Dresden und die Sächsische Schweiz. Sophus Ruge
enge Erosionstäler in den harten Boden eingegraben, an denen vielfach Felsenhöhen zu Tage treten. Dahin gehört das romantische Müglitztal, dessen Ausgang zum Talkessel der Elbe die alte Feste von Dohna (Abb. 7) bewachte, während zu gleicher Zeit in längst vergangenen Tagen von hier aus der einzige gangbare Verkehrsweg über das Gebirge, aber nicht durchs Müglitztal, wie man wohl gemeint hat, nach Böhmen führte. Den Glanzpunkt des Müglitztales bildet das malerische Felsenschloß Weesenstein (Abb. 8 u. 9), das sich auf und an einem frei aus dem Tale aufsteigenden und vom Bache umflossenen Felsen erhebt und von einem hochragenden Turm beherrscht wird. Die Verteilung der Wohn- und Wirtschaftsräume des der königlichen Familie gehörigen Schlosses, das in die Felsmasse eindringt und an derselben klebt, ist sehr merkwürdig; es wird daher viel von Fremden besucht, um so mehr, als ein herrlicher Park von hohen Laubbäumen den Felsenbau im Tale umgibt und das Tal selbst ober- und unterhalb reich an prächtigen, schattigen Spazierwegen ist.
Auf das Müglitztal folgt dann das liebliche Tal des Lockwitzbaches, dessen anmutigster Teil bei dem ehemals viel mehr besuchten, in neuerer Zeit vernachlässigten Bade Kreischa liegt. Soweit der Pläner reicht, haben die kleineren Zuflüsse der Elbe nur wenig eingeschnittene Täler mit sanfterem Gehänge, so daß mehrfach das Ackerland sich bis auf den Talboden hinunterzieht. Eine Ausnahme bildet nur das untere Tal des längsten Zuflusses von der linken Seite, der Weißeritz, das zwischen Potschappel und Plauen in Syenit eingeschnitten ist und in der Hauptrichtung von Westen nach Osten ziehend, als Plauischer Grund noch bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wegen seiner idyllischen und romantischen Szenerie nicht bloß von den Bewohnern der nahen Hauptstadt gern und oft besucht wurde, sondern auch, und damals wohl mit Recht, von allen Fremden, die durch die Kunstschätze Dresdens angelockt worden waren, aufgesucht wurde, schon weil man seine Schönheiten über alles pries, und selbst die grotesken Täler und wilden Gründe der damals erst bekannt werdenden Sächsischen Schweiz nicht daneben wollte gelten lassen. Seitdem aber die Eisenbahn nach Freiberg, Chemnitz und weiter hinaus nach Bayern den idyllischen Grund durchzieht, mancherlei Fabrikanlagen mit rauchenden Schloten die ehemals unter hohen Baumgruppen versteckten oder an rauschenden Wehren gelegenen einsamen Mühlen verdrängt haben und eine sehr belebte Landstraße im Grunde hin nach den Kohlengruben am Windberge und bei Zaukerode führt und die weitere Umgebung von Potschappel zu den dichtest bewohnten Gebieten von Sachsen gehört, ist der Reiz, den sonst die Einsamkeit des von Felsen umstarrten Grundes und die ländliche Ruhe gewährte, längst verwischt, so daß heutzutage der Grund von den Lustwandelnden eher gemieden als gesucht wird.
Die übrigen Täler bis nach Meißen sind bis zur Triebisch sämtlich nur kurz, sind tief in den Syenit eingeschnitten, mit buschigen und waldigen Gehängen, einsam, fast wegelos, ohne Ortschaften und werden nur gelegentlich von Freunden einer stillen Natur aufgesucht, die ganz abseits vom Weltgetriebe liegt. Anders und bedeutender ist das Triebischtal geartet, das aus dem Tharandter Walde, wo die Quellen liegen, nach Norden sich erstreckt und bei Meißen in die Elbe mündet. Der obere Teil gehört dem Porphyrgebiet, der mittlere der Grauwacke, der untere dem Syenit, Porphyr, Pechstein und Granit in raschem Wechsel an. Wechsel der Bodenarten bedingt auch einen Wechsel der landschaftlichen Ansichten. Und wenn auch das Triebischtal wie alle übrigen ein Erosionstal ist, das nur durch das unaufhörlich am Boden arbeitende Wasser entstanden ist, so bietet es doch in manchen Talweiten die Möglichkeit von Ansiedelungen, ist also belebter und ist dem Verkehr noch mehr durch die Anlegung der Eisenbahn von Meißen über Nossen nach Leipzig gewonnen. Doch darf man wohl kaum behaupten, daß im Mittelalter, als durch König Heinrich I. die Burg in Meißen (Abb. 10.) begründet wurde, das Triebischtal einen bequemen Zugang von Westen her zur Elbe gewährt habe; denn die leichteren und bequemeren Wege von Westen her nach Meißen liefen, wie auch heute noch, über die Höhen zur Stadt und zur Elbe.
