SeitenSprünge | Erotischer Roman. Clarissa Thomas

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sich in mir zu verflüssigen, ließ mich jeden Gedanken an einen Coitus interruptus so schnell wie möglich verdrängen. Andrej war also bisher nicht in den Genuss gekommen, mein Königreich einmal ohne den Filter sterilen Gummis erkunden zu können – doch ohne diese Erfahrung durfte er einfach nicht in sein kleines russisches Dorf zurückkehren.

      Ich brachte all meinen Mut zusammen, um meine Mutter zu der Unterschrift zu überreden, die ich für den Frauenarzt benötigte. Erst lachte sie, dann verhärtete sich ihre Mimik, doch schließlich grinste sie mich an und sagte, während der Stift über das Papier wanderte: »Wir waren doch alle einmal jung. Aber dass mir hinterher keine Klagen kommen.«

      Mit der ersehnten Packung Tabletten in meiner Tasche kam ich mir unglaublich erwachsen vor. Während meine Schulfreundinnen selbst ein paar Kondome vor ihren Eltern versteckten, als wären es Drogen, hatte ich die offizielle Legitimation, meiner Lust nachzugehen. Andrej verriet ich davon zunächst nichts. Unser Spiel des Verzichts dauerte an, und auch wenn ich bisweilen große Lust verspürte, ihm die Kleidung vom Leib zu reißen und sein starkes Glied zwischen meinen Lippen zu spüren, hielt ich mich weiterhin zurück.

      In der Nacht, die unsere Letzte sein sollte, trafen wir uns bei mir. Damals hielt ich es für einen erstaunlichen Zufall, dass meine Eltern ausgerechnet in dieser Zeit einen immer wieder abgesagten Besuch bei meinen Tanten nachholten, und ich mich somit gänzlich ungestört von Andrej verabschieden konnte ... Ich würde ihnen für diese Verwandtschaftsvisite ewig dankbar sein.

      ***

      Andrej roch unwiderstehlich gut, als ich ihn auf der Veranda in meine Arme schloss. Sofort vergrub ich mein Gesicht an seinen starken Schultern, und er nutzte die Chance, um meinen Hals zu küssen.

      »Es brachte mich fast um den Verstand, dir so nahe zu sein, ohne mit dir schlafen zu können.«

      Seine Stimme war tief und ernst, und einmal mehr gab er mir das Gefühl, Teil von etwas Großartigem zu sein. Ich wusste, dass er mich mehr vermissen würde als ich ihn, aber das tat nichts zur Sache – von dieser Nacht und ihren Zärtlichkeiten würden wir beide noch lange zehren, ob nun allein oder mit einem neuen, anderen Partner.

      »Gehen wir auf dein Zimmer?«, fragte Andrej, doch ich hielt ihn noch ein wenig hin.

      »Lass uns zunächst einen Abstecher ins Esszimmer machen, ich habe da etwas vorbereitet.«

      Ich bat ihn, sich an die Kopfseite des langen Tisches zu setzen, dann verband ich ihm die Augen mit einem dunklen Seidentuch, sodass er nicht mehr das Geringste sehen konnte. Schließlich holte ich aus dem Kühlschrank mehrere Köstlichkeiten.

      »Du musst dreimal richtig raten.«

      »Und dann?«

      »Dann darfst du mir in mein Zimmer folgen und mit mir anstellen, was immer du möchtest.«

      Unruhig rutschte Andrej auf seinem Platz hin und her.

      »Bereit für die erste Kostprobe?«

      Schnell fand er heraus, was ich ihm vorsichtig in den Mund gelegt hatte. »Das ist einfach. Kirsche.«

      »Richtig. Nun erhöhen wir den Schwierigkeitsgrad ein wenig.«

      Dieses Mal kaute er länger, dachte nach, bat noch einmal um einen Nachschlag, kaute erneut, und sagte dann: »Ist es ... Bitterschokolade mit Traube?«

      »Sehr gut. Und hier kommt Nummer Drei. Wenn du auch dieses Mal richtig rätst, erlöse ich dich von deiner Augenbinde.«

      Meine Hand glitt an meinem Körper herunter, weit unter den Bund meines Rockes, und als sie wieder heraufkam, steckte ich Andrej meinen Zeigefinger, der ganz feucht geworden war, in den Mund. Seine Gesichtszüge veränderten sich. Ich spürte seine Zunge, und wie er versuchte, etwas an mir zu saugen.

      »Mehr bitte.«

      Ich gab ihm eine weitere Probe meiner Erregung, und der Geschmack verfehlte seine Wirkung nicht.

