SeitenSprünge | Erotischer Roman. Clarissa Thomas

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es. Wie in Zeitlupe verlor er jegliche Kontrolle über seine Mimik, über seine Gesten, über die Laute, die seinem Mund entsprangen und sich zu Schreien der Ektase erweiterten. Es war großartig, diesem Schauspiel beizuwohnen, und überwältigend, es verursacht zu haben.

      In dieser Nacht lernte Sam seine Lektion.

      ***

      Wie erwartet war es kein größeres Problem, ihn am nächsten Tag wieder loszuwerden. Direkt nach dem Aufstehen suchte Sam seine Sachen zusammen, zog sich an, gab mir einen Kuss, der zwar nicht völlig frei von Wehmut war, aber dann verschwand diese jüngste Eroberung angenehm standhaft aus meinem Leben. Braver Junge.

      Kurz nach seinem Abgang hörte ich erneut das leise Schnarren der Tür, dieses Mal war es Sasha, die zusammen mit ihrem festen Freund Erik die Wohnung betrat.

      Sasha war nicht nur meine Mitbewohnerin, sondern auch meine beste Freundin, und deshalb verzieh ich ihr sogar den Umstand, dass sie sich seit nunmehr elf Monaten auf den Pfad der dauerhaften Beziehungen begeben hatte. Früher waren wir beide Stammgäste in den besseren Clubs der Stadt gewesen, ganze Nächte hatten wir damit verbracht, uns die Männer gegenseitig zuzutreiben. Es war ein großartiger Spaß gewesen, doch schließlich platzte Sasha mit der Offenbarung heraus, nun den Richtigen gefunden zu haben.

      Der Richtige.

      Der, durch den alles anders wurde.

      Ich verstand mich eigentlich ganz gut mit Erik, er war wortgewandt und besaß die Gabe, seinem jeweiligen Gesprächspartner tatsächlich die Aufmerksamkeit zu geben, die dieser verdiente – eine Ausnahme unter Männern. Sasha hätte es also deutlich schlimmer erwischen können, und doch blieb Erik für mich immer mit dem Makel behaftet, dass er meine beste Freundin zu einem Leben in Treue, Dauerhaftigkeit und Langeweile bekehrt hatte.

      »Hi. Eine wilde Nacht gehabt, Amanda?«

      »The same procedure as every weekend, Sasha.«

      Ich musste furchtbar aussehen, also furchtbar für meine Verhältnisse: zerzaustes Haar, ungeschminkt, keine sündhaft teuren und sündhaft schönen Stoffe auf meiner Haut, nur ein schlabbriger Morgenmantel, Plüschpantoffeln und das Gefühl, nicht richtig dazuzugehören. Erik betrachtete mich belustigt.

      »Wir sind scheinbar ein wenig zu früh von unserem Ausflug zurückgekommen«, sagte er zu Sasha, und sie nickte.

      »Wir machen schon einmal das Frühstück, Amanda. Setz dich einfach dazu, wenn du magst.«

      Händchenhaltend und küssend verschwanden die beiden in der Küche. Ich konnte das nicht mit ansehen und verschanzte mich im Bad, wo mich eine kalte Dusche endgültig aus meinen verträumten Gedanken an die letzte Nacht riss. Als ich mich schließlich zu Sasha und Erik an den Tisch setzte, waren die beiden bereits mit Essen fertig und unterhielten sich über Wohnungen.

      »Letztens habe ich ein gutes Angebot gesehen, drei Zimmer, 70 Quadratmeter, die Miete fast geschenkt. Vielleicht sollten wir einen Besichtigungstermin ausmachen.«

      Plötzlich wurde ich hellhörig. »Wollt ihr etwa zusammenziehen?«

      »Ja, ich denke schon«, sagte Sasha, und fast bildete ich mir eine gewisse Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme ein, als würde sie heimlich all den verrückten Nächten hinterhertrauern, die wir gemeinsam, frei und ungebunden, auf den Tanzflächen und in den Bars der Stadt verbracht hatten. Das würde nun endgültig Geschichte sein – eine gemeinsame Wohnung war gewissermaßen das Eheversprechen unserer Generation. Wollt ihr euch die Miete teilen, bis dass der Tod euch scheidet? Den andern lieben, auch wenn er das Bad blockiert und hinterher Bartstoppel im Waschbecken liegen? Treu sein und sorgsam, wenn es um den Abwasch, die Wäsche, das Staubsaugen geht?

      »Aber ihr seid gerade einmal ein paar Monate zusammen«, gab ich zu bedenken.

      »Fast ein Jahr. Und wir lieben uns«, erwiderte Sasha, und ich beschloss, von jetzt an besser gar nichts mehr zu sagen, sonst käme mir vielleicht noch der Toast mit Honig wieder hoch, auf dem ich gerade lustlos herumkaute.

