DAS HERZ-SUTRA. Osho

DAS HERZ-SUTRA - Osho


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Verstand wird dir jedenfalls eine Antwort geben. Hüte dich vor dem Verstand.

      Der Verstand ist der Teufel, es gibt keinen anderen Teufel. Und es ist dein Verstand. Diese Einsicht muss entwickelt werden – dieses Durchschauen bis auf den Grund. Hau den Verstand entzwei und geh schnurstracks hindurch, geh über ihn hinaus! Und wenn du durch den Verstand über den Verstand hinausgehen kannst, und es steigt ein Moment des Nicht-Verstandes in dir auf, dann ist die Antwort da – keine Antwort in Worten, kein Schriftzitat, keine in Anführungszeichen, sondern authentisch deine – kurz, eine Erfahrung.

      Die Wahrheit ist eine existenzielle Erfahrung.

      Die Frage ist ungeheuer triftig, aber du wirst die Frage mit großem Respekt behandeln müssen. Hab es nicht eilig, eine Antwort zu finden, sonst wird irgendwelcher Schrott die Frage töten. Erlaube deinem Verstand nicht, die Frage zu töten. Und der Verstand tötet die Frage damit, dass er Antworten liefert – ungelebte, unerfahrene.

      Du bist die Wahrheit! Aber sie kann nur in äußerster Stille kommen, wenn sich kein einziger Gedanke regt, wenn der Verstand nichts zu sagen hat, wenn keine einzige Welle sich in deinem Bewusstsein kräuselt. Wenn dein Bewusstsein spiegelglatt ist, bleibt dein Bewusstsein unverzerrt. Sobald eine Welle es kräuselt, setzt Verzerrung ein.

      Geh einfach einmal an einen See, stell dich ans Ufer und schau auf dein Spiegelbild. Wenn Wellen da sind, kleine Kräusel auf dem See, und der Wind bläst, verwackelt dein Spiegelbild. Du kannst nicht erkennen, was was ist, wo deine Nase ist und wo deine Augen sind – du kannst nur raten. Aber wenn der See still ist und der Wind nicht bläst und keine einzige Welle die Oberfläche kräuselt, bist du plötzlich da. In absoluter Vollkommenheit ist das Spiegelbild da, wird der See zum Spiegel.

      Wann immer ein Gedanke durch dein Bewusstsein zieht, bringt er Verzerrung. Und es gibt viele Gedanken, Millionen von Gedanken, immer in Hast, und immer ist Stoßverkehr. Vierundzwanzig Stunden lang ist Stoßverkehr, und der Verkehr geht immer und immer weiter, und an jedem Gedanken hängen Tausende von anderen Gedanken. Sie halten sich alle bei den Händen und sind aneinandergekettet, kreuz und quer verkettet, und der ganze Mob keilt dich ein. Wie kannst du da erkennen, was Wahrheit ist? Komm raus aus dem Mob!

      Genau das heißt Meditation. Genau darum geht es bei Meditation: ein Bewusstsein ohne Verstand, ein Bewusstsein ohne Gedanken, ein Bewusstsein ohne Schwanken – ein regloses Bewusstsein. Dann ist sie da, und alles ist Schönheit und Segen. Dann ist sie da, die Wahrheit – nenne sie Gott, nenne sie Nirvana oder wie immer du es nennen willst. Sie ist da, und sie ist da als Erfahrung. Du bist in ihr, und sie ist in dir.

      Nutze diese Frage. Mache sie dringlicher. Mache sie so durchdringend, setze alles so aufs Spiel, dass der Verstand dich nicht mit seinen oberflächlichen Antworten zum Narren halten kann. Sobald der Verstand verschwindet, sobald der Verstand seine alten Tricks nicht mehr spielen kann, wirst du erkennen, was Wahrheit ist. Du wirst es in Stille erkennen. Du wirst es in gedankenloser Bewusstheit erkennen.

      Die zweite Frage:

      Hinter meiner Hingabe steckt eine Absicht. Ich gebe mich hin, um Freiheit zu gewinnen; es ist also gar kein wirkliches Hingeben. Ich beobachte es, aber das Problem ist: Ich bin es immer selber, der es beobachtet. Und so ist jede Erkenntnis, die aus diesem Beobachten kommt, eine Stärkung des Egos. Ich fühle mich vom Ego ausgetrickst.

      Du hast nicht begriffen, was Hingeben heißt. Das erste, was du dir über das Hingeben merken musst, ist: Du kannst es nicht tun. Es ist kein Tun. Du kannst wohl verhindern, dass es passiert, aber du kannst es nicht so hindrehen, dass es passiert. Deine Macht beim Hingeben ist rein negativ, du kannst es verhindern, aber du kannst es nicht herbeiführen.

