Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk. Jaroslav Hašek

Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk - Jaroslav Hašek


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Raubmordes an einem Bauer aus Holitz hier sei, zu ihrer Gesellschaft wegen des Erzherzogs gehören.

      Herr Palivec war beleidigt und sagte, daß er nicht wegen irgendeines dummen Erzherzogs hier sei, sondern wegen Seiner Majestät des Kaisers. Und weil dies die andern zu interessieren begann, erzählte er ihnen, wie die Fliegen ihm Seine Majestät den Kaiser verunreinigt hatten.

      »Sie ham mir ihn verschweint, die Biester«, schloß er die Schilderung seines Abenteuers, »und zum Schluß ham sie mich ins Kriminal gebracht. Ich wer das diesen Fliegen nicht verzeihn«, fügte er drohend hinzu.

      Schwejk legte sich abermals schlafen, aber er schlief nicht lange, denn man holte ihn ab, um ihn zum Verhör zu führen.

      Und so trug Schwejk, während er über die Treppe in die 3. Abteilung zum Verhör schritt, sein Kreuz auf den Gipfel Golgathas, ohne etwas von seinem Martyrium zu merken.

      Als er die Aufschrift erblickte, daß das Spucken auf den Gängen verboten sei, bat er den Polizisten, ihm zu erlauben, in den Spucknapf zu spucken, und strahlend in seiner Einfalt betrat er die Kanzlei mit den Worten: »Winsch einen guten Abend, meine Herren, allen miteinand.«

      Statt einer Antwort puffte ihn jemand in die Rippen und stellte ihn vor den Tisch, hinter dem ein Herr mit einem kühlen Beamtengesicht von so tierischer Grausamkeit saß, als wäre er gerade aus Lombrosos Buch »Verbrechertypen« herausgefallen.

      Er schaute blutdürstig auf Schwejk und sagte: »Machen Sie nicht so ein blödes Gesicht!«

      »Ich kann mir nicht helfen«, antwortete Schwejk ernst, »man hat mich beim Militär wegen Blödheit superarbitriert. Ich bin amtlich von der Superarbitrierungskommission für einen Idioten erklärt worn. Ich bin ein behördlicher Idiot.«

      Der Herr mit dem Verbrechertypus knirschte mit den Zähnen. »Das, wessen Sie beschuldigt sind und wessen Sie sich schuldig gemacht haben, zeugt davon, daß Sie alle fünf Sinne beisammen haben.«

      Und er zählte Schwejk eine ganze Reihe verschiedener Verbrechen auf, angefangen vom Hochverrat und endend mit Majestätsbeleidigung und Beleidigung der Mitglieder des kaiserlichen Hauses. Inmitten dieser Gruppe glänzte die Billigung der Ermordung Erzherzog Ferdinands. Davon ging ein Zweig mit neuen Verbrechen aus, unter denen das Verbrechen der Aufwiegelung strahlte, weil sich alles in einem öffentlichen Lokal abgespielt hatte.

      »Was sagen Sie dazu?« fragte der Herr mit den Zügen tierischer Grausamkeit siegesbewußt.

      »Es is viel«, erwiderte Schwejk unschuldig, »allzuviel is ungesund.«

      »Na also, daß Sie das wenigstens einsehen.«

      »Ich seh alles ein, Strenge muß sein, ohne Strenge möcht niemand nirgends hinkommen. Das is so wie einmal, wie ich beim Militär gedient hab …«

      »Halten Sies Maul!« schrie der Polizeirat Schwejk an, »und sprechen Sie erst, bis ich Sie etwas fragen werde! Verstehn Sie?«

      »Wie sollt ich nicht verstehn«, sagte Schwejk, »melde gehorsamst, daß ich versteh und daß ich mich in allem, was Sie sagen, zurechtfinden kann.«

      »Mit wem verkehren Sie denn?«

      »Mit meiner Bedienerin, Euer Gnaden.«

      »Und in den hiesigen politischen Kreisen haben Sie keine Bekannten?«

      »Das schon, Euer Gnaden, ich pfleg mir das Mittagsblatt der ›Národni Politika‹, die Tschubitschka5, zu kaufen.«

      »Hinaus!« brüllte der Herr mit dem tierischen Aussehen Schwejk an.

      Als man Schwejk aus der Kanzlei führte, sagte er: »Gute Nacht, Euer Gnaden.«

      In seine Zelle zurückgekehrt, verkündete Schwejk allen Arrestanten, daß so ein Verhör eine Hetz sei. »Bißl schreit man euch dort an, und zum Schluß wirft man euch heraus.

