Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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gedenke. Ein elegantes und sehr passendes Geschenk für die Front und die Schützengräben war eine Manikürkassette. Auf dem Deckel war ein explodierendes Schrapnell zu sehen und ein Mensch im Sturmhelm, der mit dem Bajonett vorstürmte. Darunter stand »Für Gott, Kaiser und Vaterland!«. Ohne Bild war ein Paket Zwieback, dafür stand darauf der Vers:

       Österreich, du edles Haus,

       steck deine Fahne aus,

       laß sie im Winde wehn,

       Österreich muß ewig stehn!

       mit der tschechischen Übersetzung auf der andern Seite.

      Das letzte Geschenk war eine weiße Hyazinthe in einem Blumentopf.

      Als das alles ausgepackt auf dem Bette lag, konnte Baronin von Botzenheim sich der Tränen nicht erwehren. Einigen ausgehungerten Simulanten floß der Speichel aus dem Mund. Die Gesellschafterin der Baronin stützte den sitzenden Schwejk und weinte ebenfalls. Es herrschte Grabesstille, die Schwejk plötzlich unterbrach, indem er die Hände faltete: »Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name, zu uns komme Dein Reich, pardon gnädige Frau, so is es nicht, ich wollt sagen: Vater unser, himmlischer Vater, segne uns diese Gaben, die wir dank Deiner Freigebigkeit genießen werden. Amen.«

      Nach diesen Worten nahm er ein Huhn vom Bett und begann zu essen, von dem entsetzten Blick Doktor Grünsteins gefolgt.

      »Ach, wie es ihm schmeckt, dem Wackern«, flüsterte die alte Baronin dem Doktor begeistert zu, »er ist sicher schon gesund und kann ins Feld gehn. Ich bin wirklich sehr froh, daß ihm mein Geschenk so gelegen gekommen ist.«

      Dann schritt sie von Bett zu Bett und verteilte Zigaretten und Schokoladepralinen, kehrte von ihrem Rundgang abermals zu Schwejk zurück, streichelte ihm das Haar mit den Worten: »Behüt Euch Gott« und ging mit dem ganzen Gefolge zur Tür hinaus.

      Bevor Doktor Grünstein, der die Baronin begleitet hatte, zurückkehrte, verteilte Schwejk die Hühner, die von den Patienten mit solcher Geschwindigkeit verschlungen wurden, daß Doktor Grünstein statt der Hühner nur einen Haufen Knochen vorfand, die so sauber abgenagt waren, als wären die Hühner lebendig in ein Geiernest geraten und als hätte auf ihre Knochen einige Monate hindurch die Sonne gebrannt.

      Auch die Flasche Kriegslikör und die drei Flaschen Wein waren geleert. Sogar das Paket Schokolade und der Zwieback waren in den Mägen verschwunden. Jemand hatte selbst die Flasche Nagelpolitur ausgetrunken, die sich in der Garnitur befand, und die Zahnpasta angebissen, die der Zahnbürste beigelegt war.

      Als Doktor Grünstein zurückgekehrt war, stellte er sich wiederum in Kampfpositur und hielt eine lange Rede. Ein Stein war ihm vom Herzen gefallen, weil der Besuch bereits gegangen war. Der Haufen abgenagter Knochen bekräftigte ihn in dem Gedanken, daß alle Patienten in diesem Zimmer unverbesserlich seien.

      »Soldaten«, legte er los, »wenn ihr ein bißchen Verstand hättet, dann hättet ihr das alles liegengelassen und euch gesagt, wenn wir das auffressen, dann wird uns der Herr Oberarzt nicht glauben, daß wir schwer krank sind. Ihr habt euch dadurch selbst das Zeugnis ausgestellt, daß ihr meine Güte nicht zu schätzen wißt. Ich pumpe euch den Magen aus, gebe euch Klistiere, bemühe mich, euch bei absoluter Diät zu halten, und ihr überstopft euch den Magen. Wollt ihr einen Magenkatarrh bekommen? Da irrt ihr euch aber, bevor euer Magen versuchen wird, das zu verdauen, werde ich ihn so gründlich reinigen, daß ihr daran bis in den Tod denken werdet. Noch euren Kindern werdet ihr davon erzählen, wie ihr einmal Hühner gefressen und euch mit verschiedenen andern guten Dingen vollgestopft habt, aber wie es keine Viertelstunde in eurem Magen geblieben ist, weil man euch den Magen noch warm ausgepumpt hat. Also einer nach dem andern mir nach, damit ihr nicht vergeßt, daß ich nicht so ein Ochs bin wie ihr, sondern doch noch ein bißchen gescheiter als ihr alle zusammen. Außerdem kündige ich euch an, daß ich morgen eine Kommission herschicke, weil ihr euch schon zu lange hier herumwälzt und keinem von euch was fehlt, wenn ihr euch in fünf Minuten den Magen so hübsch verschweinern könnt, wie ihr es gerade jetzt fertiggebracht habt. Also, eins, zwei, drei, marsch!«