Abb. 10. Die Albrechtsburg in Meißen. Nach einer Aufnahme von Römmler & Jonas in Dresden. (Zu Seite 12.)
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GRÖSSERES BILD
Obwohl nun diese westliche Seite des Elbtales mancherlei landschaftliche Schönheiten bietet, so ist sie doch von den Bestrebungen aller Großstädte, sich über das Weichbild der Stadt hinaus in Villenkolonien einen erfrischenden Landaufenthalt zu sichern, fast noch gar nicht berührt worden. Nur bescheidene Anfänge lassen sich unterhalb Dresdens am Fuß der waldigen Höhen erkennen, und nur ein Versuch, auch die Höhen mit ihren herrlichen Fernblicken zu besetzen, in der Nähe von Cossebaude zu verzeichnen. Ausgedehnte und vielbesuchte Sommerfrischorte finden sich nur auf den Höhen der Lausitzer Seite.
Abb. 11. Kötzschenbroda-Niederlößnitz. Nach einer Aufnahme von Carl Pittius in Kötzschenbroda. (Zu Seite 15.)
Die östliche Seite des Elbtales.
Unleugbar hat diese östliche Seite des Elbtales als die Sonnenseite ihre Vorzüge, sie ist wärmer, durch den Steilabfall des Hochlandes mehr gegen die rauhen Nordostwinde geschützt und übt ihre Anziehungskraft namentlich von Dresden an abwärts bis in die Nähe von Meißen durch die ausgedehnten Nadelwaldungen der Dresdener Heide und des Friedewaldes, die den ganzen Höhenrand in ununterbrochener Folge bedecken.
Der steile Abbruch des Lausitzer Hochlandes erstreckt sich über die ganze Länge des Talkessels von Oberau und Weinböhla an über Pillnitz bis nach Bonnewitz und erscheint von der Elbtalaue aus als ein Gebirgszug mit ziemlich gleichmäßigen Höhen. Es ist ein Teil der großen Verwerfungslinie, die sich auch noch weiter nach Südosten über Hohnstein nach Hinterhermsdorf an der Ostgrenze des Sandsteingebiets der Sächsischen Schweiz in ihren Wirkungen bemerklich macht. Die Hauptrichtung dieser Bruchlinie verläuft wie der Elblauf von Südost nach Nordwest; nur zweimal ist auf kurze Strecke eine Abweichung von dieser Richtung erfolgt und zwar sowohl oberhalb als unterhalb Dresdens in der Richtung von Ost nach West, das einemal östlich von Pillnitz, das anderemal östlich von Kötzschenbroda; und in beiden Fällen folgt südlich von diesen Abweichungen der Elblauf und schlägt ebenfalls eine veränderte Richtung ein.
Der Abfall des Lausitzer Hochlandes.
Auf der Südwestseite dieser großen Lausitzer Verwerfung ist nun der Gebirgsteil abgesunken und hat einerseits den Talkessel der Elbe veranlaßt, andererseits aber, auch infolge von Einsenkung, das Sandsteingebirge erhalten, während die Ablagerungen des Kreidemeeres, dem die Sächsische Schweiz ihre Entstehung verdankt, sowohl auf den Hochflächen des Lausitzer Gebiets, als auch auf den Vorstufen des Erzgebirges, über die sich das Kreidemeer ausdehnte, durch Verwitterung und Abtragung bis auf wenige Reste verschwunden sind.
Aber an der großen Lausitzer Bruchlinie ist nicht bloß ein Absinken erfolgt, sondern der Lausitzer Granit hat sich zum Teil schräg aufwärts über die jüngeren Schichten von Pläner und Sandstein hinübergeschoben und dadurch an den Berührungsflächen merkwürdige geologische Erscheinungen hervorgerufen. Auf diese Überschiebung des Granits ist man seit 1826 aufmerksam geworden und hat an vielen Stellen in der Nähe der Verwerfungslinie dafür unzweideutig Belege gesammelt. Bei Oberau, unfern des Tunnels der Leipzig-Dresdener Eisenbahn liegt Granit, bei Weinböhla Syenit auf dem Pläner. Hier sind die Gesteine des Lausitzer Hochlandes über die übergekippten Plänerschichten hinaufgeschoben. Ausgezeichnete Reibungs- und Rutschflächen mit starken Zerklüftungen zeigt der Syenit in einem Steinbruch unterhalb der Friedensburg bei Kötzschenbroda (Abb. 11). Am Fuße der Syenitberge beim „Letzten Heller“ sind (nach Gutbier) die Schichten des unteren Pläners unter steilem Winkel aufgerichtet und stark zerklüftet. Andere ähnliche Erscheinungen