Krimis & Erotische Erzählungen. Walter Serner

Krimis & Erotische Erzählungen - Walter Serner


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seinem Eintritt erhob sich Graf Okenpunkoll kurz und gemessen von seinem Schreibtisch, wies mit der Hand nervös auf ein Fauteuil und setzte sich schnell: »Sie wünschen, mein Herr?«

      »Eine längere theoretische Unterhaltung.«

      »Theoretisch? Ich bin pressiert. Worum handelt es sich kurz?«

      »Um eine Erkenntnis, die Gold wert ist.«

      »Die ich Ihnen vermutlich abkaufen soll.«

      »Um eine Million Francs.«

      Graf Okenpunkoll stutzte fast unmerklich, überlegte ein paar Sekunden und sagte hierauf sachlich: »Einverstanden.« Worauf er ein Scheckbuch, das der weidlich perplexierte Duchosal an der Farbe als vom Credit Lyonnais ausgestellt erkannte, aus der Tasche zog und vier Schecks ausfüllte. Währenddessen fragte er: »Wieviel ist Ihrer Meinung nach Ihre Erkenntnis tatsächlich wert?«

      »Un-schätz-bar!« Duchosai hatte sich bereits wieder gefaßt.

      »Voilà. Hier haben Sie viermal 250 000 Francs. Und nun beginnen Sie bitte!«

      Duchosal las die Schecks gewissenhaft, steckte sie behutsam ein und bat um Tee und Zigaretten.

      Der Graf klingelte.

      Duchosai rückte sein Fauteuil in den Schatten …

      Als er rauchte, begann er nachlässig: »Sie haben sicherlich schon einmal darüber nachgedacht, Herr Graf, wozu Sie eigentlich auf der Welt sind.«

      »Nein. Dazu fehlt mir das erforderliche Maß von Borniertheit.«

      » Vorzüglich. Sie wissen es also nicht.«

      »Wie sollte ich!«

      Duchosal rauchte schweigend.

      »Ich bin ganz Ohr,« sagte der Graf höflich.

      Duchosal begann abermals: »Sie kennen sich demnach nicht aus.«

      »Wie bitte?«

      »Ich meine: Sie besitzen nicht die schmächtigste Überzeugung?«

      »Nein. Überzeugungen sind gelungene Überredungen.«

      »Nicht die spärlichste Gesinnung?«

      »Gesinnungen sind durch Vorteile verhärtete Überzeugungen.«

      »Und nicht einen Hauch von Glauben?«

      »Ich bin weder ein Geschäftsmann noch ein Staatenlenker.«

      »Pardon …«

      Duchosal rauchte schweigend.

      »Ich muß Ihnen leider wiederholen, daß ich sehr pressiert bin. Wollen Sie sich bitte kurz fassen!« Der Graf spielte nervös mit einem beinernen Briefaufschlitzer.

      »Nun gut,« begann Duchosal wiederum. »Da somit das Netz von Normen, nach denen Sie Ihre Existenz nach außen und vielleicht auch nach innen hin führen, durchaus willkürlich ist, sind Sie mit vollem Bewußtsein – ein Hochstapler, ein Desperado.«

      »Zugegeben.«

      »Das ist jedoch bloß meine Prämisse.«

      »Bitte Ihren Schluß! Und bitte schnell!«

      »Mein Schluß ist … Und das ist es, was ich meine Erkenntnis heiße … Nun … der Mensch hat die Fähigkeit, welche er bisher freilich noch nicht in sich entdeckt hatte … die Fähigkeit … zu …« Duchosal erhob sich plötzlich feierlich.

      Auch Graf Okenpunkoll stand auf, doch ein wenig erregt.

      »Gestatten Sie, Herr Graf,« sagte Duchosal nun in gänzlich verändertem Ton, »daß ich, bevor ich Ihnen meine Erkenntnis ausliefere, dem Crédit Lyonnais telephoniere?«

      Der Graf erblaßte. »Sie wollen sich vergewissern, ob mein Guthaben …«

      »So ist es.«

      Der Graf setzte sich müde. »Ich bin seit gestern ohne jeden Sou … Mein ganzes Vermögen ist verloren.«

