Dresden und die Sächsische Schweiz. Sophus Ruge
Einwanderung scheint von Böhmen her ebenfalls das Elbtal von Pirna bis Riesa besetzt zu haben. Dann folgt die Bronzezeit. Gräberfelder aus diesem Zeitalter sind zahlreich über den ganzen Norden von Sachsen, über die Ebene und das Hügelland verbreitet. Die Bevölkerung erscheint bereits seßhaft zu sein; aber es haben sich doch aus dieser Zeit nur wenige Ansiedelungen nachweisen lassen, so bei Dresden[1] und überraschenderweise auf dem Pfaffenstein in der Sächsischen Schweiz. Die Herdstellen unterscheiden sich in der äußeren Form noch nicht von denen der Steinzeit. Und wenn nun gar in der Nähe von Dresden an hundert Feuerstätten nahe beieinander aufgedeckt sind, dann kann eine solche Ansiedelung schon als Dorf bezeichnet werden. Auch Eisen ist neben der Bronze bei diesen Urbewohnern gefunden. Daß die Römerzeit für Sachsen spurlos vorübergegangen ist, erklärt sich aus seiner Lage, die sich eben so fern von der Westgrenze Germaniens am Rhein, als von der Südgrenze an der Donau befand. Auch scheinen die Handelswege, die von der Donau her die Bernsteinküsten an der Ostsee aufsuchten, unser Land, das im Rücken des unwegsamen Erzgebirges lag, nicht berührt zu haben. Daher sind in Sachsen bis jetzt noch keine Funde von römischen Münzen gemacht, die auf einen solchen Verkehr hinweisen könnten. Und wenn römische Geschichtsschreiber doch eine allgemeine Kenntnis von den geographischen Verhältnissen Sachsens scheinen gehabt zu haben, insofern sie von der Elbquelle und dem Oberlaufe des Stromes Mitteilungen machen, so liegt doch die Vermutung nahe, die Römer hätten die Saale für den oberen Elblauf gehalten und danach ihre Beschreibung verfaßt. Wir wissen aus dieser Zeit nur, daß die deutschen Stämme der Hermunduren und Semnonen im Lande wohnten und zwar so, daß die Elbe etwa die beiden Volksstämme voneinander schied. Doch wird ein großer Teil dieser Bewohner in der Zeit der Völkerwanderung das Land wieder verlassen haben.
Abb. 19. Partie aus Brießnitz. Nach dem Stich von Peschek. (Zu Seite 26.)
Die Wenden.
Im sechsten Jahrhundert erschienen dann, wahrscheinlich im Gefolge der Awaren, die Slaven, Wenden, die sich in kleinen Dörfern, sogenannten Rundlingen, oder auch in Straßendörfern ansiedelten. Die erste Form der Ortschaften zeigt uns die Häuser in Kreisform geordnet, mit den Giebeln nach dem inneren Dorfplatz gekehrt, der, da nur ein Weg von außen hineinführt, wohl geeignet ist, das Vieh der Gemeinde für die Nacht in sicheren Schutz zu nehmen. Man hat aus dieser Dorfanlage mit Recht geschlossen, daß die Bewohner vor allem Viehzucht getrieben haben. Die zweite Form der Dörfer stellt die Häuser in zwei parallele Reihen, zwischen denen die Straße entlang geht; daher der Name Straßendorf. — Die Wenden erscheinen uns aber keineswegs als Träger einer höheren Kultur, wie eine voreingenommene Geschichtsschreibung sie bezeichnet hat. Sie besaßen noch wenig Metalle, brauchten mehr Werkzeuge von Knochen, Horn und Holz. Nur in der Töpferei zeigt sich ein wesentlicher Fortschritt durch die allgemeine Anwendung der Drehscheibe.
Der Burgwall in Koschütz über dem Plauischen Grunde ist als zu einer slavischen Ansiedelung gehörig erkannt worden. Im allgemeinen nahmen die Wenden dieselben Gebiete in Sachsen ein wie vor ihnen die Germanen, das heißt, sie besetzten nur das Flachland und die offenen Flußtäler, ließen aber das höhere Bergland mit seinem schwereren Boden meist unaufgebrochen. Am meisten nach Süden drangen sie im Elbtale vor, aber auch hier nur bis nach Pirna. Es waren also immer wieder nur die schon in der Steinzeit besiedelten Gegenden, die von den neuen Ankömmlingen besetzt wurden. Die ersten Spuren eines in weitere Ferne gehenden Handels und Verkehrs sind in den Funden arabischer Münzen des zehnten Jahrhunderts aus den innerasiatischen Münzstätten von Bochara und Samarkand zu erblicken. Aber solche Funde sind nur in der Lausitz gemacht; indes wissen wir doch, daß arabische Kaufleute um dieselbe Zeit Deutschland durchzogen haben und elbaufwärts auch in Böhmen eingedrungen sind.
