Kinderärztin Dr. Martens 67 – Arztroman. Britta Frey

Kinderärztin Dr. Martens 67 – Arztroman - Britta Frey


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der breiten Freitreppe und den vielen Fenstern strahlte das Gebäude ruhige Heiterkeit aus. Und doch verbarg sich hinter seinen Mauern das Leid vieler Kinder.

      Ein Team von elf Kinderkrankenschwestern und Ärzten und Ärztinnen gaben ihr bestes, um den Kindern die Gesundheit wiederzugeben oder ihr Leiden zumindest zu lindern.

      An der Spitze der Ärzteschaft standen der Chefarzt und Kinderchirurg Dr. Kay Martens und seine Schwester, die Chefärztin und Kinderärztin Dr. Hanna Martens.

      Die Geschwister hatten die Kinderklinik vier Jahre zuvor übernommen. Sie hatten nicht nur einen hervorragenden fachlichen Ruf, sondern sie besaßen auch die seltene Gabe, sich in die Seele eines Kindes hineinversetzen zu können.

      Dr. Klaus Mettner hatte in der Kinderklinik Birkenhain die Stelle eines Neurologen inne. Sein Verhältnis zum Chef und zur Chefin, wie er Dr. Kay Martens und Dr. Hanna Martens kurz und bündig nannte, könnte nicht besser sein.

      Als Dr. Mettner zur Aufnahme kam, sagte er zum Hausmeister Martin Schriewers: »Guten Tag, Herr Schriewers. Da bin ich also. Haben der Chef oder die Chefin das Baby schon gesehen?«

      Der Hausmeister schüttelte den Kopf. »Leider war das bisher noch nicht möglich, Herr Dr. Mettner. Der Chef ist beim Operieren. Ein Junge ist vom Baum gefallen und hat sich die Hüfte gebrochen. Die Frau Doktor ist heute nachmittag gar nicht in Ögela, soviel ich weiß. Wenn es nicht unbedingt nötig gewesen wäre, hätte ich Sie bestimmt nicht angerufen. Es tut mir wirklich leid, daß ich Sie von der Geburtstagsfeier Ihrer kleinen Tochter wegholen mußte«, versicherte der Hausmeister noch einmal.

      »Ich bin Arzt, und da muß das Privatleben hinter dem Beruf zurückstehen. Anders geht es nicht. Wo ist denn die Dame mit dem Baby?« erkundigte sich Dr. Mettner.

      »Schwester Elli hat sie erst einmal in die Notaufnahme gebracht«, berichtete der Hausmeister.

      »Gut. Vielen Dank. Dann weiß ich Bescheid«, erwiderte der Arzt. Er durchquerte mit schnellem Schritt die Halle und trat durch eine hohe Glastür in den Medizinischen Trakt der Kinderklinik. Die Notfallaufnahme lag auf der rechten Seite eines Ganges, von dem mehrere Türen abgingen.

      Gleich darauf stand Dr. Mettner der Mutter gegenüber, die ihr krankes Baby auf dem Arm hielt. Sie war klein und schmal und hatte ein sehr ausdrucksvolles Gesicht, das von wilden schwarzen Locken umrahmt war. Ihre Augen waren dunkel vor Angst. Auf dem Arm hielt sie einen Säugling, der leise vor sich hin wimmerte.

      *

      »Guten Tag, mein Name ist Mettner«, stellte sich Dr. Klaus Mettner vor.

      »Von Wölfel – Angela von Wölfel! Und das ist mein Sohn Claudius. Schauen Sie nur, wie er aussieht. Seit gestern hat er diesen Ausschlag. Ich dachte, es würde wieder weggehen. Aber es wird immer schlimmer«, berichtete Angela.

      »Legen Sie den Kleinen doch bitte dort auf die Unterlage und ziehen Sie ihn aus, damit ich ihn untersuchen kann«, bat der Arzt mit ruhiger und freundlicher Stimme.

      Die Frau nickte. Sie zog ihrem Baby erst das Jäckchen und das Hemd aus und befreite es danach von seinen Windeln. Der Arzt merkte, daß ihre Hände dabei zitterten.

      »Na, mein Kleiner«, sagte er zu dem Baby, als es nackt auf dem Wickeltisch lag.

      Das Kind hörte plötzlich auf zu wimmern und steckte die Finger seiner rechten Hand in den Mund. Dabei sah es mit großen Augen zu dem Arzt auf.

      »Na, das tut dir bestimmt weh«, fuhr der Arzt fort, während er die Beinchen des Kindes hochhob. Der ganze Unterleib und Po des Jungen waren mit roten geschuppten Stellen bedruckt. Die gleichen Stellen, wenn auch nicht ausgeprägt, waren auf dem Kopf und der Brust des Babys zu sehen.

      »Herr Doktor, mein Sohn ist alles, was ich habe. Er ist mein Leben. Es darf ihm nichts passieren«, flüsterte die Frau.

      Der Arzt zog dem Kleinen wieder das Hemdchen über. »Ihr Kind wird bald wieder gesund sein«, versicherte er der Mutter.

