Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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Krieg vorbei ist. Da haben sie sich aber sakramentisch getäuscht, und auch ihr alle werdet euch sakramentisch täuschen. Noch nach zwanzig Jahren werdet ihr aus dem Schlaf schreien, wenn ihr davon träumen werdet, wie ihr bei mir simuliert habt.«

      »Melde gehorsamst, Herr Oberarzt«, ertönte es leise aus einem Bett beim Fenster, »ich bin schon gesund, ich hab schon in der Nacht gemerkt, daß mir der Stickhusten vergangen is.«

      »Sie heißen?«

      »Kovařik, melde gehorsamst, ich soll ein Klistier bekommen.

      »Gut, das Klistier bekommen Sie noch auf den Weg«, entschied Doktor Grünstein, »damit Sie sich nicht beschweren, daß wir Sie hier nicht behandelt haben. So, und jetzt alle Maroden, die ich vorgelesen habe, dem Unteroffizier nach, damit jeder bekommt, was ihm gebührt.«

      Und jeder bekam auch eine redliche Portion, wie sie ihm vorgeschrieben war. Und wenn sich einige bemühten, auf die Vollstrecker der ärztlichen Befehle durch Bitten oder die Drohung einzuwirken, daß sie, die Patienten, sich auch zur Sanität melden und ihre Peiniger ihnen vielleicht einmal in die Hände fallen könnten, Schwejk verhielt sich tapfer.

      »Schon mich nicht«, forderte er jenen Schergen auf, der ihm das Klistier gab, »denk an deinen Eid. Selbst wenn dein Vater oder dein eigner Bruder hier liegen möcht, gib ihnen ein Klistier, ohne mit der Wimper zu zucken. Denk dir, daß Österreich auf solchen Klistieren ruht, und der Sieg ist unser.«

      Am folgenden Tag bei der Visite fragte Doktor Grünstein Schwejk, wie es ihm im Militärspital gefalle.

      Schwejk entgegnete, daß es ein gutes, erhabenes Unternehmen sei. Zur Belohnung erhielt er dieselbe Behandlung wie gestern, nebst einem Aspirin und drei Pulvern Chinin, die man ihm ins Wasser schüttete, worauf er sie sofort austrinken mußte.

      Nicht einmal Sokrates hat den Giftbecher mit solcher Ruhe ausgetrunken wie Schwejk, an dem Doktor Grünstein alle Grade der Folter ausprobierte, das Chinin.

      Als man Schwejk in Anwesenheit des Arztes in ein nasses Leintuch wickelte, antwortete er auf die Frage, wie ihm dies gefalle: »Melde gehorsamst, Herr Oberarzt, es is wie auf der Schwimmschule oder im Seebad.«

      »Haben Sie noch Rheuma?«

      »Melde gehorsamst, Herr Oberarzt, es will nicht und nicht besser wern.«

      Schwejk wurde einer neuen Tortur unterworfen.

      Zu jener Zeit wandte die Witwe nach einem General der Infanterie, Baronin von Botzenheim, große Bemühungen daran, jenen Soldaten ausfindig zu machen, über den die »Bohemia« kürzlich einen Artikel veröffentlicht hatte, der schilderte, wie er, der Krüppel, sich in einem Krankenwagerl zur Assentierung fahren ließ und: »Auf nach Belgrad!« rief, was der Redaktion der »Bohemia« Anlaß zu einer Aufforderung an ihre Leser gab, Sammlungen zugunsten des loyalen verkrüppelten Helden zu veranstalten.

      Schließlich wurde auf Grund einer Anfrage bei der Polizeidirektion festgestellt, daß es sich um Schwejk handle, und das Weitere ließ sich dann schon leicht erforschen. Baronin von Botzenheim packte ihre Gesellschafterin und ihren Kammerdiener samt einem Korb zusammen und fuhr auf den Hradschin.

      Die arme Baronin wußte nicht einmal, was es bedeutet, wenn jemand im Spital des Garnisonsarrestes liegt. Ihre Visitkarte öffnete ihr die Türe des Gefängnisses, in der Kanzlei kam man ihr ungemein höflich entgegen, und schon fünf Minuten später wußte sie, daß »der brave Soldat Schwejk«, nach dem sie fragte, in der 3. Baracke, Bett Nummer 17 lag. Doktor Grünstein selbst, der wie vor den Kopf geschlagen war, begleitete sie.

      Schwejk saß gerade nach der täglichen, von Doktor Grünstein verordneten Prozedur auf dem Bett, umringt von einer Gruppe abgezehrter und ausgehungerter Simulanten, die sich bisher nicht ergeben hatten und zähe mit Doktor Grünstein auf dem Schlachtfeld absoluter Diät kämpften.

      Hätte sie jemand belauscht, dann hätte er den Eindruck gewonnen, daß er sich in der Gesellschaft von Gourmands, in einer höheren Kochschule oder in Feinschmeckerkursen befinde.