Von den Wenden ist auch Dresden gegründet; und da die Slaven von Osten her kamen, lag ihre älteste Ansiedelung Dresden auf dem rechten Elbufer, in der heutigen Neustadt. In der alten Gestalt des Neustädter Marktes nahe der Augustusbrücke will man noch den Rundling der ältesten Dorfanlage erkennen. Von hier sind die neuen Ansiedler dann auf das gegenüberliegende Ufer, die Altstädter Seite, hinübergegangen, haben aber hier sich nur als Fischer ansässig gemacht, legten daher nicht ein Dorf nach der Gestalt des Rundlings an, sondern wohnten in einer Reihe von Häusern am Flußufer, „an der Elbe“, der heutigen Terrasse und in der Fischergasse.
Der Ackerbau der Slaven war (nach O. Schulze) eine Art wilder Feldgraswirtschaft, womit eine halbnomadische Weidewirtschaft verbunden war. Der hölzerne Hakenpflug vermochte nur den leichten Alluvialboden oder den Heidesand umzubrechen. Nach wenigen Ernten wurde das Feld wieder verlassen. Wo sich Rundlinge erhalten haben, überwog jedenfalls die Viehzucht. Erst als die Deutschen mit dem Eisenpfluge erschienen, konnte auch der schwerere Löß- und Lehmboden des Berglandes urbar gemacht werden. Daher finden wir auch jetzt noch in den Tälern und im Flachlande slavische Ortsnamen, im Hoch- und Berglande dagegen deutsche.
Aber es wäre irrig, aus der Verbreitung slavischer Ortsnamen immer bestimmt auf altslavischen Anbau schließen zu können. Die slavische Benennung im allgemeinen ist nach Schulzes Ansicht gar kein Beweis dafür, daß wir es mit einem ursprünglich von Sorben oder Wenden angelegten Ort zu tun haben. Die leidige Vorliebe der Deutschen für alles Fremdländische war anscheinend schon den Kolonisten des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts eigen. Nicht nur behielten sie den wendischen Namen der Ortschaften, aus denen die sorbischen Bewohner vor ihnen wichen, sondern auch von ihnen selbst gegründeten neuen Siedelungen gaben sie oft genug der fremden Sprache entlehnte Namen. So 928 Misni (Meißen), ferner Albertitz, Berntitz, Rampoltitz oder Rampitz auf dem Boden von Altstadt Dresden. Der Name der Rampischen Straße erinnert noch an den Ortsnamen. Conradesdorf ist um 1190 von einem deutschen Ritter angelegt und erscheint schon um 1206 als Conratiz.
Es muß daher auffallen, wenn wir unter den zahlreichen Ortschaften im Dresdener Talkessel nur drei deutsche Ortsnamen: Niederau, Zaschendorf und Naundorf finden, von denen Naundorf urkundlich am frühesten, schon im zehnten Jahrhundert genannt wird und sicher damals ein neues Dorf, eine neue Dorfanlage war, wie der Name aussagt. Aber nach Schulzes Forschungen sind viele Dörfer mit slavischem Namen auch in der Ebene erst zur Zeit der deutschen Herrschaft nachweisbar und von deutschen Herren angelegt. Nur die Ortsnamen mit patronymer Bildung, in denen also ein Personenname steckt, sind entschieden slavischer Gründung und geben über die ältesten sorbischen Anlagen Auskunft. Aber ihre Erklärung ist deshalb oft schwierig, weil ein Name mehrere Deutungen zuläßt.
Abb. 20. Meißen. Nach einer Aufnahme von Römmler & Jonas in Dresden. (Zu Seite 31.)
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GRÖSSERES BILD
Abb. 21. Der Dom und die Albrechtsburg in Meißen. Nach einer Aufnahme von Römmler & Jonas in Dresden. (Zu Seite 32.)
Dazu kommt ferner noch die eigentümliche Erscheinung, daß die deutschen Rittergeschlechter fast durchweg die Namen der Sorbenorte annahmen, in denen sie saßen, als mit dem Ende des zwölften Jahrhunderts die Familiennamen aufkamen. Dahin gehören die Namen Carlowitz, Könneritz, Minckwitz, Nostitz, Planitz, Seydlitz, Seydewitz, Wallwitz und Zezschwitz.
Die Deutschen.
Die Deutschen kamen erst im zehnten Jahrhundert wieder an die Elbe, um ihren herrschenden Einfluß bis zu dem Strome auszudehnen. Als Heinrich I. 928 den Grund zur Burg Meißen legte, handelte es sich noch nicht um die Ausdehnung des Reiches bis dahin, sondern nur darum, die Slaven tributpflichtig zu machen. Das sollte dadurch erreicht werden, daß am hohen Rande des westlichen Elbufers an geeigneten Plätzen