Tom Jones. Генри Филдинг

Tom Jones - Генри Филдинг


Скачать книгу
selbst nehmen, indem wir selbst von demjenigen hingeben, was wir nicht ohne wesentliche Unbequemlichkeit missen können. Dies ist, glaube ich, verdienstlich; aber unsern Brüdern bloß von unserem Ueberfluß ihre Not erleichtern; barmherzig sein oder Nächstenliebe üben (ich muß das Wort brauchen) mehr auf Kosten unseres Geldkastens als auf unsere eigenen; lieber einige Familien vom Elend retten, als ein köstliches Gemälde in unserem Hause aufhängen, oder sonst eine von unsern thörichten und lächerlichen Eitelkeiten befriedigen, damit ist man nichts weiter, als ein bloßer Christ; ja, eigentlich nichts mehr, als ein bloßes menschliches Geschöpf. Noch mehr, ich wag' es noch weiter zu gehen, man ist damit gewissermaßen ein Epikuräer: denn was könnte der größeste Wollüstling mehr wünschen, als mit viel Mäulern statt mit Einem Munde zu essen! und dies, glaub' ich, kann man von jedem Manne sagen, der es weiß, daß das Brod vieler seine eigene Gabe ist.«

      »Was die Besorgnis betrifft, man möchte seine Wohlthaten an solche verschwenden, die ihrer nachher unwürdig befunden werden, wie das nicht selten geschehen sein mag, so kann solches gewiß keinen Mann abschrecken, freigebig zu sein: Ich denke nicht, daß ein paar oder auch viele Beispiele von Undankbarkeit einen Mann rechtfertigen können, wenn er sein Herz gegen die Leiden seiner Mitgeschöpfe verhärtet. Ich glaube auch nicht, daß sie auf einen wirklich wohlthätigen Mann jemals diese Wirkung thun werden. Nichts weniger als die Ueberzeugung von allgemeiner Verderbtheit der Menschen kann einem guten Mann die Liebe des Nächsten verleiden; und diese Ueberzeugung müßte ihn, wie ich denke, entweder zum Atheisten, oder zum Enthusiasten machen. Aber es ist gewiß unbillig, auf eine solche allgemeine Verderbnis aus dem fehlerhaften Betragen einiger wenigen Menschen zu schließen; auch hat es, glaube ich, noch nie ein Mann gethan, der, wenn er sein eigenes Herz untersuchte, darinnen nur eine einzige Ausnahme von der allgemeinen Regel bemerkte.« Hier beschloß er damit, daß er fragte, wer der Rebhuhn sei, den er einen unwürdigen Kerl genannt hatte.

      »Ich meine,« sagte der Kapitän, »Rebhuhn, den Barbierer, den Schulmeister, und was weiß ich alles? Rebhuhn, den Vater des Kindes, das Sie in Ihrem Bette fanden.« Herr Alwerth zeigte ein großes Erstaunen über diese Nachricht, und der Kapitän schien ebenso sehr verwundert darüber, daß er sie noch nicht wisse, denn er sagte, er habe es schon seit länger als einem Monat gewußt, und er schien sich mit vieler Mühe zu erinnern, daß er es durch Jungfer Wilkins erfahren habe.

      Hierauf wurde die Wilkins augenblicklich vorgefordert, und nachdem sie das, was der Kapitän gesagt, bestätigt hatte, ward sie von Herrn Alwerth, auf und mit des Kapitäns Rat, nach Kleinpaddington gesandt, um sich nach der Wahrheit der Sache zu erkundigen: denn der Kapitän bezeigte einen großen Widerwillen gegen hastiges Verfahren in Kriminalsachen, und sagte, er möchte um aller Welt willen nicht, daß Herr Alwerth einen Entschluß faßte, weder zum Nachteile des Kindes noch seines Vaters, bevor er nicht gewiß von der Schuld des letztern überzeugt wäre: denn, ob er gleich selbst für sich insgeheim diese Ueberzeugung von einem von Rebhuhns Nachbarn eingeholt hatte, so war er doch zu edelmütig, vor Herrn Alwerth dies Zeugnis abzulegen.

      Des Schulmeister Rebhuhns Verhör in Puncto Sexti; Zeugnis seiner Ehefrau; eine kurze Bemerkung über die Gesetze des Landes nebst andern ernsthaften Materien, die denen am meisten gefallen werden, die solche am besten verstehen.

      Man wundert sich vielleicht, daß eine so bekannte Geschichte, und welche so viel Geredes gemacht hatte, dem Herrn Alwerth selbst nie zu Ohren gekommen sei, welcher vielleicht der einzige in der ganzen Gegend war, der noch nichts davon vernommen hatte.

      Um dies dem Leser einigermaßen zu erklären, finde ich nötig, ihm zu berichten, daß im ganzen Britischen Reiche keinem Menschen weniger dran gelegen war, die Lehre von der neueren Bedeutung des Worts, Liebe des Nächsten, zu bestreiten, welche aus dem vorigen Kapitel erinnerlich sein wird, als unserem guten Manne, Herrn Alwerth. Er hatte wirklich gleiche Ansprüche auf diese Tugend, in welchem Sinne man sie nahm; denn, so wie kein Mensch die Bedürfnisse anderer schneller fühlte, oder williger war, ihnen abzuhelfen, so konnte auch niemand behutsamer in Ansehung ihres Leumunds, oder langsamer sein, irgend etwas zu ihrem Nachteile zu glauben.

