Fabeln und Parabeln. Tatjana Sindeeva-Burova
die Tränen liefen, er verlor die Kräfte…
den Glauben an das Leben…
Und die Sonne schonte nicht… sie liebte alles Irdische
leidenschaftlich, heiß,
und unser Sportler… hielt die Belastung und die
Schicksalsschwierigkeiten nicht aus…
Wir schaffen die Idole für uns selbst, wir eifern ihnen nach…
Wir leben mit dem fremden Kopf auf unseren Schultern… und
haben manchmal kein eigenes Gehirn…
Irgendwann kommt der Tag… der Leiter verschwindet, verduftet
auf einmal…
Wird das Licht im Fenster erlöschen? Gehst du ihm dann ins
Verderben hinterher?
2017
Das Fischlein geriet auf den Haken…
Ein Fischlein geriet einmal auf einen Haken… Fischköder
runtergeschluckt, ohne zu denken, es hing an der Angelschnur,
quälte sich… das Herz zerriss in Stücke…
Die Freunde boten ihm ihre Hilfe an… solange der Fischer weit
entfernt war, solange er nichts sah, aber das Fischlein warf sich
herum und glaubte an das Glück, das ihm manchmal im Fluss
geschienen hatte… Es träumte davon, den Sternhimmel und einen
Sonnenstrahl zu sehen, der ihm den Rücken wärmte…
Es träumte davon, einen wundervollen Flug zu empfinden, den
Geschmack dieses Glückes zu testen…
Die Verwandtschaft rief ihm zu: «Es lohnt sich nicht! Diese
Erlebnisse sind nicht deines Lebens wert!»
Aber das Fischlein hatte schon alles entschieden und schluckte
tiefer runter, was der Fischer ihm geworfen hatte…
Es flog und sah den Himmel mit den Sternen, die mit bunten
Lichtern in seine Augen schienen, vor Freude war es atemlos
geworden, das Fischlein hatte es geschafft, aber es kannte den
Preis noch nicht… Der Fischer hielt es in den Händen, rühmte
sich: «Schaut mal das Fischlein an – genau das Richtige!»
Es verlor vor Freude die Besinnung in seinen Händen und verstand
schon nichts mehr… Die Zeit kam… der Rücken brannte vor Hitze,
es dachte aber, es wäre die Sonne… Die Sonne wärmte so auf, dass
es in den Augen dunkler geworden war, das Bewusstsein schwebte
vor Ergiebigkeit… So wurde es auf dem Tisch serviert… es war
nicht allein, solche Träumer gab es viele.
Da kam der letzte Gedanke: «Ich sollte auf meine Verwandten
hören, sie haben mich gewarnt…»
Manchmal schlucken wir den Köder herunter… was uns
zugeworfen wurde, von schmutzigen Händen… Man sagt uns und
wir glauben nicht… wir wollen was anderes sehen: den Himmel,
die Sterne… Der andere Himmel, die Sonne wärmt anders… und
der Preis für das Leben ist da auch ganz anders…
2017
Der Löwe, der Elch und der Rabe
Einmal lud ein Elch einen Löwen und einen Raben zu seinem
Geburtstag ein…
Der Elch deckte den Tisch und wartete gut gelaunt auf die Gäste…
Da kam der Rabe, ihm folgte der Löwe, sie setzten sich an den
Tisch…
Der Elch bewirtete die Gäste mit einem Mittagessen, die
Diätgerichte lobpreisend: «Und das ist hier ein Braten aus
Feldgras, das unter der Sonne gewachsen ist.
Er tut den Gefäßen und dem Herzen gut… Er enthält viel Vitamin
C und D…
Hier steht das dampfgekochte Heu, ich habe es vom letzten Herbst
noch aufbewahrt für so einen besonderen Fall. Oh, das ist eine
Quelle der Mineralien, und was am wichtigsten ist – des
pflanzlichen Eiweißes. Ich esse es für die Unterstützung des
Muskel- und Körperausbaus, und danach… laufe ich wie verrückt
durch den Wald! Hier ist ein Salat aus Pusteblumen, hier gibt es
Spinat, gekeimte Samen. Greift zu, meine Herrschaften!»
Der Löwe schaute den Raben an, der Rabe schaute den Löwen an,
die beide sahen den Elch an…
Der Löwe fing die Rede an: «Hör zu, Elch. Ich habe weder Heu noch
Stroh von Kindheit an gegessen!
Auf den Pusteblumen schlafe ich manchmal nur, gekeimte Samen?
Da hast du wohl einen Scherz gemacht!»
«Du bist ein Scherzkeks, Elch… – fügte der Rabe hinzu. – Nun ja,
ich picke mal einen Samen. Aber das dampfgekochte Heu, bitte
ohne mich, das habe ich, wie der Löwe, seit Kindheit an schon
nicht gegessen!»
Unser Geburtstagskind wurde traurig: «Meine lieben Gäste! Was ist
denn hier falsch?
Das ist doch alles so gesund! Und die Vegane sind heute in! Ich
habe mir so viel Mühe gegeben, meine Gäste zum Staunen zu
bringen. Alle Gerichte sind von reinem Nutzen, für die
Verlängerung des Lebens und für die Gesundheit! Zum Beispiel,
was isst du, Rabe? Du isst das Aas! Du sammelst alles, was du
siehst, den Abtrag und den Ekel! Und du, Löwe, ich bitte dich, ich
habe es doch gut gemeint. Das Wertvollste habe ich meinem
adligen Gast serviert! Da gibt es so viel Protein – so viel Kraft!»
Der Rabe konnte es nicht aushalten: «Ich bitte dich, Elch! Was
erzählst du über das Leben und die Gesundheit? Und wie nennst
du mein Essen? Ich ernähre mich seit 300 Jahren damit, was dir
nicht schmeckt, und schau mal, ich lebe noch, ich fliege!»
Der Löwe ergänzte dazu: «Ich bin mit meinem Bruder, dem Raben,
einverstanden! Elch, ich verstehe nicht, hast du uns hier
versammelt, um deinen Geburtstag zu feiern oder um einen
Vortrag über die Ernährung zu halten? Mein ganzes Leben esse ich
Fleisch und werde es weiter essen! Und durch den Wald zu laufen,
wie ein Elch, ist für mich nicht sehr verlockend! Ich bin ein Löwe,
als Löwe geboren und werde als Löwe sterben, wo gibt’s denn
so was, dass ein