      »Ist das wahr? Ist das wirklich wahr?« fragte sie.

      Gegen seinen Willen mußte Dr. Mettner lächeln. »Ist das auch wirklich wahr?« So fragten ihn oft seine beiden kleinen Töchter, wenn ihnen etwas allzu unwahrscheinlich erschien.

      »Ja, es ist wirklich wahr. Ihr Sohn leidet unter einer Hautkrankheit mit dem Namen Dermatitis seborrhoides. Zum Glück ist diese Krankheit weniger schrecklich, als es ihr Name vermuten läßt«, berichtete der Arzt.

      Angela von Wölfel starrte Dr. Mettner an. Plötzlich löste sich in ihrem Gesicht die Spannung. In ihren Augen leuchtete es auf. »Es ist also nichts Schlimmes?« meinte sie.

      Der Arzt schüttelte den Kopf. »Dermatitis seborrhoides findet sich recht häufig in den ersten drei Lebensmonaten«, erwiderte er.

      »Aber was kann ich dagegen tun?« wollte die junge Mutter wissen.

      »Bewährt haben sich Cremes und Pasten mit bestimmten Zusätzen. Ich werde Ihnen einige dieser Präparate mitgeben. Wichtig ist auch eine sachgemäße Körperpflege. Sie sollten darauf achten, daß Ihr Kind nur Kleidung aus Naturfasern trägt und dem Badewasser entzündungshemmende Mixturen zusetzen. Auch davon gebe ich Ihnen gleich ein Präparat mit«, versprach der Arzt.

      »Sie sind wirklich nett. Ach, wenn Sie wüßten, wie erleichtert ich bin. Ich habe mir so große Sorgen gemacht«, gestand Angela von Wölfel, während sie ihren Jungen wieder anzog und auf den Arm nahm.

      »Wenn mit dem Kleinen wieder einmal etwas sein sollte – was ich nicht hoffe – kommen Sie bitte gleich in die Klinik. Wohnen Sie hier bei uns in Ögela?« erkundigte sich Dr. Mettner unvermittelt.

      Angela lächelte und küßte ihr Baby zärtlich auf die Stirn. »Nur vorübergehend. Ich bin Malerin und habe für den Sommer ein kleines Häuschen am Waldrand gemietet. Claudius ist noch in einem Alter, in dem er sehr viel schläft. Während der Zeit male ich. Ich bin ganz verliebt in die Heidelandschaft rund um Ögela und möchte am liebsten alles malen, was ich sehe«, berichtete sie.

      »Ja, unsere Lüneburger Heide ge­hört sicherlich mit zu den schönsten Flecken in ganz Deutschland«, bestätigte Dr. Mettner.

      »Stammen Sie denn aus Ögela?« wollte Angela wissen.

      »Nein, ich bin in Hamburg aufgewachsen. Meine Eltern leben noch immer dort«, erwiderte der Arzt.

      »In Hamburg!« sagte Angela und war plötzlich ganz lebhaft. »Da komme ich auch her. Ich habe bald in einer Hamburger Kunstgalerie eine große Ausstellung meiner Heidebilder. Sie müssen unbedingt bei der Eröffnung dabei sein«, bestimmte Angela.

      Dr. Mettner lachte. »Das kann ich leider nicht versprechen. Nicht nur, weil ich beruflich sehr eingespannt bin. Ich habe auch noch meine Familie hier, meine Frau und meine Kinder«, erklärte er.

      Angela ging mit dem Baby auf dem Arm zur Tür. »Ich schicke Ihnen trotzdem eine Einladung. Und vielen Dank noch einmal.«

      »Warten Sie, Frau von Wölfel. Ich wollte Ihnen doch noch die Präparate mitgeben«, erinnerte sich der Arzt.

      »Wie konnte ich das nur vergessen. Draußen vor der Tür hätte ich es aber bestimmt gemerkt«, versicherte Angela.

      Dr. Mettner ging zum Telefon und rief im Schwesternzimmer an. Als sich gleich darauf Schwester Jenny meldete, nannte er ihr die Namen der Medikamente, die sie ihm in die Notfallaufnahme bringen sollte.

      Dr. Mettner sah auf seine Armbanduhr. Es war über eine Stunde her, seit er die Geburtstagsfeier seiner Tochter verlassen hatte. Mit weit ausholendem Schritt verließ er den Klinikpark. Nachdem er etwa fünfhundert Meter die Dorfstraße von Ögela hinuntergegangen war, bog er in die schmale Seitenstraße ein, an deren Ende das Haus stand, in dem er mit seiner Familie wohnte.

      Er durchquerte den kleinen Vorgarten mit den hübschen Blumenbeeten, ging um das Haus herum und kam in den Obstgarten, wo die Geburtstagsfeier seiner kleinen Tochter stattgefunden hatte.

      Zu seiner großen Überraschung war kein Geburtstagsgast mehr da. Auch Inka und Ramona waren nicht


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