Der Sufi-Weg. Osho

Der Sufi-Weg - Osho


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Jünger so. Der Jünger lässt nichts unversucht, den Meister hereinzulegen, um zu testen: „Ist er mir wirklich überlegen?“ Also versucht der Jünger erst einmal alles, um zu beweisen, dass er nicht überlegen ist, dass „er auch nicht mehr weiß, als ich selber.“ Es ist für sein Ego die einzige Chance, wenn es erhobenen Hauptes sagen kann: „Jetzt bin ich an den Punkt gelangt, wo ich erkenne, dass er nicht höher steht als ich – er ist wie ich.“ Das stärkt das Ego.

      Statt im Meister zu sterben, päppelt ihr euer sterbendes Ego wieder auf und gebt ihm neues Blut. Jeder Jünger gerät in einen Konflikt, sobald er sich einem Meister anschließt. Der Meister will sein Ego restlos und unwiederbringlich vernichten. Und du willst es mit aller Macht retten. Nicht nur retten, sondern es kräftigen und stärken, vitaler und überlegener machen.

      Ein Jünger kommt mit ganz bestimmten Vorstellungen zu einem Meister, und der Meister ist zu einem ganz anderen Zweck da. Ein Jünger kommt in Lumpen und niedergeschlagen an, weil das Leben sein Ego nicht befriedigen konnte. Jetzt hat er sich der unsichtbaren Welt zugewandt; vielleicht gelingt es ihm dort, sein Ego zu erfüllen. Er kann ein bedeutsamer Sannyasin werden; er kann zum Obererleuchteten der ganzen Welt aufsteigen. Wer weiß, was er nicht alles werden könnte. In der äußeren Welt hat er Schiffbruch erlitten. Jetzt versucht er es mit der ‚anderen‘ Welt: vielleicht kann er dort irgendwo vor Anker gehen und sein Ego retten.

      Ihr kommt aus falschen Motiven zu einem Meister – das ist nur natürlich. Ihr lebt verkehrt, wie könnt ihr da aus den richtigen Motiven kommen? Aber der Meister ist aus einem absolut andern Grund da. Er zieht euch an, er lockt euch näher und näher heran, nur um euch umzubringen – und zwar so gründlich umzubringen, dass nicht einmal eine Spur von Ego in seinem Feuer übrig bleibt. Patanjali nennt das „Nirbeej Samadhi“, ein Samadhi, wo das Samenkorn des Ego so vollständig verbrannt wird, dass es nicht wieder zum Keimen kommt, ganz egal, was man danach noch mit ihm anstellt.

      Der Meister ist ein Feuer. Der Meister ist ein Tod.

      Schließlich wandte sich der Advokat an einen

      Beerdigungsunternehmer und trug ihm auf,

      ihn in ein Leichentuch einzuwickeln.

      „Wenn dann der Präsident vorbeikommt,

      wird er mich für einen Toten halten

      und vielleicht ein paar Münzen auf mich werfen,

      für die Beerdigung.

      Dann bekommst du etwas von dem Geld ab.“

      Und so kam es auch.

      Ein Goldstück aus der Hand des Präsidenten fiel auf das

      Leichentuch. Der Advokat griff sofort zu, aus Angst,

      der Beerdigungsunternehmer könne ihm zuvorkommen.

      Dann sagte er zu dem Wohltäter:

      „Du hast mir dein Gold verweigert.

      Schau, wie ich es mir dennoch geholt habe.“

      Was er sagt, ist: „Ätsch, ich hab dich hereingelegt. Wo ist dein höheres Bewusstsein? Mein Herr Weltpräsident – wo ist denn nun das höhere Bewusstsein? Endlich hab ich es dir gezeigt. Der Sieg ist mein. Du konntest nicht entscheiden, ob ich tot oder lebendig war!“

      „Du irrst“, erwiderte der Spender,

      „du kannst nichts von mir bekommen, ehe du nicht stirbst…“

      Der freigebige Mann benutzte die Situation – der Advokat hatte ihn keineswegs getäuscht –, um ihm eine gezielte Lektion zu erteilen:

      „Du kannst von mir nichts bekommen, ehe du nicht stirbst.“

      Dein Tod ist nicht echt, das sehe ich, und so hast du auch kein wirkliches Gold erhalten. Nur ein Stück weltliches Gold – wertlos. Dein Tod ist unecht. Aber behalte diese Lehre in deinem Herzen: „Du kannst von mir nichts bekommen, ehe du nicht stirbst.“ Das ist die ganze Botschaft der Sufis: „Stirb und werde!“ Stirb, wie du jetzt bist, damit du das werden kannst, was du wirklich bist. Stirb dem Ego, damit das Göttliche in dir geboren werden kann. Stirb der Vergangenheit, damit du dich der Zukunft öffnest. Stirb dem Bekannten, damit das Unbekannte in dich eindringen kann.

