Du hast mich nie gewollt - Liebesroman. Thomas Tippner

Du hast mich nie gewollt - Liebesroman - Thomas Tippner


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sollte. Das frivole, das lebensbejahende Lächeln, das sie das Wochenende über zur Schau getragen hatte, war gänzlich verschwunden. Sie wirkte plötzlich wie ein in die Ecke getriebener Hund, der nicht wusste, ob er bellen oder winseln sollte.

      Sebastian genoss ihre Unsicherheit.

      Bot sich ihm so doch die Chance, das Heft in die Hand zu nehmen und Nancy das machen zu lassen, was er wollte.

      Platz! Sitz! Aus!

      Er liebte es, wenn unsichere Menschen in seiner Nähe waren.

      Er fühlte sich bei ihnen so lebendig.

      Zu Lukas hatte er einmal gesagt: „Sei kalt und abweisend, damit die dummen Kühe lernen, wo ihr Platz ist!“

      Ein Spruch, auf den er bis vor Kurzem noch stolz gewesen war.

      Ein Spruch, der ihm so viel Sicherheit gegeben hatte, dass er sich sicher gewesen war, dass er über allen anderen Dingen stand, die er sonst noch als Rat verteilen konnte. Jetzt aber, da er Nancy sah und sie mit einem Hund verglich, setzte in ihm etwas ein, das er nicht spüren wollte.

      Etwas, das ihm erst gestern so unangenehm aufgefallen war.

      Er kämpfte mit sich, um die Unsicherheit nicht allzu groß werden zu lassen, und sagte sich selbst, dass er mit seiner Meinung noch nie hinter dem Berg gehalten hatte. Dass er auf seinen Satz stolz sein konnte.

      Er war Sebastian Freis!

      DER Sebastian Freis.

      Die Einzige, die ihm was sagen durfte, was Frau Hartmann.

      Sie machte sein Haus wohnlich.

      Nicht, dass es das nicht schon vorher gewesen wäre. Aber als Sebastian eines Abends nach Hause gekommen war, sich auf die Couch fallen ließ, den Fernseher anschaltete und die Luftpumpe des Aquariums hörte, war ihm ein eisiger Schauer der Einsamkeit über den Rücken gelaufen.

      Nicht, dass er ihn als solchen erkannt hätte. Aber als er so dasaß, gelangweilt von einem Programm zum nächsten zappte, war es ihm klar zu Bewusstsein gekommen, dass er ganz allein in dem großen Haus war.

      Allein!

      Es war keine Frau bei ihm und auch kein Freund. Er hatte nicht einmal einen verzweifelt klingenden Anruf seiner strenggläubigen Mutter auf dem Anrufbeantworter gehabt, den er mit einem genervten Kopfschütteln ungehört löschen konnte.

      Niemand war da gewesen.

      Er war …

      … allein …

      In dem Moment hatte er sich ein Bier genommen, es auf ex geleert und sich dann erleichtert gefühlt. Beinahe so, als habe das kaltgestellte Bier ihm die Leere wegspülen können, die er für einen kurzen Augenblick gespürt hatte.

      „Wie geht es dir?“, wollte Nancy wissen.

      Sie sah bezaubernd aus in ihrem schwarzen Blazer und dem dunklen Minirock. Sie hatte etwas versteckt Elegantes, das Sebastian mit einem inneren Wohlwollen an die Nächte zurückdenken ließ, die er mit ihr verbracht hatte. Ihre blonde Lockenmähne hatte sie zu einem äußerst unordentlichen Pferdeschwanz gebunden. Ihr standen die Haare vom Kopf ab, und trotzdem sah sie adrett aus. Verführerisch. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Warum auch? Er hatte keinerlei Interesse an ihr.

      Das war letzte Woche so gewesen.

      Da hatte er es genossen, in ihrer Nähe zu sein, und sich die Farben zeigen lassen, in denen das Wohnzimmer gestrichen werden sollte. Dazu war das erotische, dass sinnliche Knistern gekommen. Die ersten verstohlenen Blicke, die sie sich über den Rand des Aktenordners zugeworfen hatten. Hochgezogene Augenbrauen, ein anerkennendes Nicken oder zufriedenes Lächeln, während Frau Hartmann – langweilig, wie sie nun einmal war – ihm erklärte, in welchem Terrakottaton sie das Wohnzimmer einrichten würde.

      Das hatte ihn nicht interessiert.

      Sollte sie machen. Alles kein Problem. Hauptsache, es kostete viel Geld.

      Und, war ihm der Gedanke gekommen, ich kann es meinen Freunden zeigen und etwas angeben. Konnte ihnen wieder einmal beweisen, wie weit ich es gebracht hatte.