      Als die Reihe an Schwejk kam, blickte ihn Doktor Grünstein an, und eine Reminiszenz an den heutigen rätselhaften Besuch veranlaßte ihn zu der Frage: »Sie kennen die Frau Baronin?«

      »Sie is meine Stiefmutter«, antwortete Schwejk, »in zartem Alter hat sie mich ausgesetzt, und jetzt hat sie mich wiedergefunden …«

      Und Doktor Grünstein sagte kurz: »Dann geben Sie dem Schwejk noch ein Klistier.«

      Abends ging es auf den Kavalletts recht traurig zu. Einige Stunden vorher hatten alle allerlei gute und schmackhafte Dinge im Magen gehabt, und nun hatten sie nur schwachen Tee und eine Schnitte Brot darin.

      Nummer 21 ließ sich vom Fenster her vernehmen: »Werdet ihrs glauben, Kameraden, daß ich Backhuhn lieber eß als Brathuhn?«

      Jemand brummte: »Schmeißt ihm die Decke übern Kopf«, aber sie waren alle so schwach nach dem mißlungenen Festmahl, daß keiner sich rührte.

      Doktor Grünstein hielt Wort. Am Vormittag kamen einige Militärärzte: die berühmte Kommission.

      Sie schritten ernst die Bettreihen entlang, und man hörte nichts anderes als: »Zeigen Sie die Zunge!«

      Schwejk steckte die Zunge so weit heraus, daß er eine blöde Grimasse schnitt und seine Augen sich schlossen.

      »Melde gehorsamst, Herr Stabsarzt, ich hab keine längere Zunge.«

      Darauf folgte ein interessantes Gespräch zwischen Schwejk und den Mitgliedern der Kommission. Schwejk behauptete, daß er diese Bemerkung in der Befürchtung gemacht habe, man könnte glauben, er wolle vor ihnen die Zunge verstecken.

      Die Urteile der Mitglieder der Kommission über Schwejk waren in Anbetracht dessen außerordentlich verschieden.

      Die Hälfte von ihnen behauptete, Schwejk sei »ein blöder Kerl«, die andere hingegen, er sei ein Filou, der sich aus dem Militär einen Jux machen wollte.

      »Das müßt aber verflucht zugehn!« brüllte der Vorsitzende der Kommission Schwejk an, »daß wir mit Ihnen nicht fertig werden sollten.«

      Schwejk blickte die ganze Kommission mit der göttlichen Ruhe eines unschuldigen Kindes an.

      Der Oberstabsarzt trat dicht an Schwejk heran.

      »Ich möcht gern wissen, Sie Meerschwein, was Sie sich jetzt wohl denken!«

      »Melde gehorsamst, ich denk überhaupt nicht.«

      »Himmeldonnerwetter!« schrie ein Mitglied der Kommission, mit dem Säbel klirrend, »er denkt also überhaupt nicht. Warum, Sie siamesischer Elefant, denken Sie denn nicht?«

      »Melde gehorsamst, ich denk deshalb nicht, weils beim Militär den Soldaten verboten is. Wie ich vor Jahren bei den Einundneunzigern gedient hab, da hat uns unser Herr Hauptmann immer gesagt: ›Ein Soldat darf nicht selbst denken. Für ihn denken seine Vorgesetzten. Wie ein Soldat anfängt zu denken, is er schon kein Soldat, sondern ein ganz gemeiner Zivilist. Denken führt zu nichts …‹«

      »Halten Sies Maul«, unterbrach ihn wütend der Vorsitzende der Kommission, »über Sie haben wir sowieso schon Berichte. Der Kerl meint, man wird glauben, daß er ein wirklicher Idiot ist … Sie sind kein Idiot, Schwejk, gescheit sind Sie, gerieben sind Sie, ein Lump sind Sie, ein Fallott, ein Lausbub, verstehn Sie …«

      »Melde gehorsamst, ich versteh.«

      »Ich hab Ihnen schon gesagt, Sie solln das Maul halten, haben Sie gehört?«

      »Melde gehorsamst, daß ich gehört hab, daß ich das Maul halten soll.«

      »Himmelherrgott, also halten Sie das Maul. Wenn ichs Ihnen befehl, dann wissen Sie gut, daß Sie kuschen müssen!«

      »Melde gehorsamst, daß ich weiß, daß ich kuschen muß.«

      Die Offiziere blickten einander an und riefen den Feldwebel.

      »Diesen


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