      Früher«, fuhr Schwejk fort, »da wars ärger. Ich hab mal ein Buch gelesen, daß der Angeklagte auf glühendem Eisen gehn und geschmolzenes Blei trinken mußte, damit man erkennt, ob er unschuldig ist. Oder hat man ihm die Füße in spanische Stiefel gesteckt und hat ihn auf eine Leiter gespannt, wenn er nicht gestehn wollt, oder man hat ihm die Hüften mit einer Feuerwehrfackel gebrannt, wie mans dem heiligen Johann von Nepomuk gemacht hat. Der hat herich dabei geschrien, wie wenn man ihn gespießt hätt und hat nicht aufgehört, bis man ihn von der Elisabethbrücke in einem wasserdichten Sack hinuntergeworfen hat. Solche Fälle hats viel gegeben, und nachher ham sie den Betreffenden noch gevierteilt oder irgendwo beim Museum an den Pfahl geschlagen. Und wenn man ihn nur in den Hungerturm geworfen hat, war so ein Mensch wie neu geboren.

      Heutzutag ist es eine Hetz, eingesperrt zu sein«, fuhr Schwejk wohlgefällig fort, »kein Vierteilen, keine spanischen Stiefel, Kavalletts hamr, einen Tisch hamr, Bänke hamr, wir drängen uns nicht einer auf den andern, Suppe kriegen wir, Brot geben sie uns, einen Krug mit Wasser bringen sie uns, den Abort hamr direkt vorm Mund. In allem sieht man den Fortschritt. Bisserl weit is es zum Verhör, das is wahr, über drei Gänge und ein Stockwerk höher, aber dafür is es auf den Gängen sauber und lebhaft. Da führt man einen her, den andern hin, Junge, Alte, Männer und Weibsbilder. Man is froh, daß man hier nicht allein is. Jeder geht zufrieden seines Wegs und muß sich nicht fürchten, daß man ihm in der Kanzlei sagt: ›Also wir ham uns beraten, und morgen wern Sie gevierteilt oder verbrannt, je nach Wunsch.‹ Das war sicher ein schwerer Entschluß, und ich denk, meine Herren, daß mancher von uns in einem solchen Moment ganz getepscht war. Ja, heutzutag ham sich die Verhältnisse zu unsern Gunsten gebessert.«

      Er beendete gerade die Verteidigung des modernen Gefängniswesens, als der Aufseher die Türe öffnete und rief: »Schwejk, ziehn Sie sich an, Sie gehn zum Verhör.«

      »Ich zieh mich an«, antwortete Schwejk, »ich hab nichts dagegen, aber ich fürcht mich, daß es ein Irrtum is, ich bin schon einmal beim Verhör herausgeworfen worn. Und dann fürcht ich mich, daß sich die übrigen Herren, die hier mit mir sind, nicht auf mich ärgern, weil ich zweimal hintereinander geh und sie heut noch nicht einmal dort waren. Sie könnten auf mich eifersüchtig wern.«

      »Kommen Sie heraus, und quatschen Sie nicht«, lautete die Antwort auf die kavaliermäßige Kundgebung Schwejks.

      Schwejk befand sich abermals vor dem Herrn mit dem Verbrechertypus, der ihn ohne jede Einleitung hart und unabweisbar fragte: »Gestehn Sie alles?«

      Schwejk heftete seine guten, blauen Augen auf den unerbittlichen Menschen und sagte weich: »Wenn Sie wünschen, Euer Gnaden, daß ich gesteh, so gesteh ich, mir kanns nicht schaden. Wenn Sie aber sagen: ›Schwejk, gestehn Sie nichts ein‹, wer ich mich herausdrehn, bis man mich in Stücke reißt.«

      Der gestrenge Herr schrieb etwas in die Akten, und während er Schwejk die Feder reichte, forderte er ihn auf, zu unterschreiben.

      Und Schwejk unterschrieb die Angaben Bretschneiders sowie folgenden Zusatz:

      Alle oben angeführten Beschuldigungen gegen mich beruhen auf Wahrheit.

      Josef Schwejk

      Nachdem er unterschrieben hatte, wandte er sich an den gestrengen Herrn: »Soll ich noch was unterschreiben? Oder soll ich erst früh kommen?«

      »Früh wird man Sie ins Strafgericht überführen«, lautete die Antwort.

      »Um wieviel Uhr, Euer Gnaden? Damit ich um Himmels willen nicht verschlaf.«

      »Hinaus!« wurde Schwejk an diesem Tage schon zum zweitenmal von hinter dem Tische angeschrien, vor welchem er stand.

      Als er in sein neues vergittertes Heim zurückkehrte, sagte Schwejk dem Polizisten, der ihn begleitete: »Alles geht hier wie am Schnürl.«

      Sobald die Türe hinter ihm geschlossen war, überschütteten ihn seine Gefängniskollegen mit verschiedenen Fragen, auf die Schwejk klar entgegnete: »Soeben hab ich gestanden, daß ich herich den Erzherzog Ferdinand erschlagen hab.«

      Sechs Männer duckten sich entsetzt unter


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