Butler Parker Staffel 11 – Kriminalroman. Günter Dönges
eine Agatha Simpson werden konnte.
Lady Agathas Gedanken hatten sich in ähnlichen Bahnen bewegt. Auch sie hatte sich gefragt, ob es sinn-voll war, ihren Pompadour samt dem darin befindlichen »Glücksbringer« zu aktivieren. Bei dem »Glücks-bringer« handelte es sich immerhin um ein solides Hufeisen.
Auch die passionierte Detektivin kam zu dem Schluß, vorerst ruhig zu bleiben. Ganz instinkiv mochte sie den Albino nicht. Dieser Mann schien unberechenbar zu sein, rachsüchtig und nachtragend. Es war wohl angebracht, ihn vorerst in Sicherheit zu wiegen.
Lady Agatha marschierte deshalb auf ihren stämmigen Beinen zur Tür des Betonbunkers und erlitt dann plötzlich einen bedauernswerten Herzanfall, der sehr überzeugend wirkte.
Sie blieb plötzlich stehen, faßte nach der linken Hälfte ihres mächtig wogenden Busens und produzierte dazu Laute, die an die eines leicht erkälteten Hirsches erinnerten. Dann verdrehte sie ein wenig die Augen und schielte dabei gekonnt zu den drei Kidnappern hinüber. Sie wollte sich vergewissern, wie ihr Anfall wirkte.
Der junge, sportlich aussehende Mann sprang auf sie zu. Der ehemalige Boxer blieb wie erstarrt stehen, und der Albino kickste beeindruckt auf. Lady Agatha hatte ihm beim Zusammenbrechen ihren linken Ellbo-gen nachdrücklich in die Magengrube gerammt.
Dann lag die Sechzigjährige dekorativ am Boden und genoß den Aufruhr, den sie verursacht hatte.
*
Josuah Parker verhielt sich erstaunlich.
Er war nicht auf dem schnellsten Weg zurück in das Stadthaus von Mylady gefahren, um dort auf den an-gekündigten Telefonanruf der Kidnapper zu warten. Nein, Parker befand sich in der City von London und schien nichts Besseres zu tun zu haben, als dem Stadtteil Soho einen Besuch abzustatten.
Der Butler ließ seinen Wagen in einer kleinen Seitenstraße stehen und bemühte sich nach einem kurzen Fußmarsch in die Lokalitäten einer kleinen Pizzeria.
Der Wirt, ein überraschend magerer, kleiner Italiener, entdeckte den Butler, wieselte um die lange Barthe-ke herum und rannte temperamentvoll seinem Gast entgegen.
»Mister Parker«, stieß er begeistert hervor, »Sie hier in meinem kleinen Lokal! Das ich das noch erleben darf. Sie sind mein Gast, mein Ehrengast. Küche und Keller stehen zu Ihrer Verfügung.«
»Mit einer Auskunft wäre mir eigentlich mehr gedient«, antwortete Parker zurückhaltend. Temperament in dieser hohen Dosierung verwirrte ihn stets ein wenig, was er sich allerdings kaum anmerken ließ.
»Ich bin Ihr Diener«, sagte der Wirt, der sich dem Butler verpflichtet fühlte. Parker hatte diesen Mann, der übrigens ein vorzüglicher Koch war, vor vielen Monaten mal aus einer bösen Situation gerettet. Es han-delte sich um eine Sache mit der Mafia, die den Wirt fast das Leben gekostet hatte.
Parker ließ sich tief nach hinten ins Lokal führen und nahm in der Familiennische Platz. Er legte seine schwarze Melone und seinen altväterlich gebundenen Regenschirm sorgsam ab und entschied sich für einen Espresso.
»Verfügen Sie über mich«, bat Lorenzo Padeste, dessen Familie schon seit einigen Generationen in Lon-don lebte. Die lebhaften Gesten und Reden des Südländers hatte Padeste dennoch nicht vergessen.
»Aus Gründen, die ich nicht näher erläutern möchte, interessiere ich mich für Männer, die sich ganz offen-sichtlich auf Kidnapping spezialisiert haben«, sagte Parker rund heraus. Er wußte, daß er Padeste gegenüber offen reden konnte. Der Italiener verfügte über beste Informationen, die sich auf die Unterwelt von London bezogen. Was vielleicht damit zusammenhing, daß seine Pizzas erstklassig waren und sein Lokal von den Feinschmeckern der Unterwelt stark frequentiert wurde.
