Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto

Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte - Louise Otto


Скачать книгу
mir die Sache unendlich märchenhaft und großartig; gerade um mir diesen Jugendeindruck nicht zu verderben, bin ich später nicht hineingegangen, so oft ich auch in der Gegend war – es möchte mir doch nun vielleicht Alles klein und kleinlich vorkommen!

      Aber mit welcher Ehrfurcht, welchem Triumph, welcher Seligkeit durchflammte es mich, als ich nun die Wartburg erblickte, als ich zu ihr hinaufwanderte! Da freilich nicht allein – es war die halbe táble d'hôte aus dem »Rautenkranz«, die sich da gemeinsam auf den Weg machte. – Damals war die Burg noch nicht »restaurivt«, sie trug noch ihr altes rundes Dach, man begann eben erst den großen Rittersaal freizulegen, den eine geschmacklose Zeit ganz vermauert. Das Lutherzimmer war in seiner alten Einfachheit, die weißgetünchte Wand mit dem Tintenklex, die alten Geräthe, der Leviathan zu Füßen – es heimelte dies Alles gar traulich an, ganz anders als heut. Heut ist aufgeputzte Reliquie, was damals ursprüngliches Heiligthum. Noch gab es keine Gemälde an den Wänden, die Geschichte der Wartburg verherrlichend – aber vor mir stand sie lebendig. Es war ein Gewitter im Anzug – die Gesellschaft, die gemeinsam herumgeführt worden, trieb zur Eile, um vor dem Gewitter unten zu sein – aber für mich konnte es nichts Erwünschteres geben, als hier ein Gewitter abzuwarten – ich blieb im Zimmer des Castellans, an jenem Fenster, daran man heute noch in der altdeutschen Restauration so gern weilt und hinabschaut in das unendliche Grün. Da hab ich die Wartburg besungen, wie schon erwähnt, und ich lasse Einzelnes des größeren Gedichts aus eben jener Sammlung hier folgen, weil es die Zeit und meine Jugend charakterisirt, und weil ich mich darauf berufen darf, daß ich niemals den Idealen meiner Jugend untreu geworden! Das Motto dazu ergab sich dort auch:

      »Hier, diesen Harnisch hat ein Weib getragen«,

       Sprach in der Burg der alte Castellan.

       Wohl gilt's jetzt nicht, das Herz in Erz zu schlagen,

       Daß nicht ermordend ihm die Feinde nahn!

       Mein weiblich Herz wollt ihr mit Gift verwunden –

       Wohl bitter hat es euer Thun empfunden!

       Doch mag es nimmer andern Schirm und Schild,

       Als die Begeistrung, die vom Herzen quillt.

       Hoch am Himmel stand die Sonne,

       Gleich einem Engel mit goldenen Flügeln

       Ausgesendet vom Thron des Höchsten,

       Zu segnen die Erde mit Glanz und Wärme.

       Und der Engel breitete

       Die strahlenden Arme weit aus –

       Und es war als zög er die aufathmende Erde

       Näher dem Himmel, näher der Gottheit.

       Goldene Strahlenringe zog der Engel von seinen Fingern,

       Vertheilte sie dahin und dorthin;

       Und die Ringe wurden zu Heiligenscheinen,

       Zu Himmelsglorien auf den Gipfeln der Berge,

       Dahin sie der Engel geworfen.

       Und solch eine Himmelsglorie,

       Solch ein Heiligenschein krönte noch einmal

       Die Krone der Burgen des Thüringer Waldes:

       Die uralte Wartburg. Ich stand und schaute. So lang ich daheim verweilt Ein spielendes Kind, eine sinnende Jungfrau An den Ufern der Elbe, wo uralte Burgen Verwitterte Klöster unheimlich mahnen An des Mittelalters eiserne Gestalt: An den Ufern der Elbe, wo grünende Reben Mit reifenden Trauben verheißend mahnen An der neuen Zeiten gährende Gewalt: So lang ich daheim verweilt an den Ufern der Elbe Den reben- und burgbegränzten, so lang auch weilte Die Sehnsucht in meiner Brust nach der Krone der Burgen Des Thüringer Waldes: der uralten Wartburg. Nun stand sie in Himmelsglorie mit dem Heiligenschein Vor den trunkenen Blicken. Meine Hände waren gefalten, Thränen mir aus den Augen wallten, Im Herzen wallte ein Hochgefühl: Ich war am Ziel.

