Urlaubsküsse - Liebesroman. Thomas Tippner

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      Inhalt

       Prolog

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

Prolog

      Geschafft!

      Sie hatten es geschafft!

      Endlich!

      All das, was sie für unmöglich gehalten hatten, lag nun hinter ihnen. Der Stress, die Angst, es nicht zu bewältigen, die unendlich vielen, quälend langen Nächte, in denen einem die Gedanken gehässig zuflüsterten: Allen wird es gelingen. Nur du, du kleiner Loser, du wirst es nicht schaffen. Niemals.

      Diese Zweifel hatten zugeschlagen wie Fäuste in den Magen.

      Wieder und wieder.

      Solange, bis man schließlich das Gefühl bekam, sich vor Aufregung, Angst und dem heillosen Chaos im Kopf übergeben zu müssen.

      So war es jedenfalls für Tom gewesen. Jetzt noch, als er längst in Cala Millor am Strand war und den Alkohol wohlig warm durch seinen Kopf streichen fühlte, konnte er sich plastisch daran erinnern, wie er sich die Woche vor den Prüfungen gefühlt hatte und wie ihn die Furcht von innen heraus zerfressen hatte. Immer noch, jetzt, da alles hinter ihm lag und er mit den Jungs bis zu den Waden im lauwarmem Wasser stand, die Wellen auf sie zurollten und sich hinter ihnen rauschend am Sandstrand brachen, war es ihm, als werde er in Gedanken immer wieder in die Vergangenheit getragen. Dorthin, wo er mit versteinertem Gesicht den dicht bewachsenen Waldweg entlangging, der ihn geradewegs zur Schule führte. Der ihm so düster, so unendlich lang und nebelverhangen vorkam, wie er es sicherlich niemals gewesen war. Der sich aber an sein Empfinden anpasste und ihm das zeigte, was er in diesem Augenblick hören und sehen wollte. Da war keine Freude, dass durch den morgendlichen Tau ein Sonnenstrahl glitt, sich tausendfach glitzernd brach und Farbspektren abdeckte, die er nur jenes eine Mal gesehen hatte, als er so bekifft gewesen war, dass er meinte, fliegen zu können.

      Nein, er hatte nur für die dunklen, am Wegesrand lauernden Schatten Augen und war sich sicher, dass sich dort irgendwo in der Dunkelheit einer der Lehrer versteckte, um ihn hinterrücks anzugreifen und ihn, während er von schweren Schlägen getroffen zu Boden ging, anzuschreien: „Alles für die Katz, Junge. Völlig umsonst gelernt. Wir gehen gar nicht die Themen durch, die wir dir genannt haben. Haha, du kleiner Penner. Wir lassen dich auflaufen. Das war es dann mit dem Abitur und deinen Träumen. Es wird nie was aus dir! Schriftsteller willst du werden? Vergiss es! Einmal Loser, immer Loser! Aus! Vorbei! Deine Zukunft am Arsch, Bengel!“

      Geschafft …

      Sie hatten es wirklich geschafft.

      Unbegreiflich und doch wahr.

      Tom, der die Erinnerungen nicht aus dem Kopf bekam und die aufwallenden Gefühle nicht zurückdrängen konnte, war sicher, dass da am Wegesrand wirklich etwas gewesen war. Ein Albtraum, ein Fluch, irgendetwas, das auf ihn lauerte, um ihn anzuspringen. Irgendetwas, das all seine Ängste und Befürchtungen Wahrheit werden ließ, damit er seine eigenen, negativ aufgeladenen Erwartungen erfüllen konnte.

      Nicht, dass er durchs Abitur hatte fallen wollen.

      Ganz gewiss nicht.

      Aber wenn er sich damals mit Oliver unterhielt, der nun links neben ihm stand, das nächste Bier reingeschüttet und dabei ein lautes, zufriedenes Seufzen ausgestoßen hatte, in den Momenten war ihm das Herz in die Hose gerutscht. Dann war er wie gelähmt gewesen von der Furcht, niemals auch nur irgendetwas begreifen, geschweige denn behalten zu können. Und als dann Konrad „Conny“ Talver dazu stieß mit seiner pessimistischen, seiner merkwürdigen Art, dann war für ihn der Ofen aus gewesen.

