DSA 128: Der Pfad des Wolfes. Alex Spohr

DSA 128: Der Pfad des Wolfes - Alex Spohr


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sind stärker geworden in den letzten Wintern. Sie werden dich herausfordern, und du musst diese Herausforderung annehmen. Bestehe deine eigene Prüfung, dann werden wir uns wiedersehen – denn so, wie du mich brauchst, werde auch ich dich brauchen. Die Dunkelheit wird stärker werden. Niemand wird sie allein bezwingen können.«

      Druan spürte gegenüber dem Wolf eine Vertrautheit, die über die Bande der Familie, des Haerads oder seiner Freunde hinausging.

      Der Wolf schien Druans innere Ruhe zu bemerken. »Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns sehen. Nein, wir werden uns, so die Götter und das Schicksal keine anderen Pläne mit dir haben, noch oft sehen. In deinen Träumen werde ich dir folgen. Doch nun ist die Zeit gekommen, dass du meinen Hauch empfängst, meine Stärke, meine Weisheit.«

      Druan hatte noch viele Fragen, doch alles ging so schnell.

      Er spürte, wie sich neben ihm ein rötlicher Nebel bildete und ihn nach wenigen Augenblicken vollständig umgab. Als das rote Schimmern vollständig von ihm aufgesogen worden war, fühlte er sich erschöpft. Ihm war zumute, als habe er eine ganze Nacht lang gekämpft oder sei bis nach Amanma Rudh gerannt, ohne eine Pause einzulegen. Und zugleich fühlte er sich auch mit dem Großen Madadh verbunden, als könne er dessen Gefühle spüren, als seien sie beide eins. Dieses Gefühl war ungemein beruhigend für Druan, der letzte Rest von Angst vor seinem Odûn wich, und eine innere Ruhe breitete sich in ihm aus.

      »Höre mir nun genau zu. Von nun an, Druan, Sohn des Anargh, kannst du meine Kraft und Geschicklichkeit in dich rufen. Schnell wie ein Wolf wirst du sein, wenn du es willst, die Ausdauer eines Rudels wirst du haben. Und du kannst dich an deine Beute anschleichen, ohne dass sie dich hört. Ich werde weiter über dich wachen. Doch nun ist die Zeit gekommen, den Pfad des Wolfes wieder zu verlassen.«

      Gänzlich ergriffen und immer noch verwirrt, wollte Druan noch etwas fragen, doch da spürte er wieder den seltsamen Schmerz an seiner Schläfe. Die Trommelgeräusche waren zurückgekehrt und wurden immer lauter. Abermals sank er zusammen, und der Wolf vor ihm wurde immer undeutlicher, bis Druan schließlich wieder das Bewusstsein verlor.

      Als er aufwachte, lag er auf dem Rücken in der Nähe der Lichtung, wo er Daragh das letzte Mal gesehen hatte. Das Gefühl der Verbundenheit mit seinem Odûn, dieses mächtige, kaum zu beschreibende Gefühl war noch immer da, doch er spürte, dass alles um ihn herum fremder war, als habe er seine Heimat, den Pfad des Wolfes, verlassen und sei in die Ferne gezogen. Doch er war daheim. Er war noch immer im Ugnarmoor.

      Er war geradezu erschrocken, als er den Brenoch-Dûn vor sich sah, der aufgehört hatte, auf der Trommel zu spielen.

      »Daragh, wo warst du? Was ist geschehen? Wie bin ich hierher zurückgekehrt?«

      »So weit war es gar nicht, ich habe dich von dort, wo du hingefallen bist, ein paar Schritte hierhergezogen, mehr nicht«, antwortete der Schamane mit einem verschmitzten Lächeln.

      Druan stand auf. Ihm war übel, und er verspürte großen Durst. Sein Mund war ausgetrocknet. »Wie lange war ich ohne Bewusstsein?«

      »Zwei Tage lang. Aber mach dir keine Sorgen. Das ist durchaus üblich bei der Krallessa eines Durro-Dûn. Manche waren sogar länger als du in Marthyr, der Geisterwelt. Du bist niemals mit deinem Körper von hier fortgegangen. Nur dein Geist wechselte dorthin. Deshalb hattest du auch ein anderes Gespür für Ort und Zeit. Beides wiegt anders in der Geisterwelt als hier bei uns.«

      Druan war überrascht. Was Daragh erzählte, stimmte nicht mit dem überein, was er erlebt hatte. Die Reise in die Geisterwelt hatte sich real angefühlt, und sie hatte höchstens Minuten gedauert, nicht Stunden oder gar Tage. Als er in sich hineinhorchte, bemerkte er ein seltsames neues Gefühl – es war, als sei der Große Madadh immer noch bei ihm. »Ich spüre seine Kraft ihn mir. Es ist ein seltsames Gefühl.«

      »Habe keine Furcht davor. Du wirst bald lernen, die Kräfte, die dir der Madadh gegeben hat, zu nutzen. Ganz von allein wirst du sie meistern.«

      Druan, der sich immer noch in einem entrückten Zustand befand, nickte.