      Stirb dem Verstand, damit dein Herz wieder zu schlagen beginnt, damit du dein eigenes Herz wieder finden kannst, das dir ganz verloren ging. Ihr wisst nicht, was das ist – das Herz! Das, was da in euch schlägt, das ihr hören könnt, ist nicht das wahre Herz. Es ist nur der körperliche Teil eures Herzens. Der seelische Teil versteckt sich hinter dem körperlichen. Diese Herzschläge gehören zum Körper, aber verborgen in diesen Schlägen, oder zwischen ihnen, in den Intervallen, schlägt der Puls des wirklichen Herzens, des Herzens der Seele. Das körperliche Herz ist nur seine materielle Seite. Mit der göttlichen Seite eures Herzens habt ihr allen Kontakt verloren. Ihr lebt ein liebloses, ein herzloses Leben. Ihr seid hart wie Stein. Selbst Stein ist nicht so hart. Steine können gesprengt werden – und das sage ich aus langer und tiefer Erfahrung.

      Wenn ich versuche, euren Fels zu sprengen, zeigt es sich, dass sich euer Fels in jeder Beziehung zu schützen versucht. Ihr versucht, eure Krankheiten, eure Leiden zu schützen. Ihr versucht, eure Neurosen, euren Wahnsinn zu schützen – denn das ist das einzige, womit ihr euch identifizieren könnt. Ihr glaubt, ihr seid das alles. Ihr seid es nicht. Ehe du nicht stirbst, wirst du niemals wissen, wer du bist. In deiner jetzigen Verfassung kannst du zwar eine Yoga-Position einnehmen und die Mantras von Maharshi Ramana wiederholen: „Wer bin ich? Wer bin ich? Wer bin ich?“ – aber wissen wirst du es nicht. Das Mantra wird dir nur im Hirn kreisen. Ramana kam durch dieses Mantra zur Erleuchtung – aber er ging damit durch den Tod.

      Es geschah, als er siebzehn Jahre alt war. Seit seiner frühen Kindheit hatte er ununterbrochen meditiert; den Antrieb dazu musste er aus früheren Leben mitgebracht haben. Er war nicht wie andere Kinder, er war von Anfang an nicht an der Welt interessiert. Bei jeder Gelegenheit bereitete er sich vor und ging mit geschlossenen Augen in Zustände des Schweigens, immer tieferen Schweigens. Plötzlich – er war siebzehn – plötzlich spürte er, dass er sterben würde. Und wenn man in tiefer Meditation das Gefühl bekommt, sterben zu müssen, dann ist das nicht nur einfach ein Gefühl oder ein flüchtiger Gedanke – es packt dich total, weil zwischen dir und dem Tod kein Gedanke mehr da ist, der als Waffe dienen kann. Du kannst dich nicht wehren. Wenn dein Geist völlig still geworden ist, gibt es keine Frage mehr, dass du jetzt sterben wirst.

      Dieser Augenblick erwartet jeden Meditierenden – und gesegnet sind die, zu denen er kommt. Plötzlich hatte er das Gefühl zu sterben – und in dem Augenblick ist nichts mehr zu machen. Der Tod ist dir absolut sicher. Was will man da noch tun? Er saß unter einem Baum und legte sich hin – zum Sterben bereit, völlig ergeben. Er entspannte seinen Körper. Keine Spur von Todeskampf! Und dann merkte er, wie nach und nach sein Körper kalt wurde. Bald war er eine Leiche, steif und leblos. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht einmal den kleinen Finger rühren können. Aller Kontakt zum Körper war abgebrochen. Und dann sah er, wie sich sein Geist auflöste – wie Wasser, das verdampft. Und der Geist verschwand; aller Kontakt mit dem Geist war abgebrochen. Dann wartete er und wartete und wartete – wann würde der endgültige Tod eintreten? Aber der Tod kam nie. Er hatte die Dimension des Todlosen erreicht. Er war jetzt ein vollkommen neuer Mensch. Der alte Mensch war tot. Den Sohn eines bestimmten Vaters und einer bestimmten Mutter gab es nicht mehr. Er war nicht mehr Raman. Raman war plötzlich verschwunden. Ein Bhagwan war geboren: er war göttlich geworden.

      Wenn du bis zur untersten Schicht deines Wesens vordringst, zum Todlosen, wirst du Gott. ‚Gott‘ bedeutet nichts anderes als das, Gott bedeutet das Unsterbliche, das Todlose.

      „Du irrst“, erwiderte der Spender

      „du kannst nichts von mir bekommen, ehe du nicht stirbst…“

      Und von mir kannst du auch nichts bekommen, ehe du nicht stirbst. Und von Gott kannst du auch nichts bekommen, ehe du nicht stirbst. Ja, solange du nicht stirbst, ist dein Leben tot, bist du lebendig begraben. Bis dahin ist dein Leben nichts als ein langsamer Selbstmord, der sich über siebzig, achtzig Jahre erstreckt; ein schleichender Selbstmord,


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