      Verleumdung fand also niemals Zutritt bei seiner Tafel: denn so wie vorläufig schon bemerkt worden, wie man einen Mann aus seinem Umgang kennen kann; so erkühne ich mich zu sagen, daß, wenn man auf die Unterredung an den Tafeln eines vornehmen Mannes acht gibt, man sich von seiner Religion, seinem Patriotismus, seinem Geschmacke, mit einem Worte, von der ganzen Denkungsart des Mannes überzeugen könne; weil, obgleich einige Sonderlinge ihre Herzensmeinung allerorten frei heraussagen, doch die meisten Menschenkinder Hofschranzen genug sind, ihre Gespräche nach dem Geschmacke und den Neigungen ihrer vornehmen Gönner einzurichten.

      Um aber wieder zur Jungfer Wilkins zu kommen, so brachte diese, nachdem sie ihren Auftrag mit großer Eile, ungeachtet sie einen Weg von fünfzehn englischen Meilen hatte machen müssen, besorgt hatte, eine solche Bestätigung von dem Verbrechen des Schulmeisters mit, daß Herr Alwerth beschloß, den armen Sünder vorfordern zu lassen, und ihn viva voce zu vernehmen. Rebhuhn ward also vorgeladen, um seine Notdurft wahrzunehmen, und seine Verteidigung (falls er dergleichen wüßte) gegen die Anklage vorzubringen.

      Zur angesetzten Zeit erschien vor dem Herrn Alwerth, zu Paradise-Hall sowohl obgenannter Rebhuhn mit Anna seiner Ehefrau, als auch Jungfer Wilkins, seine Anklägerin.

      Nachdem sich Herr Alwerth auf seinen Richterstuhl gesetzt hatte, ward Rebhuhn vorgeführt. Nach deutlich vernommener Anklage aus dem Munde der Jungfer Wilkins behauptete er, unschuldig zu sein, und zwar that er solches mit großem Beteuern.

      Hierauf ward Anna Rebhuhn vernommen; die dann, nach einigem Lamentieren über den Notzwang, wider ihren eigenen Ehemann die Wahrheit bezeugen müssen, alle die Umstände erzählte, die dem Leser schon bekannt sind, und am Ende damit beschloß, daß ihr Mann gegen sie die That gestanden hätte.

      Ob sie ihm verziehen hatte oder nicht, das wage ich nicht zu beantworten; gewiß aber ist's, sie war in dieser Sache ein unwilliger Zeuge, und würde sich aus gewissen anderen Ursachen niemals haben dahin bringen lassen, wider ihn vor Gericht zu treten, hätte nicht Jungfer Deborah in ihrem eigenen Hause mit großer Kunst alles aus ihr herausgeholt, und hätte die ihr nicht das ausdrückliche Versprechen gegeben, und zwar in Herrn Alwerths Namen, ihres Mannes Strafe solle so ausfallen, daß seine Angehörigen ganz und gar nichts darunter litten.

      Rebhuhn verharrte beständig beim Leugnen, ob er gleich das oben von Zeugin erwähnte Geständnis als gethan erkannte, doch aber anders zu drehen suchte, indem er beteuerte, er sei dazu gezwungen worden, durch das unablässige Placken und Plagen, was er erleben müssen, wobei sie ihm noch zugeschworen hätte, sie wolle ihn, da sie gewiß wisse, er sei schuldig, so lange unaufhörlich quälen, bis ers gestünde, und dabei getreulich versprochen, ihm hernach kein Wort mehr darüber zu sagen. Hierdurch hätte er sich fälschlicherweise verleiten lassen, die That einzugestehen, ob er gleich unschuldig gewesen und noch sei; und glaubte er, sie hätte auf diese Art ihn zum Geständnis eines Mordes bringen können.

      Anna Rebhuhn konnte diese Bezichtigung nicht mit Geduld ertragen; da sie aber, an dem Orte hier, kein ander Gegenmittel hatte, als Thränen, rief sie davon einen zahlreichen Beistand hervor; wendete sich dann an Herrn Alwerth und sagte, oder vielmehr schluchzte: »Gnädiger Herr Richter, glauben mir 'R Gnaden, alle ihr' Leb's tage ist kein' arme Frau so g'mißhandelt als ich's werde, von dem schändl'chen Kerl da: 's ist nicht das Einz'gste mal, daß 'r mir falsch und untreu ist. Nein mit 'R Gnaden Wohlnehm'! er hat mein Eh'bett oft und manchmal besudelt. Ich hätt' ihm sein Saufen und Schwelgen und Versäum'n seiner Arbeit noch hingeh'n lassen, wenn 'r nicht eins der heil'gen zehn Gebote übertreten hätte; und wenn's nur noch außerm Hause gewesen wäre, so hätt' ich noch nicht so viel draus gemacht; aber'st mit meiner eigenen Magd, in meinen eignen vier Wänden, unter mein'm Dach, mein eignes keusches Eh'bett zu verunreinigen, denn das hat 'r gewiß mit seinen ruppigen Stinkhaaren gethan. Ja, du Lump, du! Du hast mein Ehebett besudelt, das hast du, und denn willst du mich beschuldigen, ich hätt' dich verblüfft, die Wahrheit zu bekennen. Ja, 'R Gnaden, er sieht mir auch darnach aus, daß ich'n verblüffen könnte! Ich trage die Zeichen an meinem eign'n Leichnam, die ich von seiner ochsigen Grausamkeit aufweisen kann. Wär'st du ein rechtl'cher Kerl gewesen,


Скачать книгу