      Es folgen nun vier längere Abschnitte, deren Hauptinhalt der Schlußgesang kurz zusammenfaßt:

      Sinnend trat ich hinaus

       In den mauerumgebenen Schloßhof,

       Wo junge Gräser sprossten, Kinder der neuen Zeit, Die nichts gesehen von der vergangenen Tage Herrlichkeit, Von der vergangenen Tage Leid. Hinter den wallenden Wolken Schaute noch einmal ruhig strahlend hervor Die unvergängliche Klarheit der Sonne, Und beleuchtete zu meinen Füßen, Ein Werk der spielenden Natur, Im dreigeblätterten Klee – ein Vierblatt. Ich pflückte es als Angedenken – als vierfaches, An diese Burg, die erinnerungsreiche Und that dabei einen Schwur, einen vierfachen: Elisabeth, die Heilige, Sei mir ein Vorbild in stiller Demuth In allumfassender Menschenliebe Der Armen mich zu erbarmen. Und in dem Sängerkrieg, dem neuen, heiligen Will ich stehen und fechten, bis mit dem letzten Lied Der letzte Odemzug der Brust entwallt! Und protestiren will ich nach Luthers Wort, Und für den freien Glauben Mit freier Rede in die Schranken treten! – Und fest verbrüdert mit der deutschen Jugend Weih' ich dem Vaterlande all' mein Streben. So steh ich ernst und frei vor allem Volk. Und wollt Ihr nun mich höhnen und verdammen, Weil nur die schwache Jungfrau zu Euch spricht: Nicht löschen könnt Ihr der Begeistrung Flammen, Könnt sie nur schmähen, aber dämpfen nicht! Und wenn mein Herz von Euch verstoßen, bricht, So bricht's mit Luthers Worten doch zusammen: »Gott helfe mir! – doch anders konnt ich nicht!« –

      Von Eisenach bis Kassel mit der Eilpost war damals eine lange Tour – eine Nachtfahrt. Da ich das Unglück hatte, wieder einen artigen alten Herrn darin zum Nachbar zu haben und Aussicht, die letzte Station mit ihm allein zu fahren, indeß vorher noch mehrere Passagiere darin saßen, so ersuchte ich den Schaffner, mich zu sich in's Cabriolett zu nehmen »um dort den Sternenschein besser genießen zu können!« Freilich ward mir da wenig Schutz vor der Nachtluft, aber doch Schutz vor männlichen Flegeleien der widerwärtigsten Art. Mit Tagesgrauen erreichte ich Kassel. Da es am Mittwoch war, so sprangen die Wasser in Wilhelmshöh und da mich an der table d'hôte eine englische Familie, zwei Damen und ein Herr fragten, ob ich in ihrem Wagen dahin die vierte Person abgeben wolle? war mir dies gerade recht. Allein sie machten dann die Sache in englischer Manier ab, fuhren nur zu den Wasserkünsten »um sie gesehen zu haben« und ließen das ganze schöne Wilhelmshöh mit all den herrlichen Parkanlagen im Habichtwald unberücksichtigt. Da beschloß ich denn, noch einen Tag in Kassel zu bleiben und die Partie nochmals, aber zu Fuß zu machen. So geschah es denn; es war ein wundervoller Sommertag für meine Wanderung auf einer vielbesuchten Chaussee. In der Restauration ließ ich mir dann den Weg zur Löwenburg beschreiben und von da zum Herkules dem großen Christoph. Allein der Pfad, der Wald, die Höhe – Alles nahm größere Dimensionen an, als ich erwartet – kein Lüftchen wehte, kein Vogel regte sich im Wald, nur da und dort huschte und guckte ein Eichhörnchen neugierig herab – keine Burg, kein Herkules, kein Mensch ließ sich sehen – doch ja, da stand einer – als wär's der große Christoph selbst, so riesenmäßig und wie jener die mächtige Keule, eine große Art auf der Schulter. Er grüßte und ich fragte, ob ich auf dem rechten Weg zur Löwenburg sei? Er sah mich verdutzt an: »Dahin gehen Sie so allein? – Es war immer dieselbe Frage! auch im Marienthal bei Eisenach hatten sie die Buschweiber gethan und als ich geantwortet: »Warum denn nicht? Ich denke es giebt in Thüringen nur lauter gute Menschen! da fürcht ich mich nicht!« hatten sie geantwortet: »Das schon, aber es ist doch plaisirlicher mit einer Mannsperson!« und da ich gesagt, daß ich das nicht fände, hatten sie mir ein schallendes Gelächter nachgesandt. Also überall derselbe Standpunkt. Jetzt war ich nun nicht mehr im gemüthlichen Thüringen, ich kam mir entsetzlich weit vom Hause vor und als der lebendig gewordene große Christoph weiter erklärte, ich fände mich nicht allein, er müsse mitgehen und mir den Weg zeigen, war ich doch im ersten Augenblick froh darüber und unüberlegt genug, als er mich weiter examnirte ihm wissen zu lassen, daß ich allein gereist und weil er an der Sprache hörte, daß ich keine Kattentochter mich als sächsisches Mädchen verrieth – da erschrak ich plötzlich vor dem Blick mit dem er die Ringe an meiner rechten Hand betrachtete, von der ich den Handschuh abgezogen, eine mir unbekannte Blume zu pflücken – da dachte ich plötzlich: wenn dich der Mann hier erschlägt und ausplündert, denn zerlumpt und grimmig sah er aus, so erfährt


Скачать книгу