Ekkehard. Joseph Victor von Scheffel

Ekkehard - Joseph Victor von Scheffel


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Frau Hadwig ärgerlich. Nimm lieber die Laute und sing mir das griechische Liedlein:

Konstantin, du armer Knabe, Konstantin, und laß das Weinen!

      Sie ist zersprungen, war die Antwort, und alle Saiten zu Grund gerichtet, seit die Frau Herzogin geruhten, sie...

      Sie dem Grafen Boso von Burgund an den Kopf zu werfen, ergänzte Hadwig. Dem ist nicht zu viel geschehen, 's war gar nicht notwendig, daß er uneingeladen zur Leichenfeier Herrn Burkhards kam und mir Trost zusprechen wollte, als wär' er ein Heiliger. Laß die Laute flicken.

      Sag mir indes, du griechische Goldblume, warum hab' ich heut den festlichen Schmuck angelegt?

      Gott ist allwissend, sprach die Griechin, ich weiß es nicht. Sie schwieg. Frau Hadwig schwieg auch. Da trat eine jener schwülen inhaltsvollen Pausen ein, wie sie der Selbsterkenntnis vorangehen. Endlich sprach die Herzogin: Ich weiß es auch nicht!

      Sie schlug mißmutig die Augen nieder: Ich glaube, es geschah aus Langerweile. Der Gipfel unseres Hohentwiel ist aber auch ein gar zu betrübtes Nest – zumal für eine Witib. Praxedis, weißt du ein Mittel gegen die Langeweile?

      Ich habe einmal von einem weisen Prediger gehört, sprach Praxedis, es gäb' mannigfaltige Mittel dawider: Schlafen, Trinken, Reisen – das beste sei Fasten und Beten.

      Da stützte Frau Hadwig ihr Haupt auf die lilienweiße Hand, sah die dienstbereite Griechin scharf an und sprach: Morgen reisen wir!

      1 Einheimische Vögel, künstlich abgerichtet, nahmen in den Salons jener Tage die Stelle ein, die heute den Papageien zukommt. Im Fragment VIII des lateinischen Gedichts Ruodlieb wird sehr idyllisch erzählt von solch wundersam zahmen Staren, die es verstehen, ihr Futter selbst zu verlangen, und gelehrt sind:

      2 Haec quondam parvula, Constantino Graeco regi cum esset desponsata, par eunuchos ejus ad hoc missos literis graecis adprime est erudita, sed cum imaginem virginis pictor eunuchus domino mittendam uti simillime depingeret, solicite eam inspiceret ipsa nuptias exosa os divaricabat et oculos, sicque Graeco pervicaciter repudiato, literis post latinis studentem Purchart illam dux multipliciter dotatam duxit usw. Ekkeh. casus S. Galli c. 10 bei Pertz Monum. II. 123.

      3 .. seu serpentes capitatae, oscula quae sibi dant. Ruodlieb, fragm. III. 335.

      Die Jünger des heiligen Gallus

      Zweites Kapitel

      Des anderen Tages fuhr die Herzogin samt Praxedis und großer Gefolgschaft im lichten Schein des Frühmorgens über den Bodensee. Der See war prächtig blau, die Wimpel flaggten lustig, und war viel Kurzweil auf dem Schiff. Wer sollt' auch traurig sein, wenn er über die kristallklare Wasserfläche dahinschwebt, die baumumsäumten Gestade mit Mauern und Türmen ziehen im bunten Wechsel an ihm vorbei, fern dämmern die schneeigen Firnen und der Widerschein des weißen Segels verzittert im Spiele der Wellen?

      Keines wußte, wo das Ziel der Fahrt. Sie waren's aber so gewohnt.

      Sankt Benedikt und seine Schüler haben die bauliche Anlage ihrer Klöster wohl verstanden. Land ab, Land auf, so irgendwo eine Ansiedelung steht, die gleich einer Festung einen ganzen Strich beherrscht, als Schlüssel zu einem Tal, als Mittelpunkt sich kreuzender Heerstraßen, als Hort des feinsten Weinwuchses: so mag der Vorüberwandernde bis auf weitere Widerlegung die Vermutung aussprechen, daß sotanes Gotteshaus dem Orden Benedicti zugehöre oder vielmehr zugehört habe, denn heutigentages sind die Klöster seltener und die Wirtshäuser häufiger, was mit steigender Bildung zusammenhängt.

»Die scotice mit altem Bardenfleiß Die Bücher schrieben und bewahreten.«

      Aus der schmucklosen Zelle an der Steinach, wo der irische Einsiedel seine Abenteuer mit Dornen, Bären und gespenstigen Wasserweibern bestand, war ein umfangreich Kloster emporgewachsen. Stattlich ragte der achteckige Turm der Kirche aus schindelgedeckten Dächern der Wohngebäude; Schulhäuser und Kornspeicher, Kellerei und Scheunen waren daran gebaut, auch ein klappernd Mühlrad ließ sich hören, denn aller Bedarf zum Lebensunterhalt muß in des Klosters nächster Nähe bereitet werden, auf daß es den Mönchen nicht notwendig falle, in die Ferne zu schweifen, was ihrem Seelenheil undiensam. Eine feste Ringmauer mit Turm und Tor umschloß das Ganze, minder des Zierats als der Sicherheit halber, maßen mancher Gewaltige im Land das Gebot: Laß dich nicht gelüsten deines Nachbars Gut! dazumal nicht allzustrenge einhielt.

      Nur der Wächter auf dem Torturm stand, wie immer, treulich und aufrecht im mückendurchsummten Stüblein.

      Der Wächter hieß Romeias und hielt gute Wacht. Da hörte er durch den nahen Tannwald ein Roßgetrabe; er spitzte sein Ohr nach der Richtung. Acht oder zehn Berittene! sprach er nach prüfendem Lauschen; er ließ das Fallgatter vom Tor herniederrasseln, zog das Brücklein, was über den Wassergraben führte, auf und langte sein Horn vom Nagel. Und weil sich einiges Spinnweb drin festgesetzt hatte, reinigte er dasselbe.

      Jetzt


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