Dresden und die Sächsische Schweiz. Sophus Ruge
hercynischen Richtung und ähnelt dem ganzen Gebirgssystem um so mehr und gewährt in seinen horizontalen Umrissen insofern ein kleines, aber getreues Abbild des großen Ganzen, als sich der Keil nach Nordwesten verjüngt, und die östlichen und westlichen Grenzen, die durch den Fuß der Lausitz und des Erzgebirges gegeben sind, am nördlichen Abschluß des Talbeckens sich bereits bis auf 6 km einander nähern, während die Breite des Sandsteingebiets im Süden der Sächsischen Schweiz vielleicht 36 km betragen mag.
Das Gebiet zerfällt nach seiner jetzigen Gestaltung in das Talbecken von Dresden und in die Sächsische Schweiz, die wir nun eingehend betrachten wollen.
Abb. 4. Groß-Sedlitz bei Pirna. Schloßgarten. Nach einer Aufnahme von Paul Heine in Dresden. (Zu Seite 7.)
II.
Das Talbecken von Dresden.
Das Talbecken von Dresden.
Das Talbecken von Dresden erstreckt sich auf beiden Seiten der Elbe von Pirna bis Meißen. Der Elblauf selbst hat in diesem Gelände eine Länge von 43 km, doch zieht der Strom nicht, wie in der viel größeren oberrheinischen Ebene, seine Stromrinne durch die Mitte des Talbodens, sondern bespült oberhalb Dresdens von Pillnitz bis Loschwitz den Steilrand des Lausitzer Granits, unterhalb Dresdens von Niederwartha bis Meißen den Fuß der Vorhöhen des Erzgebirges. Dadurch gewinnen die Tallandschaften und Stromansichten an malerischem Reiz und erhöhen die Schönheit der beständig wechselnden Szenerie. Die Höhen auf beiden Seiten des Talkessels, dessen Entstehung bis in die Tertiärzeit zurückreicht, überragen den Talboden um 100–150 m, zeigen aber einen durchaus verschiedenen landschaftlichen Charakter.
Da die Talebene sich nach Nordwest erstreckt, so kann man die Abhänge des Erzgebirges als die Schattenseite, den steileren Abfall des Lausitzer Granitplateaus als die Sonnenseite bezeichnen. Die ganze östliche Tallandschaft, vom Stromufer an bis auf die Höhen des Lausitzer Granits, ist vorherrschend von Talsanden und Heidesand bedeckt, welche sich für die Sonneneinstrahlung weit empfänglicher zeigen als der Lehmboden der linken Talseite. Daher gedeiht dort an den Gehängen der Wein und feineres Obst und zwar auf der ganzen Strecke von Pillnitz bis Meißen und hat dadurch auch frühzeitig die Anlage von einzelnen Weinbergsgütern, Villen und Landhäusern aller Art hervorgerufen (Abb. 3); während auf dem linken Ufer nur ausnahmsweise, an der Nordseite der ausmündenden Seitentäler, die vom Sonnenstrahl kräftig getroffen werden, Weinberge und -gärten angelegt werden konnten. Dagegen sind in dem flacheren Gelände auf dem rechten Elbufer oberhalb Dresdens nur im Tal, im Pillnitzer Tännicht, aber unterhalb Dresdens auch auf den Höhen weithin die unfruchtbaren Sandflächen mit Nadelholz, meist Kiefern, bestanden; links der Elbe ist dagegen das steilere Gehänge zum Strom und an den zahlreichen Nebenflüssen auf Lehmboden vorherrschend mit Laubwald bedeckt.
Abb. 5. Die Begerburg im Plauischen Grunde. (Zu Seite 9.)
Gegen Süden endigt der Talkessel an den niedrigen Quadersandsteinmauern bei Pirna, wo die Elbe aus dem engen Felsental in die offene Elbaue eintritt. Im Norden bildet die aus Pläner bestehende Landschwelle, die von Meißen über Bohnitzsch und Gröbern nach Oberau zieht, den natürlichen Talabschluß, der von dem Eisenbahntunnel auf der Linie von Dresden nach Leipzig durchbrochen wird, während die Elbe unterhalb Meißen noch weithin bis nach Riesa sich durch den harten Granitboden ein enges Erosionstal geschaffen hat.
