Total Compensation. Frank Maschmann
2 Satz 3 MiLoG, wer in einem Arbeitsverhältnis ausschließlich periodisch Zeitungen, Zeitschriften oder Anzeigeblätter mit redaktionellem Inhalt an Endkunden zustellt. Die Ausnahme griff nicht für Briefzusteller, da diese auch Brief- und Paketpost übermitteln.70 Gleiches gilt für Personen, die Werbeblätter verteilen – und zwar unabhängig davon, ob diese einzeln oder zusammen mit anderen Wurfsendungen zugestellt werden.71
4. Sittenwidrige Lohnabreden
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Die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung des BAG zu § 138 BGB bleibt neben dem Mindestlohngesetz weiterhin anwendbar.72 Der Mindestlohn bildet eine abstrakte, grundsätzlich nicht dispositive Lohnuntergrenze, während § 138 BGB auf das konkrete Missverhältnis von Entlohnung und Arbeitsleistung abstellt.
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Noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit eine unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Vergütung sittenkonform ist. Das MiLoG selbst lässt in den §§ 22 und 24 Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht zu, sodass der Gesetzgeber Entlohnungen unter der mindestlohnrechtlichen Grenze von gegenwärtig brutto 9,19 EUR nicht per se als rechtswidrig erachtet haben kann. Wendet man die üblichen Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 138 BGB73 an, liegt die regelmäßige Annahme einer Sittenwidrigkeitsgrenze im Niedriglohnsektor bei 2/3 des Mindestlohns nahe.74 Teile der Literatur stellen dagegen mit dem Argument des Würdeschutzes unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 2 MiLoG auf eine höhere 75 %-Grenze ab.75 Andere fordern, unter Rückgriff auf das Berufsbildungsrecht, sogar die Etablierung einer 80 %-Schwelle.76 Wird die Sittenwidrigkeitsgrenze unterschritten, ist die Lohnabrede nach § 138 BGB unwirksam, mit der Folge, dass dem Arbeitnehmer gemäß § 612 BGB nicht nur der Mindestlohn, sondern die übliche Vergütung zusteht.77 Diese wird häufig über dem Mindestlohnniveau liegen und die Höhe des Tariflohns erreichen.
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Auch über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Entlohnungen können weiterhin sittenwidrig sein, soweit ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vergütung und Arbeitsleistung vorliegt.78 Es gilt die Drittellösung der höchstrichterlichen Rechtsprechung,79 wobei außerhalb des Niedriglohnsektors nicht auf den Mindestlohn, sondern auf die in der jeweiligen Branche üblichen Löhne abzustellen ist. Diese entsprechen der tariflichen Vergütung, wenn mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer in einem bestimmten Wirtschaftsgebiet tarifgebunden sind oder die tarifgebundenen Arbeitgeber im Vergleichsgebiet mehr als 50 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigen.80
11 Erfk-Preis, § 611 BGB Rn. 34 ff. 12 Lakies, § 1 MiLoG Rn. 2. 13 Viethen, NZA-Beil. 2014, 143, 144. 14 Diese sind als Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung keine Arbeitnehmer, vgl. § 16d Abs. 7 Satz 2 SGB II. 15 Jedoch besteht ein gewisser Schutz nach dem Heimarbeitsgesetz, vgl. §§ 4, 18 ff. HAG. 16 LAG Schleswig-Holstein 11.1.2016, 1 Sa 224/15, NZA-RR 2016, 291. 17 MASIG-Maschmann, 432 Rn. 9. 18 Zu Personen die in Behindertenwerkstätten beschäftigt sind: SJD, Rn. 86. 19 Bei derartig zahlreichen Ausnahmen von einem „allgemeinen“ Mindestlohn zu sprechen, entbehrt freilich nicht einer gewissen Ironie. Monierend diesbezüglich auch: Preis, in Ausschuss-Drs. 18(11)156, S. 81. 20 Zur Darlegungs- und Beweislast: Thüsing, § 22 MiLoG Rn. 8. 21 Vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 42. 22 Vertiefend: Lakies, § 22 MiLoG Rn. 33 ff.; Thüsing, § 22 MiLoG Rn. 19 ff. 23 Vgl. hierzu: Düwell/Schubert, § 22 MiLoG Rn. 50. 24 BT-Drs. 18/1558, S. 42. 25 Vgl. Pfeifer/Walden/Wenzelmann, BWP 2/2014, 48 ff. 26 Die Nichtgewährung des Mindestlohns an Jugendliche könnte einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellen. Siehe hierzu: Däubler, NJW 2014, 1924, 1925; SJD, Rn. 177; Thüsing, § 22 MiLoG Rn. 43; Ulber, ArbuR 2014, 404, 406; a.A. Barczak, RdA 2014, 290, 298. 27 In Betracht kommt eine mögliche Altersdiskriminierung nach Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG vom 27.11.2000, ABl. 2000 L 303/16. Vertiefend: Brors, NZA 2014, 938, 941; ErfK-Franzen, § 22 MiLoG Rn. 5. 28 Vgl. zum Begriff: § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 2 Satz 1 BUrlG, § 5 Abs. 1 BetrVG. 29 SJD, Rn. 183. 30 ErfK-Franzen, § 22 MiLoG Rn. 3. 31 Vgl. BAG 24.9.2002, 5 AZB 12/02, MDR 2003, 156. 32 Vgl. ErfK.-Koch, § 5 ArbGG Rn. 3. 33 BT-Drs. 18/2010, S. 15. 34 BT-Drs. 18/1558, S. 43. 35 Vgl. BT-Drs. 18/1558, S. 43. 36 Siehe dazu: § 3 Nr. 26 EStG. 37 Thüsing, § 22 MiLoG Rn. 48. 38 Vgl. Plagemann/Plagemann/Hesse, NJW 2015, 439, 444. 39 Siehe https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2015/zukunft-vertragsamateuregesichert.html (Stand: 31.1.2019). 40 Kritisch zu dieser Ausnahme: Düwell/Schubert, § 22 MiLoG Rn. 72, die treffend bemerken, dass die Norm einen Anreiz bietet, nicht länger als sechs Monate einzustellen („Drehtüreffekt“). Um dies zu vermeiden, müsse die Regelung als „arbeitsplatzbezogen“ angesehen werden. 41 BT-Drs. 18/1558, S. 43; dazu auch: Eichenhofer, ArbuR 2014, 450. 42 Es müssen alle Voraussetzungen des § 16 SGB III erfüllt sein. 43 Düwell/Schubert, § 22 MiLoG Rn. 66. 44 SJD, Rn. 198. 45 Vgl. MASIG-Maschmann, 432 Rn. 15; teilweise wird bereits eine Vergütung von weniger als 75 % bzw. 80 % des Mindestlohns als sittenwidrig erachtet, vgl. SJD, Rn. 155. 46 Forst, Zesar 2015, 205, 206; Hohnstein, NJW 2015, 1844, 1846; Sittard, NZA 2015, 78, 79; zum Spezialfall der 24-Stunden-Pflegekräfte in Privathaushalten siehe: Brors/Böning, NZA 2015, 846 ff. 47 Ausführlich hierzu: MASIG-Maschmann, 432 Rn. 7. 48 Pressemitteilung der EU-Kommission vom 19.5.2015: http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5003_de.htm (Stand: 31.1.2019). 49 Presseerklärung des BMAS v. 30.1.2015: http://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen/2015/2015-01-30-interismloesung-ml-im-reinen-lkw-transitverkehr.html (Stand: 31.1.2019).