      Dich hinzugeben ist nicht etwas, das du tun kannst. Wenn du es tust, ist es kein Hingeben, weil der Macher da ist. Sich hinzugeben ist eine große Erkenntnis – dass „ich nicht bin“. Sich hingeben heißt erkennen, dass das Ego nicht existiert, dass du nicht abgetrennt existierst. Sich hingeben ist kein Akt, sondern ein Verstehen. Ohnehin bist du unwirklich. Dein Getrenntsein ist unwirklich! Keinen einzigen Moment lang kannst du getrennt vom Universum existieren. Der Baum kann nicht existieren, wenn er aus der Erde entwurzelt ist. Der Baum kann nicht existieren, wenn die Sonne morgen verschwindet. Der Baum kann nicht existieren, wenn kein Wasser an seine Wurzeln kommt. Der Baum kann nicht existieren, wenn er nicht atmen kann. Der Baum ist in allen fünf Elementen verwurzelt – was die Buddhisten die Skandhas nennen, die fünf Gruppen, über die wir gestern sprachen. Avalokita … Als Buddha die transzendentale Warte erreichte, als er alle Stufen hinter sich hatte, als er alle Sprossen der Leiter hinter sich hatte und zur siebten gelangt war und von dort herabsah, zurückschaute – was sah er da? Er sah nur fünf Haufen mit nichts Substanziellem darin, nur Leere, Shunyata.

      Der Baum kann nicht existieren, wenn diese fünf Elemente nicht ständig Energie in ihn einströmen lassen. Der Baum ist nur eine Kombination dieser fünf Elemente. Wenn der Baum zu denken anfängt: „Ich bin“, dann wird es elend für den Baum. Der Baum wird sich selber die Hölle bereiten. Aber Bäume sind nicht so dumm, sie schleppen keinen Verstand mit. Sie sind da, und wenn sie morgen verschwinden, verschwinden sie einfach. Sie klammern sich nicht fest, es ist niemand da, an den sie sich klammern können. Der Baum ist ständig der Existenz hingegeben. Mit „hingegeben“ meint er, er ist niemals getrennt. Er ist nie auf diese dumme Idee mit dem Ego gekommen. Und die Vögel genauso, die Berge genauso, die Sterne genauso. Nur der Mensch hat seine großartige Chance, bewusst zu sein, zu Ich-Befangenheit verkehrt. Der Mensch hat Bewusstsein. Wenn das Bewusstsein wächst, kann es euch die größtmögliche Seligkeit eintragen. Aber wenn etwas schief läuft und das Bewusstsein sauer wird und zu Ich-Befangenheit wird, dann ist die Hölle los, dann schafft es Unglück. Beide Alternativen stehen euch jederzeit offen – ihr habt die Wahl.

      Das erste, was es beim Ego zu verstehen gibt, ist, dass es nicht existiert. Niemand existiert getrennt. Ihr seid so sehr eins mit dem Universum wie ich, wie Buddha, wie Jesus. Ich weiß es, ihr wisst es nicht. Der Unterschied liegt nur im Erkennen. Der Unterschied ist nicht existenziell, absolut nicht. Ihr müsst also in diese dumme Einbildung hineinschauen, getrennt zu sein.

      Wenn du jetzt also versuchst, dich hinzugeben, schleppst du immer noch die Vorstellung der Getrenntheit mit. Dann denkst du: „Ich will mich hingeben, jetzt will ich mich hingeben“ – aber du gehst davon aus, dass du bist. Wenn du in die Vorstellung der Getrenntheit selbst hineinschaust, wirst du eines Tages entdecken, dass du nicht getrennt existierst – wie also kannst du dich hingeben? Es ist niemand da, der sich hingeben kann. Es ist nie jemand da gewesen, der sich hingeben kann! Das Hingeben ist nicht da, absolut nicht – nirgends zu finden. Wenn du in dich hineingehen kannst, wirst du das Hingeben nirgendwo finden. Im selben Moment ist das Hingeben da. Wenn das Hingeben nicht zu finden ist, ist augenblicklich die Hingabe da. Du kannst es nicht machen. Wenn du es machst, ist es etwas Unwirkliches. Aus Unwirklichem entsteht nur Unwirkliches. Du bist unwirklich, also wird alles, was du tust, unwirklich sein – noch unwirklicher. Und ein Unwirkliches führt zum nächsten, und so weiter und so fort. Und das grundsätzliche Unwirkliche ist das Ego, die Vorstellung „Ich existiere getrennt“.

      Du fragst: „Hinter meiner Hingabe steckt eine Absicht.“

      Das Ego ist immer voller Absichten. Es ist immer gierig, es ist immer grabschend. Es ist immer auf der Suche nach mehr und mehr. Es lebt im Mehr. Wenn du Geld hast, will es mehr Geld haben. Wenn du ein Haus hast, will es ein größeres Haus haben. Wenn du eine Frau hast, will es eine schöne Frau haben – aber es will immer mehr. Das Ego ist unentwegt hungrig. Es lebt in der Zukunft und in der Vergangenheit. In der Vergangenheit lebt es als Horter – „ich habe dies und dies und dies“. Es zieht eine große Befriedigung daraus: „Ich habe was“ – Macht, Prestige, Geld. Das verleiht ihm eine Art Realität. Das erlaubt die Vorstellung, dass es dich, da du all diese Dinge hast, geben muss. Und in der Zukunft lebt es mit der Vorstellung von Mehr. Es lebt als Erinnerung und als Begierde.

      Was ist eine Absicht? – eine Begierde: „Da muss ich hin, das muss ich sein, ich muss es schaffen.“ Das Ego lebt nicht in der Gegenwart – kann es gar nicht, da die Gegenwart das Wirkliche ist und das Ego unwirklich ist – sie begegnen sich nie. Die Vergangenheit ist unwirklich, sie ist nicht mehr. Sie war einmal, aber als sie da war, war das Ego nicht da. Sobald


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