      »Du bist es. Du und dein wunderbarer Körper, der mir nicht mehr aus dem Sinn geht.«

      Ich nahm Andrej die Augenbinde ab, setzte mich auf seinen Schoß und küsste ihn lange. Unter mir spürte ich, wie etwas beträchtlich wuchs, und ich hatte große Lust, ihm seine Freiheit zu gewähren.

      »Jetzt«, flüsterte ich in Andrejs Ohr, und er stand auf, mich auf seinen Armen tragend, und brachte uns beide hinauf in mein Zimmer. Er legte sich auf das Bett, während ich mich so langsam wie nur möglich vor ihm auszog. Sein Blick folgte jeder meiner Bewegungen.

      »Amanda, ich weiß nicht, wie ich es ohne dich aushalten soll.«

      Mein Oberteil landete auf dem Boden.

      »Wir sind füreinander bestimmt.«

      Mein Rock fiel herunter.

      »Nur mit dir kann ich glücklich werden.«

      Ich öffnete den Verschluss meines BHs und kletterte, nur noch mit einem roten Spitzenhöschen bekleidet, zu Andrej in das Bett.

      »Amanda, ich denke, ich lie-«

      Mit meinen Lippen versiegelte ich seinen Mund. Ich griff nach seinen Händen und legte sie auf meine Brüste, und erst, als ich spürte, dass die Erregung ihm seine Worte ausgetrieben hatte, löste ich unseren Kuss wieder. Ich wollte ihn, und nicht irgendein schwerwiegendes emotionales Geständnis, das ihm schon morgen peinlich wäre.

      Andrej zog mir auch noch das letzte Stückchen Stoff von meinem Körper, dann kniete er sich zwischen meine Beine und schrieb mit seiner Zunge Worte, die nur er lesen konnte, auf meine feuchte Scham.

      »Schlaf mit mir«, sagte ich, und als Andrej nach den Kondomen griff, nahm ich ihm die Packung aus der Hand und warf sie in das andere Ende des Raumes.

      »Die werden wir heute nicht brauchen. Ich möchte dich spüren, Andrej.«

      Es machte mich stolz zu sehen, welche Wirkung ich auf ihn hatte. Wo sonst der reife, durch nichts aus der Ruhe zu bringende Blick lauerte, um seine Umwelt zu beobachten, war jetzt nur blanke Gier. Andrej war gierig, gierig auf mich, alles in ihm drängte danach, es mit mir zu tun, mich vollkommen auszufüllen, um seinen unbändigen Durst zumindest für kurze Zeit zu stillen. Er drang in mich ein und setzte all seine Kraft in die entschlossenen, unaufhaltsamen Bewegungen, mit denen er unsere Körper verband.

      Wenn ich an diese Nacht denke, erscheint sie mir wie ein einziger Moment des absoluten Rausches, doch dieser Moment muss Stunden angedauert haben. Andrej ließ nichts an mir aus, keine Stelle an meinem Körper, keinen Millimeter meiner Haut. Unsere Wahrnehmung, unser Empfinden verschwamm zu einer großen Einheit, und ich kann mir nicht vorstellen, dass andere Menschen je etwas Vergleichbares gefühlt haben wie Andrej und ich bei unserem Abschied. Als er mich das letzte Mal nahm, zeigte sich auf seinem Gesicht ein Anflug von Trauer, und das gab seinem großen, finalen Höhepunkt etwas Tragisches.

      Ich versuchte zu weinen, aber ich konnte es nicht.

       Vierter Sprung

      »Amanda, du träumst.« Jolie, meine liebste Kollegin, rettete mich gerade noch rechtzeitig vor dem Strudel der Erinnerung. Ich war keine sechzehn mehr. Andrej war lange fort und würde irgendwo in einem fernen Landstrich mit einer hübschen ­Bäuerin Kühe melken. Real war nur, was hier und jetzt geschah, und das war hauptsächlich das Blinken des Cursors auf dem Bildschirm vor mir, der nervös auf weitere Eingaben wartete.

      »Ich hab dir auch einen Kaffee gemacht.«

      Jolie war die Beste. Sie stellte die Tasse auf meinen Schreibtisch, dann wackelte sie mit einem ganzen Schwung Aufzeichnungen in den Kopierraum.

      »Und vergiss nicht den Termin in fünf Minuten«, rief sie mir noch zu, bevor die Tür hinter ihr zuschlug.

      Ich hasste Montage. Nicht etwa, weil mit ihnen unweigerlich eine neue Arbeitswoche ihren Anfang nahm, sondern weil mein Chef darauf beharrte, eben an diesem Tag seine regelmäßigen und langatmigen Dienstbesprechungen abzuhalten. Die versammelte Mannschaft saß dann um einen großflächigen Tisch herum, spielte mit Kulis, rührte in einer


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