      Conny, der auch jetzt bei ihm war, die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick starr aufs Meer hinaus gerichtet, war damals, in der Woche vor den Prüfungen, in sein Zimmer gekommen, als hätte er einen Blick in die Zukunft geworfen. Düster war sein sowieso immer dunkles, von Sorgenfalten dominiertes Gesicht gewesen und hatte Tom angst und bange werden lassen. Schließlich, als er dann auch noch sagte: „Es sind noch sieben Themen, die wir abarbeiten müssen und die wir niemals in sieben Tagen lernen können …“ war für ihn eine Welt zusammengebrochen.

      Sieben Themen, die sie nicht in sieben Tagen lernen, begreifen und verinnerlichen konnten!

      Er hätte am liebsten geheult!

      Dann aber, als wäre Oliver ein Engelchen auf seiner Schulter – ein stark betrunkenes und immer nach dem Leichtsinn des Lebens suchendes Engelchen –, rief er plötzlich: „Vergiss es, Mann! Lieber einmal vom Saufen gekotzt, als gar nicht gesoffen!“

      Was nicht sehr philosophisch, geschweige denn tiefgründig gewesen war. Doch es hatte etwas in Tom freigesetzt.

      Er musste schmunzeln, als er daran dachte, und er war Oliver heute noch dankbar dafür, dass er damals so unbeholfen prollig geschrien hatte. Denn so war die Angst zwar nicht verschwunden, aber doch gemindert worden. Der Ruf hatte in ihm wie ein in der Nacht lodernder Feuerschein gewirkt, der die Dunkelheit vertrieb und ihn glauben ließ: Ja, ich schaffe das. Verdammt noch mal, ich werde das packen. Und wenn es nur vier oder fünf Themen sind, die ich begreife und lerne, so habe ich wenigstens die Chance von vier bis fünf zu acht, dass mein Thema kommt, anstatt null zu acht, wenn ich jetzt aufgebe!

      Aufgeben?

      Hatte er das wirklich so gedacht?

      Jetzt, da alles bestanden war und sie ihren redlich verdienten Urlaub genossen, konnte er das gar nicht mehr glauben.

      Es war ihm, als sei der Gedanke so albern, so fern, so unfassbar gewesen, dass er gar nicht mehr zu ihm passen wollte.

      Aber er war damals da gewesen.

      Er hatte ihn angesprungen wie eine wildgewordene Katze, die man in die Ecke drängte.

      Und hatte ihn zu Boden gezwungen.

      Dann aber war die Fünf-zu-acht-Erkenntnis in ihm gewachsen. So einfach, so minimalistisch, aber dennoch alles beherrschend.

      Die beschissene, kleine Erkenntnis hatte alles in ihm zum Leuchten gebracht und ihm ein wenig der Furcht genommen, die ihn drohte fertigzumachen.

      Und so war er dann an die Prüfung gegangen.

      Von dunklen Gedanken begleitet und sicher, dass die Lehrer ihm auflauern und ihn niederringen wollten, um ihm vor Augen zu halten, was für ein elender Versager er doch war. Trotzdem hatte in ihm das kleine Licht weitergeleuchtet, das Oliver in ihm entfacht hatte.

      Dafür war er ihm dankbar.

      Unendlich dankbar.

      Besonders, weil es eben genau jener Funke war, der ihm den Mut schenkte, einen Schritt weiter zu denken und sich auszumalen, wie schön das Leben einmal wurde.

      Das Leben mit …

      … und das war der nächste Punkt, weswegen er Oliver dankbar sein musste.

      Louisa!

      Louisa Marie Christofferson, um ganz genau zu sein.

      Die Frau, die ihm den Kopf verdrehte. Die ihn dazu brachte, ein stammelnder Blödmann zu werden, der sich, sobald sie sich von ihm wegdrehte, am liebsten selbst in den Hintern gebissen hätte.

      Louisa …

      „Seine“


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