      Vergiss die Frauen nicht, erinnerte er sich selbst, die du hierherbringen kannst, um ihnen eine Welt zu zeigen, in der sie nie leben können.

      Alles war besser gewesen als Frau Hartmann. Jedes Lächeln, jede flüchtige Bewegung am Po oder den Beinen, wenn man an einander vorbei ging. Das Kribbeln, wenn sie sich an ihm vorbei zwängte und ihre aufregend großen Brüste seinen Oberarm streiften; das Knistern ihrer Bluse und das verspielte: „Oh, Entschuldigung, so nahe wollte ich Ihnen gar nicht kommen!“

      Das alles war …

      … weg.

      Sie stand nun da, die Knie aneinandergelegt, den Aktenordner in den Händen, und wirkte wie ein Schulmädchen. Ein unerfahrenes, unsicheres Kind, das nicht wusste, ob es von allein in die neue Klasse gehen oder auf den Zuruf der Lehrerin warten sollte.

      So kalt er ihr gegenüber auch war, so sehr genoss er ihre Unsicherheit.

      Alles war besser als Frau Hartmann.

      Sie war hässlich. Was sie schon immer gewesen war. Sie hatte keinerlei Ausdruck in ihrem runden, faltigen Gesicht. Ihre Augen wirkten zwar lebendig, hatten aber etwas Kaltes, etwas Unnahbares. Der harte Zug um ihre faltigen, mit viel zu viel Lippenstift beschmierten Lippen ließ sie wie eine Lehrerin aus dem letzten Jahrhundert wirken. Hochaufgeschossen, bis zum Hals zugeknöpft, alles über den Rand ihrer rahmenlosen Brille beobachtend –, niemals das Zepter der Macht aus der Hand gebend. Auf totale Autorität gepolt. Ihre Haare, aufgetürmt zu einem Dutt, wirkten kraft- und saftlos.

      Alles an ihr war unangenehm.

      Sie ist herrisch, bemerkte Sebastian, während er daran dachte, wie sie redete. Jedes Wort wurde herausgeschossen, als müsste es unweigerlich ins Schwarze treffen. All ihre Gesten hatten etwas erhaben Unangenehmes. So, als wollte sie jeden und alles nach ihren Spielregeln spielen lassen.

      Widerspruch unerwünscht!

      Sie hatte vor ihm auf dem Esszimmertisch eine Bauzeichnung ausgebreitet, zeigte auf Räume und Flure und erklärte ihm, wie sie alles umdekorieren würden.

      Er lächelte wieder. Wäre er anderer Meinung gewesen, sie hätte ihn nicht eine Sekunde zu Wort kommen lassen.

      Niederbrüllen würde sie mich, dachte er scherzhaft und beobachtete, wie sie in einem vermeintlich unbeobachteten Moment Nancy gegen den Oberscharm schlug und ihr zuzischte: „Wir sind hier bei einem Kunden, vergiss das nicht!“

      „Schon gut“, sagte Sebastian ihr und wollte der noch immer unsicheren Nancy etwas Würde zukommen lassen. Würde, die er ihr wieder nehmen würde, wenn ihm danach war. Aber allein die Tatsache, dass die Despotin Nancy grob behandelte, weil sie einen Kugelschreiber fallen ließ, störte ihn.

      Nicht, weil Nancy eine Rüge nicht verdient hatte. Das hatte sie. So wäre er mit seiner Assistentin, Claudia, ebenfalls umgesprungen, wenn ein Kunde zugegen gewesen wäre. Das, was ihn störte, war Frau Hartmann an sich. Der Macho in ihm schüttelte sich bei ihrem Anblick und konnte es nicht ertragen, dass die unangenehme Frau eine solch liebreizende und schöne Dame, wie Nancy eine war, terrorisierte.

      Es hätte anders herum sein müssen.

      Schönheit besiegte das Hässliche.

      Schließlich, als das Handy von Frau Hartmann klingelte, sie sich mit einem: „Entschuldigen Sie bitte“, auf die Terrasse zurückzog, erinnerte er sich an ihre erste Begegnung. Da hatte Frau Hartmann ebenfalls den Raum verlassen, weil sie im Auto Farbton-Muster hatte liegen lassen. Muster, die nur sie holen konnte, weil sie in ihrem Reisekoffer lagen.

      „Weil ich noch nach Amsterdam muss, zu einem Kunden“, hatte sie wichtig erklärt und Nancy und Sebastian allein gelassen. Das war der Moment gewesen, in dem Nancy Sebastian das erste Mal absichtlich zwischen die Beine gegriffen, sich vorgebeugt und ihm ins Ohr geflüstert hatte: „Du kleines, hübsches Stück!“

      Das


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