Tom Jones. Генри Филдинг

Tom Jones - Генри Филдинг


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und dabei schenkte sie ein wacker großes Glas voll Wein ein und beredete sie endlich, es auszutrinken.

      Nunmehr kam Herr Alwerth wieder in den Saal zurück, denn er war selbst hingegangen, den Kapitän zu suchen. Seine Mienen zeigten genugsam die Bestürzung, die ihn befallen und fast völlig der Sprache beraubt hatte; wie aber die Betrübnis auf verschiedene Gemüter verschiedentlich wirkt, so erhob eben die Beängstigung, welche seine Stimme erstickte, Madame Blifils Stimme zu helleren Tönen. Sie fing nun an, sich aufs bitterlichste zu beklagen, und Ströme von Thränen begleiteten ihr Jammergetöne, worüber ihre Gesellschaftsdame, wie sie ausdrücklich sagte, sie zwar nicht tadeln konnte, aber sie doch ermahnte, ihrem Schmerze nicht so heftig nachzuhängen, wobei sie den Kummer ihrer Freundin durch philosophische Betrachtungen über die mancherlei leidigen Glücksschläge zu mildern suchte, denen das menschliche Leben täglich bloßgestellt ist und welche, wie sie sagte, ein hinlänglicher Grund wären, unsere Seelen gegen jeden Zufall zu waffnen, so plötzlich und fürchterlich er sein möchte. Sie sagte ferner, ihres Bruders Beispiel sollte sie Geduld lehren, welcher freilich wohl nicht für so nahe getroffen geachtet werden könnte, als sie selbst; aber ohne Zweifel doch sehr unruhig wäre, obgleich seine Ergebung in den Willen Gottes seinen Schmerz in gehörigen Schranken hielte.

      »Sagen Sie mir nichts von meinem Bruder!« sagte Madame Blifil, »nur ich allein verdiene Ihr Erbarmen. Was sind Gefühle der Freundschaft gegen das, was ein treues Weib bei solchen Unglücksfällen empfindet? – O! er ist dahin! Ein Widersacher hat ihn erschlagen! – Meine Augen werden ihn nicht mehr sehen!« Hier that ein Thränenguß eben die Wirkung, welche eine Beklemmung bei Herrn Alwerth hervorgebracht hatte, und sie blieb stumm.

      In dieser Zwischenzeit kam ein Bedienter außer Athem hereingestürzt und rief aus, der Kapitän wäre gefunden! Und ehe er noch weiter fortfahren konnte, folgten ihm zwei andre, welche den toten Körper hereintrugen.

      Hier hat der Leser Gelegenheit, noch eine andre Verschiedenheit der Wirkung des Grams zu bemerken: denn so wie Herr Alwerth aus eben der Ursach stumm gewesen, aus welcher seine Schwester in laute Klagen ausgebrochen war, so trocknete dieser Anblick, welcher dem Bruder Thränen ablockte, die Augen der Witwe auf einmal. Sie that erst einen heftigen Schrei und sank darauf plötzlich in Ohnmacht.

      Das Zimmer war bald voller Bedienten, deren einige mit der besuchenden Dame beschäftigt waren, der trostlosen Witwe Beistand zu leisten, und die übrigen mit Herrn Alwerth halfen einander, den Kapitän in ein gewärmtes Bett zu tragen, wo jeder Versuch angewendet wurde, ihn wieder ins Leben zu bringen.

      Und wie gerne sagten wir unserm Leser die Nachricht, daß es beiden Gewerkschaften auf gleiche Weise geglückt sei. Denn jenen, welche die Sorge für die Dame übernahmen, gelang es so gut, daß nachdem die Ohnmacht eine anständige Weile gewährt hatte, sie solche zu ihrer großen Zufriedenheit wieder ins Leben kehren sahen. Bei dem Kapitän aber waren alle Versuche mit Aderlassen, Reiben, Einspritzen u.s.w. ohne Wirkung. Der Tod als unentbehrlicher Richter hatte sein Urteil über ihn gesprochen und wollte ihn mit keinem Aufschub begnadigen, obgleich zwei gelehrte Doktoren, welche geholt waren und denen man gleich bei ihrem Eintritt mit dem Honorar die Hand füllte, seine Verteidiger waren.

      Diese zwei Doktoren, welche wir, um alle hämische Deutungen zu vermeiden, durch die Namen Doktor Y. und Doktor Z. unterscheiden wollen, fühlten dem Patienten alsobald den Puls; Doktor Y. nämlich am rechten und Doktor Z. am linken Arme. Beide waren einstimmig darüber, er sei tot, ohne Widerrede. Ueber die Krankheit oder die eigentliche Ursache des Todes aber waren sie gar nicht einig. Doktor Y. war der Meinung, es sei eine Apoplexie, Doktor Z. aber, es sei eine Epilepsie gewesen.

      Hierüber entstund ein wissenschaftlicher Streit unter diesen gelehrten Männern, worin jeder die Gründe seiner Meinung gegen den andern behauptete. Diese waren nun von so gleicher Kraft, daß sie jeden Doktor in seiner eigenen Meinung bestärkten und auf seinen Antagonisten nicht den geringsten Eindruck machten.