      »Sogar die ordinären Rindsfettgrieben kann man essen«, erzählte gerade einer, der hier mit einem »veralteten Magenkatarrh« lag, »wenn sie warm sind. Wenn das Rindsfett kocht, drückt man sie aus, bis sie trocken sind, salzt sie, pfeffert sie, und ich sag euch, Gänsegrieben sind nicht so gut.«

      »Laßt nur gut sein«, sagte der Mann mit dem »Magenkrebs«, »über Gänsegrieben kommt nichts. Was kann man gegen sie mit Schweinsgrieben aufstecken? Sie müssen selbstverständlich goldbraun ausgekocht sein, so wies die Juden machen. Die nehmen eine fette Gans und ziehn das Fett samt der Haut ab und kochens aus.«

      »Wissen Sie, daß Sie sich in bezug auf die Schweinsgrieben irren?« bemerkte Schwejks Nachbar, »ich mein natürlich Grieben aus hausgemachten Fetten, was man so hausgemachte Grieben nennt. Nicht braungefärbt, aber auch nicht gelb. Es muß etwas zwischen diesen beiden Schattierungen sein. So eine Griebe darf weder zu weich noch zu hart sein. Sie darf nicht knusprig sein, sonst ist sie verbrannt. Sie muß auf der Zunge zerfließen, und man darf dabei nicht den Eindruck haben, daß einem das Fett übers Kinn hinunterfließt.«

      »Wer von euch hat schon Grieben aus Pferdefett gegessen?« ließ sich eine Stimme vernehmen, jedoch niemand antwortete, weil der Sanitätsunteroffizier hereingelaufen kam. »Alle ins Bett, eine Erzherzogin kommt her, daß niemand die schmutzigen Füße unter der Decke heraussteckt!«

      Nicht einmal eine Erzherzogin hätte so würdevoll eintreten können, wie es Baronin von Botzenheim tat. Hinter ihr wälzte sich eine ganze Eskorte, in der nicht einmal der Rechnungsfeldwebel des Spitals fehlte, der in diesem Besuch die geheime Hand der Revision sah, die ihn vom fetten Trog im Hinterland reißen und vor die Drahtverhaue den Schrapnells zur Beute werfen würde.

      Er war blaß, aber noch blässer war Doktor Grünstein. Ihm tanzte die kleine Visitkarte der alten Baronin mit dem Titel »Generalswitwe« vor Augen samt allem, was damit verbunden sein konnte, wie Konnexionen, Protektion, Beschwerden, Versetzung an die Front und andere fürchterliche Dinge.

      »Hier haben wir den Schwejk«, sagte er, eine künstliche Ruhe bewahrend, indem er Baronin von Botzenheim an Schwejks Bett führte, »er verhält sich sehr geduldig.«

      Baronin von Botzenheim setzte sich auf den herbeigeschobenen Stuhl an Schwejks Bett und sagte in gebrochenem Tschechisch: »Tscheski Soldat, brav Soldat, Kripplsoldat sein tapfere Soldat, hab moc gern tscheski Österreicher.«

      Dabei streichelte sie Schwejks unrasierte Wangen und fuhr fort: »Alles in Zeitung gelesen, ich Ihnen bringen Papat, Tabak, Zuzat, tscheski Soldat, brav Soldat, Johann, kommen Sie her!«

      Der Kammerdiener, der mit seinem struppigen Kaiserbart an den Raubmörder Babinsky erinnerte, schleppte einen umfangreichen Korb ans Bett, während die Gesellschafterin der alten Baronin, eine große Dame mit verweintem Gesicht, sich auf Schwejks Bett setzte und ihm das Strohpolster unter dem Rücken zurechtrückte, mit der fixen Idee, daß man dies kranken Helden tun müsse.

      Die Baronin zog inzwischen die Geschenke aus dem Korb. Ein Dutzend gebratener Hühner, in rosa Seidenpapier gewickelt und mit schwarzgelben seidenen Schleifen umwunden, und zwei Flaschen eines Kriegslikörs mit der Etikette »Gott strafe England!«. Auf der andern Seite war auf der Etikette Franz Josef mit Wilhelm zu sehen, wie sie sich an den Händen hielten, als wollten sie das Spiel spielen »Häschen in der Grube saß und schlief, armes Häschen, bist du krank, daß du nicht mehr hüpfen kannst?«.

      Dann zog sie drei Flaschen Wein für Rekonvaleszenten und zwei Schachteln Zigaretten aus dem Korb. Das alles breitete sie elegant auf dem leeren Bett neben Schwejk aus und legte noch ein schön gebundenes Buch dazu »Begebenheiten aus dem Leben unseres Monarchen«, ein Werk des jetzigen, überaus verdienten Chefredakteurs unseres Amtsblattes »Die Tschechoslowakische Republik«, der den alten Franz abgöttisch liebte.

      Dann legte sie auf das Bett ein Paket Schokolade, ebenfalls mit der Aufschrift »Gott strafe England!« und ebenfalls mit den Photographien des österreichischen und deutschen Kaisers geschmückt. Auf der Schokolade hielten sie einander nicht mehr an der Hand,


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