als gern gefolgt, denn er witterte hier in den tropischen Breiten ein neues Abenteuer. Weshalb Mike Rander ihn brauchte, war aus dem bewußten Blitztelegramm nicht hervorgegangen, doch das spielte im Moment ja keine Rolle.

      Als Parker die zwiebelförmige Uhr zurück in die Westentasche steckte, erschien vor seinem Sessel ein junger Mann, der einen fast weißen Tropenanzug trug. Er gab sich selbstsicher und überlegen.


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