      »Was ist mit dir, Amanda?«, fragte Erik, doch ich reagierte zunächst nicht auf ihn.

      »Wünschst du dir nicht auch ... etwas Längerfristiges?«

      Wären seine Worte nicht so wunderbar naiv gewesen, hätte ich seinen Kopf direkt in die halbleere Müslischale getaucht, die vor ihm auf dem Tisch stand.

      »Amanda hat es nicht so mit Längerfristigem. Sie will unabhängig sein. Keine Verantwortung übernehmen müssen.«

      Im Kern traf Sasha meine Einstellung schon richtig, nur sprach sie davon, als wäre Unabhängigkeit und keine Verantwortung etwas Negatives.

      »Aber tief in seinem Inneren sehnt sich doch jeder nach einem Menschen, bei dem er zu Hause sein kann. Nach einem Menschen, den man liebt.«

      Jetzt sprach Erik auch noch wie ein Priester. Ich nahm meinen Teller, entschuldigte meine temporäre Menschenscheu und verzog mich in mein Zimmer. Von mir aus konnten sie den kompletten Tag mit ihren kindlichen Vorstellungen von Liebe und Treue verbringen, aber sie sollten bloß nicht auf den Gedanken kommen, mich auch mit diesem Virus zu infizieren.

       Zweiter Sprung

      Ich war fünfzehn Jahre alt und sehr verliebt.

      Den ganzen Sommer über war ich in das nahegelegene Freibad gegangen, hatte fast täglich meine Bahnen zurückgelegt und mich dann in das kurze, stachelige Gras fallen lassen, um in der Sonne zu trocken. Dabei war ich keineswegs eine Wasserratte. Vielmehr war mir ein Junge aufgefallen, der das Schwimmen mit scheinbar sportlichem Ehrgeiz betrieb, was seinem Körper erheblich zugutekam. Er war etwas älter als ich, hatte kurze schwarze Haare und ein Gesicht, das ich Zeit meines Lebens nicht mehr vergessen würde; in ihm kombinierten sich Härte und Sanftheit, und wenn es mir einmal gelang, seinen Blick zu fangen, ging mir ein nervöses Zittern durch den ganzen Körper.

      Nachts, allein in meinem Zimmer, trat dieses Zittern wieder auf, es wanderte in Wellen von meinem Herzen herab bis zu meinem Schoß. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als meine Finger an die Stelle zu bewegen, die scheinbar das Ziel meiner neuartigen Gefühle waren. Zuerst zögernd, dann immer fester fuhr ich durch den zarten Flaum meiner Scham, und ich begann meine Gedanken schweifen zu lassen. Wie von selbst kamen sie immer wieder auf den Jungen aus dem Freibad zurück, und ich stellte mir vor, dass seine starke Hand es wäre, die dort unten meine Feuchtigkeit erfühlen würde.

      Eines Tages – der Sommer neigte sich seinem Ende zu, und ich wusste, dass mir die Zeit knapp wurde –, nahm ich all meinen Mut zusammen und simulierte im Wasser einen Krampf. Ich hoffte, dass der alte, unappetitliche Bademeister, der dazu neigte, Mädchen nach erbrachter Rettungsleistung noch etwas zu befummeln, mein dilettantisches Fast-Ertrinken nicht bemerkte. Mein Plan ging auf. Der Junge entdeckte meine Hilfe suchenden Blicke zuerst, schwamm zu mir herüber und half mir an den Rand des Beckens.

      »Hast du dich nicht richtig aufgewärmt?«, war der erste Satz, den er zu mir sagte, und keine noch so herausragende Liebeserklärung hätte in meinen Ohren schöner klingen können wie diese banale Frage.

      Ich stieg aus dem Wasser, der Junge folgte mir. Ich gab mir große Mühe mit einer Mischung aus attraktivem Hüftschwung und leichtem Humpeln (schließlich hatte ich soeben noch unter einem furchtbaren Krampf gelitten). Das Ergebnis war jedenfalls, dass sich der Junge neben mich in das Gras fallen ließ und mich nach meinem Namen fragte.

      »Ich heiße Amanda. Und du?«

      »Julian. Du kommst öfter hierher, stimmt’s?«

      »Ja. Ich schwimme sehr gern, du wahrscheinlich auch.«

      »Es ist die beste Möglichkeit, meinen Eltern aus dem Weg zu gehen.«

      »Sind deine Eltern so schlimm?«

      Das war vielleicht nicht der beste Einstieg für einen Flirt, aber ich war fünfzehn und verliebt, da stört man sich nicht an Details im Gesprächsverlauf. Julian erzählte mir noch einiges von seiner Familie, und dass er einen größeren Bruder hatte, der mit seinen Schwimmfähigkeiten bereits einige Medaillen


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