      Die Wahrheit zu sagen, fast jeder Arzt hat so seine Favoritkrankheit, der er alle Siege über die menschliche Natur zuschreibt. Das Podagra, die Gicht, der Stein, Gries und Auszehrung haben alle ihren eigenen Patron in der medizinischen Fakultät und keine mehr als das Nervenfieber oder das Fieber der Lebensgeister. Und hieraus können wir die mancherlei widersprechenden Meinungen über die Ursachen des Todes eines Patienten herleiten, welche zuweilen unter den gelehrtesten Kollegen obwalten und worüber sich solche Menschen höchlich zu wundern pflegen, welche von der Thatsache nicht unterrichtet sind, die wir oben festgesetzt haben.

      Der Leser mag sich vielleicht wundern, daß die beiden gelehrten Herrn Aerzte, anstatt sich zu bemühen, den Verblichenen wieder zum Leben zu bringen, alsobald in einen Streit über die Ursache seines Todes verfielen; in der That aber waren alle solche Versuche vor ihrer Ankunft bereits angestellt worden. Denn man hatte den Kapitän in ein gewärmtes Bette gebracht, man hatte ihm die Adern geöffnet, hatte ihm die Schläfe und die Fußsohlen gerieben und ihm alle Arten von starkem Spiritus vor die Nase gehalten und in den Mund gegossen.

      Da also die Doktoren fanden, daß man ihnen in allen den Dingen, die sie hätten verordnen können, zuvorgekommen wäre, waren sie verlegen, wie sie den Teil der Zeit hinbringen sollten, den sie des Gebrauchs und des Honorars wegen anständigerweise zu verweilen pflegten und waren deßhalb genötigt, eine oder die andere Materie zum Gespräch hervorzusuchen, und was konnte sich für eine schicklichere Materie darbieten, als die oben erwähnte?

      Unsere Aerzte waren im Begriff, sich zu beurlauben, als Herr Alwerth, der nun den Kapitän aufgegeben und sich in den Willen Gottes gefügt hatte, nach seiner Schwester zu fragen begann und die Aerzte bat, solche noch vor ihrem Weggehen zu besuchen.

      Die Dame hatte sich jetzt von ihrer Ohnmacht erholt und befand sich, um mich einer gewöhnlichen Redensart zu bedienen, so wohl, als man es bei ihren Umständen erwarten konnte. Die Doktoren also, nachdem alle gebührlichen Zeremonien vorläufig abgethan waren, machten den verlangten Besuch und bemächtigten sich jeder einer ihrer Hände, wie sie's vorher bei dem Leichnam gemacht hatten.

      Der Fall der Witwe war von den Umständen ihres Gemahls so weit entfernt, als die beiden Pole von Süden und Norden. Denn sowie bei ihm keine Arznei mehr anschlagen konnte, so war bei ihr wirklich ganz und gar keine nötig.

      Ich kenne nichts Ungerechteres, als die gemeine Meinung, welche die Aerzte irrigerweise als Freunde des Todes vorstellt! Ich glaube im Gegenteil, wenn man die Zahl derer, welche unter ihren Händen besser werden, gegen die Zahl ihrer Märtyrer aufstellen könnte, die erste fast größer sein würde, als die letzte. Ja einige Aerzte sind in diesem Punkt so vorsichtig, daß sie, um alle Möglichkeit den Patienten zu töten, zu vermeiden, sich jeder medizinischen Kurart enthalten und nichts anders verschreiben, als was weder nutzen noch schaden kann. Von diesen habe ich einige es mit einer sehr wichtigen Miene als eine Maxime sagen gehört, man müsse die Natur in ihren Wirkungen nicht stören, und der Arzt wäre gleichsam ein Zuschauer, der ihr auf die Schultern klopfte, um sie aufzumuntern, wenn sie's gut machte.

      So wenig Vergnügen fanden also unsere Doktoren an Toten, daß sie den verblichenen Körper nach einem einzigen bezahlten Besuche verließen; bei der lebenden Patientin aber nicht so unfreundlich waren, über deren Kasum sie augenblicklich einig wurden und großen Fleißes sich zum Verschreiben anschickten.

      Ob, nachdem die Dame zuerst ihre Aerzte überredet hatte, zu glauben, sie sei krank, sie selbige hinwieder überredeten, sich selbst für krank zu halten, das will ich nicht entscheiden; aber sie brachte einen ganzen Monat mit allen Dekorationen der Krankheit hin, während welcher Zeit sie von den Aerzten besucht, von einer Krankenwärterin gepflegt, und von allen ihren Bekannten täglich nach ihrem Befinden gefragt wurde.

      Nachdem endlich die anständige Zeit für Krankheit und übermäßigen Kummer verstrichen war, entließ man die Aerzte und die Dame fing wieder an, Gesellschaft zu sehen, und man ward keiner andern Veränderung durch das, was sie trug, an ihr gewahr, als die Farbe der Trauer, in welche sie ihre Person und ihre Mienen gekleidet hatte.

      Der Kapitän war nunmehr begraben und mochte vielleicht schon einen ziemlichen Weg zur Vergessenheit zurückgelegt gehabt haben, hätte nicht die Freundschaft des Herrn Alwerth dafür gesorgt, sein Andenken durch folgendes Epitaphium zu erhalten, welches von einem Manne von großem


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