      »Lass uns nun nach Hause gehen«, sagte Daragh, nahm seine Trommel und ging voran.

      ***

      »Was hast du nun vor?«, fragte der alte Durro-Dûn auf dem Weg zum Haerad. Während sie weitermarschierten, dachte Druan lange Zeit über diese Frage nach. Wenn er ehrlich war, so musste er zugeben, dass er darauf keine Antwort wusste. Jahrelang hatte er sich darauf vorbereitet, endlich seinem Odûn zu begegnen. Ein größeres Ziel hatte er nicht vor Augen gehabt. Sicherlich, er wollte für sein Haerad da sein, er wollte seinem Rudel so gut es ging dienen, die Götter ehren und seinen Körper und Geist stählen, um Ruhm zu erlangen.

      Doch wie sein weiterer Weg nun aussah, darüber hatte er sich bislang noch keine Gedanken gemacht. »Ich weiß es nicht. Eigentlich habe ich gehofft, dass der Madadh mir sagen würde, was er von mir erwartet.«

      »Der Große Wolf wird dir gewiss noch sagen, was er von dir will. Heute jedoch solltest du dich freuen, dass er dich akzeptiert hat.«

      Als sie die Stelle erreichten, von der aus sie das Moor betreten hatten, stand das Auge Makkas gut sichtbar am Himmel, kein Strahl von Sindarras Auge war mehr zu sehen. Die Zeit der nächtlichen Räuber war angebrochen. Doch an der Rundung von Makkas Auge konnte Druan erkennen, dass wirklich mehrere Tage seit ihrem Aufbruch vergangen waren. Das Heulen eines Wolfsrudels erklang von weit jenseits des Moores, als wollten die Wölfe ein neues Mitglied willkommen heißen.

      »In zwei Tagen findet das Palenkel statt. Du hast dich noch nicht entschieden, ob du daran teilnimmst?« Daragh blickte ihn bei seiner Frage, die mehr eine Feststellung war, nicht an.

      »Die Teilnahme am Palenkel ist eine große Ehre für jeden Gjalsker. Doch ich glaube nicht, dass ich diesmal schon daran teilnehmen werde.«

      »Du hast doch nicht etwa Angst?«

      »Druan bren Anargh fürchtet sich vor niemandem. Ich war in der Geisterwelt, dort, wo der Nebel herrscht. Dies hätte das Herz jedes Krieges mit Furcht erfüllt, doch nicht meines. Aber ich spüre eine Müdigkeit, eine Erschöpfung, in mir. Die Reise in die Geisterwelt hat mich mehr mitgenommen, als ich erwartet habe. Nein, ich werde nur zuschauen und zu den Göttern beten, dass Savia gewinnt.«

      »Ahhh«, war das Einzige, was Daragh dazu äußerte. Druan hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er Savia mochte. Sie war eine gutaussehende Frau, etwa in seinem Alter, und außerdem eine ausgezeichnete Jägerin. Sie war ehrgeizig und hatte schon als kleines Mädchen ihre Spielkameraden angestachelt, sich auf gewagte Mutproben einzulassen. Ja, sie wäre eine gute Frau, aber Savia hatte einige Verehrer, und darunter auch Kazan, den Sohn des Yalding.

      Druan war kein Frauenschwarm. Es war ihm bewusst, dass er kaum eine Chance hatte, mit ihr einen Herzensbund einzugehen. Sie waren zu verschieden. Sie war eine gute Kriegerin und Heilerin, eingebunden im Haerad, während er abseits des Dorfes in der Wildnis lebte und nur alle paar Tage das Haerad sah. Doch sie verstanden sich ausgezeichnet, und er gönnte ihr den Sieg. Der Favorit des Palenkels war hingegen Bartakh bren Yuchdan.

      Bartakh … der größte Krieger des Haerad Mortakh. Ein Durro-Dammagon-Dûn, ein Wollnashorn-Tierkrieger, der erste seiner Art seit vielen Jahren. Gon Bartakh bren Yuchdan, Sieger des Gon’da-Gon-Palenkels.

      Und dennoch mochte Druan ihn nicht. Er war kaltherzig und überheblich zu den Schwächeren. Wollnashörner waren Einzelgänger. Wölfe waren Rudeltiere. So wie Druan jeden im Haerad schätzte und respektvoll behandelte, so arrogant verhielt sich Bartakh. Er hielt sich für den besten Krieger, den es gab und jemals gegeben hatte. Auch wenn Druan ihn respektierte, so wollte er mit ihm doch so wenig wie möglich zu tun haben. Schon ein paar Mal hatte es Streit zwischen ihnen gegeben.

      Als sie das Moor hinter sich ließen, tauchten bald die Lichter Mortakhs auf. Nur wenige zwar, aber in der Dunkelheit, in die das Land getaucht war, konnte man sie gut ausmachen. Druan und Daragh beschleunigten ihre Schritte. Der junge Mann fühlte sich frisch und voller Freude, gestärkt durch das Erlebte. Der Alte konnte bald kaum noch Schritt halten und geriet außer Puste.

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