»Kidnapping?« Padeste schüttelte spontan den Kopf. »Das ist mir aber wirklich neu, Mister Parker. Wer befaßt sich schon damit?«
»Das eben möchte ich erfahren«, sagte Parker. »Wer käme dafür in Betracht, Mister Padeste? Ich möchte hoffen, daß Ihre Beziehungen immer noch sehr gut sind.«
»Ist denn irgend etwas passiert?« erkundigte sich Padeste neugierig.
»Meine Frage ist hypothetischer Natur«, wich Parker gemessen aus.
»Dann muß ich aber erst mal nachfragen. Darf ich mir die Freude machen und Ihnen noch einen weiteren Espresso servieren?«
Parker schüttelte den Kopf und blieb stocksteif sitzen, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er wartete vornehm und gelassen auf die Rückkehr seines Gastgebers. Nach gut zehn Minuten erschien Padeste wieder am Familientisch. Er glühte vor Eifer.
»Fragen Sie mich nicht, Sir, wer mir den Tip gegeben hat und vergessen Sie bei der Madonna, daß ich Sie informiert habe«, schickte er voraus, »aber es scheint, daß Charles Hampton geplant hat, sich auf diese schreckliche Art zu bereichern.«
»Charles Hampton?« Parkers Antwort wirkte neugierig.
»Sie kennen den Gentleman?«
»Flüchtig«, erklärte der Butler. »Immerhin weiß ich, wo ich den besagten Herrn finden kann.«
»Hampton ist gefährlich«, warnte Padeste gestenreich.
»Hat sein Image sich geändert?« wollte Parker weiter wissen.
»Es hat stark gelitten«, berichtete Padeste. »Man wirft ihm vor, er habe einen Spielclub ausräumen lassen. Man stelle sich so etwas vor, Mister Parker. Er bestiehlt Freunde! Dieser Mann kann keine Moral haben.«
»Und so etwas läßt man sich gefallen?« wunderte sich Parker.
»Was soll man tun?« Padeste rang die Hände und zog ein verzweifeltes Gesicht. »Er ist noch zu mächtig, begreifen Sie? Werden Sie sich vielleicht mit ihm befassen?«
»Ich möchte es vermeiden, mich unnötig festzulegen«, erwiderte der Butler zurückhaltend. »Sollten Sie weitere Informationen hinsichtlich eines Kidnapping erhalten, so lassen Sie es mich wissen. Hier, meine Kar-te.«
Parker reichte dem Inhaber der Pizzeria seine neue Visitenkarte, die Padeste achtlos einstecken wollte. Doch im letzten Moment entdeckte er die neue Adresse und begriff sofort.
»Lady Simpson?« fragte er und dämpfte seine Stimme zu einem Flüstern, »ist sie etwa …?«
»Es hat den Anschein«, entgegnete der Butler gemessen und erhob sich. »Zu keinem Menschen ein Wort, wenn ich darum bitten darf.«
»Ich bin schweigsam wie ein Grab«, versicherte Padeste überzeugend. Dennoch wußte Parker sehr genau, wie schnell die sensationelle Nachricht von der Entführung der Lady in der Unterwelt die Runde machen würde.
Aus diesem Grund hatte er ja Padeste zielsicher aufgesucht.
*
»Mein kleines, dummes Herz«, sagte Agatha Simpson, als sie für die drei Kidnapper wieder zu sich kam. Sie sah sich gekonnt verwirrt um und richtete sich auf.
Mit großer Genugtuung nahm sie zur Kenntnis, daß der Albino noch sichtlich unter Magenschmerzen litt.
Er massierte sich die getroffene Partie und starrte Lady Simpson gereizt und böse an.
Der ehemalige Boxer half Mylady mit starken Armen auf die stämmigen Beine.
»Geht es wieder?« fragte der sportlich aussehende junge Mann, während er Kathy Porter nicht aus den Augen ließ. Sie hatte sich neben Mylady niedergekniet und war sichtbar besorgt. Dem jungen Mann waren dabei die mehr als erfreulichen Linien ihres Körpers nicht entgangen.
»Schluß mit dem Theater«, fauchte der Albino, der dem Braten wegen des verpaßten Magenhakens offen-sichtlich nicht traute. »Rein mit ihr in den Bunker!«
»Mylady ist sehr herzkrank«, sagte Kathy Porter anklagend.
»Sie wird’s schon überleben«, stellte der Albino fest und trat vorsichtshalber zur Seite, als der ehemalige Boxer die Lady zu dem Bunkereingang führte. Der Albino war an einem zweiten Magenhaken nicht interes-siert.
»Was