So ist also der Talkessel auf allen Seiten von Höhen begrenzt, ist ähnlich wie die oberrheinische Ebene während der Diluvialzeit durch Einbruch entstanden und bildet bei seiner niedrigen Lage, da der Elbspiegel in Dresden nur 105,5 m über der Ostsee liegt, den wärmsten Teil Sachsens. Es wird schon allein hieraus erklärlich, daß gerade dieser Landstrich zuerst Spuren menschlicher Besiedelung aufweist.
Aber nicht bloß das äußere Ansehen der Landschaften verdient Beachtung, sondern auch der wechselvolle Boden und seine Bodendecke, denn sie gerade wirken darauf bestimmend ein, daß die Umgebungen von Dresden durch ihren Wechsel so reizvoll werden und sich von jeder Höhe, sei es am rechten oder linken Elbufer, immer neue, unerwartete Landschaftsbilder dem entzückten Auge darbieten. Dieser Reichtum an prächtigen Spaziergängen und kürzeren Ausflügen wird von den Bewohnern Dresdens selbst noch viel zu wenig gewürdigt, und doch hat M. Christian Weiß schon vor länger als hundert Jahren auf diesen Reichtum an verschiedenen Landschaftsformen hingewiesen. „Man mag Gegenden benennen oder charakterisieren wie man will, so wird man gewiß jede Art derselben im Umkreise von zwei bis drei Stunden um Dresden finden.“ (I, 4.)
Die Westseite des Elbtales.
Wir betrachten zuerst die linke Talseite.
Von Pirna an elbabwärts streicht die Vorstufe des Erzgebirges, das Elbtalgebirge, ebenso wie auch das Lausitzer Tafelland in nordwestlicher Richtung, aber nicht wie das Erzgebirge nach Nordosten. Weil nicht mehr vorherrschend aus den für das Erzgebirge charakteristischen Gneisen, sondern aus jüngeren Schiefern bestehend, ist der den Elbstrom bis über Dresden hinaus begleitende vordere Höhenzug als Elbtalgebirge bezeichnet. Für unsere Zwecke reicht es aus, diese 6–8 km breite Abdachung des Erzgebirges als ein von der Hauptmasse in seinen Bestandteilen abweichendes Berggelände zu bezeichnen. Wo das Gebirge mit steiler Böschung ziemlich nahe an den Elbstrom herantritt, liegen auf der Höhe die Dörfer Klein- und Groß-Sedlitz; jenes hart an den Höhenrand vorgeschoben, so daß man von den vorderen Landhäusern eine entzückende Aussicht ins Elbtal hat, dieses etwas zurückgelegen und sich an eine Bodenfalte anlehnend, die, sich nach Osten zum Elbtal senkend, sehr geschickt zur Anlegung eines ausgedehnten parkartigen Gartens im französischen Stil benutzt worden ist (Abb. 4). Jetzt ziemlich einsam oder „kaum gegrüßt, gemieden“, waren Schloß und Garten mit seinen verschnittenen Hecken und zugestutzten Baumwipfeln, mit seinen jetzt trockenen Wasserkünsten und seinen meist kunstlosen Statuen, unter denen die allegorischen Darstellungen der vier Erdteile vielleicht am merkwürdigsten sind, vor 200 Jahren der Lieblingsaufenthalt Augusts des Starken und der Schauplatz vieler Hoffeste.
Abb. 6. Schloß Scharfenberg bei Meißen. Nach einer Aufnahme von Paul Heine in Dresden. (Zu Seite 10.)
Abb. 7. Dohna. Nach einer Aufnahme von Paul Heine in Dresden. (Zu Seite 10.)
Höhen und Aussichtspunkte.
Das älteste Gestein des Elbtalgebirges besteht aus Schiefern der silurischen Formation. Jünger ist der Zug von Grauwacke, der sich vorherrschend zwischen der Gottleuba und dem Lockwitzbach ausbreitet, aber vielfach mit Rotliegendem und selbst gneisartigen Gesteinen abwechselt. Ein Felsrücken, der sich quer über die alte Straße hinzieht, die von Dohna südwärts übers Erzgebirge nach Teplitz führt, und der sich unter dem Namen Ziegenrücken südlich von dem altberühmten Gasthof „Zur kalten Ruhe“ bis zu 274 m Höhe erhebt, besteht aus Quarzit. Von seiner Höhe, die durch einen Denkstein bezeichnet ist, genießt man eine herrliche Aussicht ins Elbgelände hinunter und gegen die Sächsische Schweiz. Etwas höher ragt nordwestlich davon bei Burkhardtswalde der Kanitzberg