      Duchosal zuckte ein wenig zusammen. Dann aber sagte er überraschend ruhig: »Sie wollten mich also prellen. Ich wundere mich nur, daß mein Mißtrauen nicht früher einsetzte. Nun, ich habe nichts verloren als eine halbe Stunde und kann nicht umhin, Ihnen mein Kompliment zu machen. Sie haben wie ein perfekter Desperado gehandelt, wie der regulärste Hochstapler.«

      »Sie etwa nicht?« Der Graf begann zu lächeln. »Sie könnten mir, der ich Ihnen vielleicht schon morgen im Café Clarinette begegnen kann, wenigstens mitteilen, worin Ihr beabsichtigter Truc eigentlich bestand.«

      Duchosal wandte sich ein wenig ab, um sein allzu lebhaft werdendes Mienenspiel zu verbergen: er dachte bereits an etwas ganz Neues.

      »Herr Graf,« Duchosal setzte sich wieder, »ich bin angesichts der gänzlich veränderten Sachlage gerne dazu bereit; ja sogar, Ihnen in Ihrer schwierigen Situation behilflich zu sein … Nun, ich hatte den Plan, Sie zu narkotisieren, Ihr Scheckbuch zu nehmen und in Ihrem Namen dem Crédit Lyonnais telephonisch mitzuteilen, daß die Schecks, die in einer halben Stunde vorgewiesen würden, anstandslos zu honorieren seien. Der Umstand, daß Sie mir die verlangte Summe so ohne weiteres einhändigten, brachte mich ein wenig aus dem Konzept. Daher der Tee. Während ich mit Ihnen sprach, dachte ich unausgesetzt darüber nach, was für eine wertvolle Erkenntnis ich Ihnen servieren könnte, um in dem rechtmäßigen Besitz des Geldes zu bleiben. Eine Albernheit selbstverständlich. Vor allem in Anbetracht Ihrer – Intelligenz, Herr Graf. Ich machte daher den schüchternen Versuch, Sie durch die Unverfrorenheit meiner Fragen so zu verblüffen, daß Sie mir … Eine weitere, aber begreifliche Albernheit … die Million schenken würden. Aus Spleen etwa. Der Verdacht, Sie könnten zahlungsunfähig sein, kam mir sonderbarer Weise erst im letzten Augenblick. In jenem Augenblick, wo ich mich hätte découvrieren und Ihnen hätte sagen müssen, daß ich keine Erkenntnis, die Gold wert ist, besitze. Voilà.«

      »Ich danke Ihnen.« Graf Okenpunkoll lächelte matt. »Sie sagten, Sie wollten mir behilflich sein. Das ist unnötig. Ich wechsle den Kontinent.«

      »Um zu farmen?«

      »Ja. Etwas Ähnliches.«

      »Pfui!«

      Der Graf erhob sich.

      »Haben Sie Passiva, Herr Graf?«

      »Achthunderttausend.«

      »Kriminell?«

      »Nicht direkt …«

      »Also indirekt … Ich schlage Ihnen vor, mich ins Vertrauen zu ziehen. Ich könnte Ihnen vielleicht einen wertvollen Fingerzeig geben, einen ausgezeichneten Plan liefern oder …«

      Nach zwei Stunden verließ Duchosal sehr zufrieden das Hotel des Grafen Ramuz Okenpunkll und begab sich am Abend, bereits in des Grafen Angelegenheiten, nach London.

      Lola rangiert

       Inhaltsverzeichnis

      In einem Hotel, halb Wolkenkratzer halb Kutscherkneipe, schnellte Jeß gegen vier Uhr morgens aus holdestem Schlaf empor: es pochte gewaltig an seine Tür.

      Nachtdepesche.

      Jeß las wackelnd: ›Moses gebürstet morgen Stallung zehn Hausvogtei Mannie‹, zerknüllte den Wisch, schmiß ihn salbungsvoll an die Wand und hüpfte brummend ins Bett zurück: »Ausgerechnet schon um zehn. Blödsinn …«

      Er war aber doch pünktlich.

      Eine Viertelstunde später trat eine sehr grünliche Visage auf ihn zu, Mannie. »Mensch, wie siehste aus? … Na, is jut!«

      Jeß trug frische Wäsche, gebügelte Hosen, war sauber rasiert, parfümiert und hatte sein ganzes Ensemble durch leise arrangierte Nachlässigkeiten geradezu hofballreif komponiert.

      »Nun?« knödelte Jeß deutlichen


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