Dr. Norden Bestseller 334 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sie allerdings nicht gesehen, aber es mußte ein M für München vorweg gestanden haben. Doch, da sei sie ganz sicher, betonte sie. Es wäre nämlich auch ein Hobby von ihr, sich die Städte oder Landkreise zu merken, in denen sie zugelassen wurden. Aber viel wichtiger war ja, daß Frau Meixner den jungen Mann beschreiben konnte, der nach ihr die Bank betreten hatte, und sie konnte ihn sogar sehr gut beschreiben, weil er sie an einen Jungen erinnert hatte, der früher mit ihrer Tochter in einer Schulklasse gewesen war.
»Ich hatte den Klaus Thomee zwar schon Jahre nicht mehr gesehen, denn damals wohnten wir ja auch noch in Sendling in einem Miethaus, aber das war genauso ein Typ. Sehr schlank, schmales Gesicht, tiefliegende Augen und so eine kleine feine Nase, wie sie bei Männern selten ist. Und dann vor allem das Haar. Es hat so einen rotbraunen Stich. Aber die Thomees sind sehr seriöse Leute, und der Junge wollte Medizin studieren. Ein Bankräuber ist er bestimmt nicht. Sein Vater ist ja auch ein ganz hoher Finanzbeamter.«
Uwe Hofmann hatte schon gelernt, daß man die Leute reden lassen mußte, denn auch kleine Einzelteilchen konnten ein Ganzes ergeben, und hier ging es ja um die Ähnlichkeit. Und Frau Meixner suchte dann sogar noch ein Foto heraus, auf dem der achtzehnjährige Klaus Thomee mit ihrer Tochter Karin auf einem Schulfest abgebildet worden war.
»Das ist schon sechs Jahre her, und meine Karin ist schon zwei Jahre verheiratet und wohnt in Hannover«, erzählte Frau Meixner. »Aber jetzt rege ich mich doch auf, wenn die Verbrecher immer noch in der Praxis von Dr. Norden sind. So ein guter Arzt und eine so reizende Familie. Man findet so was heutzutage ja kaum noch. Wenn ich nur dazu beitragen könnte, daß alles gut ausgeht.«
Uwe Hofmann war clever, und er hatte den Ehrgeiz, es bei der Kriminalpolizei mal weit zu bringen. Er dachte, daß es vielleicht gut wäre, festzustellen, ob jener Klaus Thomee heute auch noch diesem Jungen ähnlich wäre, der auf dem Foto abgebildet war und den Frau Meixner so gut in der Erinnerung behalten hatte.
Er rief also bei den Thomees an, die immer noch dort wohnten, wo Frau Meixner früher gewohnt hatte. Es war auch eine sehr gute Wohngegend.
Es meldete sich eine Frau Thomee, deren Stimme aber gleich sehr reserviert klang, als nach ihrem Sohn gefragt wurde.
»Er wohnt nicht mehr hier und ist wahrscheinlich gerade verreist.« In München würde er überhaupt nicht mehr wohnen, und sie wüßte auch seine genaue Adresse nicht. Dann legte sie auf, bevor Uwe Hofmann noch sagen konnte, was er eigentlich wissen wollte, aber nun war er mißtrauisch geworden, und schnellstens wollte er nun mit Kommissar Keller sprechen.
»Klaus Thomee«, rief der aus, »doch nicht der Klaus Thomee… guter Gott, das bitte nicht!«
Uwe Hofmann sah seinen Chef verblüfft an.
»Es ist ja nichts erwiesen«, murmelte er, »es ist doch kein so seltener Name, und auch Ähnlichkeiten gibt es. Es ist ja noch gar nicht raus, ob der Bankräuber so heißt. Frau Meixner hat nur diese Ähnlichkeit festgestellt.«
»Und das möge hoffentlich die einzige Ähnlichkeit bleiben, alles andere wäre eine Katastrophe.
Die Hochzeit von Dorothee Thomee mit dem jungen Baron Lichtenfeld steht vor der Tür. Ich wage gar nicht an die Folgen zu denken.«
»Frau Thomees Stimme klang nicht so, als wäre sie besorgt um ihren Sohn, eher abweisend und ungehalten.«
Kommissar Keller fuhr sich mit der Hand durch das Haar, das an den Schläfen schon ergraute.
»Klaus hat seinen Eltern manchen Kummer bereitet«, sagte er sinnend. »Ich kenne seinen Vater gut, der ein hochachtbarer Mann ist. Hoher Beamter mit bestem Leumund. Die dummen Streiche von Klaus konnten vertuscht werden. Er wurde in ein strenges englisches Internat geschickt und sollte auch in England studieren.«
»Fragen wir doch mal den Computer, ob hier etwas gegen ihn vorliegt«, schlug Uwe Hofmann vor.
Die Nachricht kam dann bald. Es lag nichts gegen ihn vor. Er war auch schon seit drei Jahren nicht mehr polizeilich in München gemeldet. Kommissar Keller atmete auf, aber Uwe Hofmann machte sich eigene Gedanken. Momentan trugen sie aber auch nicht zur Lösung der gespannten Verhältnisse in der Praxis Dr. Norden bei.
Fee Norden ließ sich überreden, zu ihren Kindern zurückzukehren, aber auf der Straße traf sie Franzis Mutter Lotte Spar. Sie war auch sehr aufgeregt.
»Kommen Sie mit zu uns«, schlug Fee vor, »wir werden am schnellsten benachrichtigt.«
Lotte nickte ganz mechanisch. »Wenn Franzi nur nicht wieder eine Lippe riskiert«, murmelte sie. »Sie kann so aggressiv werden, und Angst kennt sie überhaupt nicht.«
Das allerdings sollte sich als sehr hilfreich erweisen, denn Marlies Höller bekam es jetzt mit der Angst.
»Dr. Norden wird schon etwas unternehmen«, sagte Franzi. »Sie müssen jetzt ganz ruhig bleiben.«
»Aber meine Eltern erwarten mich doch zum Mittagessen, und dieser nette Dieter Sommer wollte doch im Café Fenstergucker auf mich warten.«
»Draußen wissen sie doch schon, was hier los ist«, sagte Franzi. »Die Polizei ist da, aber Dr. Norden kann doch die andern Patienten nicht gefährden, und bestimmt sind es nicht mehr als zwei Gangster, sonst hätten sie uns hier schon aufgespürt. Ich glaube, daß wir hier sicher sind. Sie dürfen jetzt nur nicht schreien.«
»Ich schreie nicht«, flüsterte Marlies bebend, »aber ich habe Angst.«
Franzi hatte jetzt auch Angst, aber sie zeigte ein tapferes Lächeln. »Ich möchte wissen, was sie bei uns wollen. Dr. Norden gehört nicht zu den Reichen. Er steckt doch sein Geld in das Sanatorium, in die Insel der Hoffnung.«
»Insel der Hoffnung, davon hat meine Mutti öfter geredet. Da mochte sie auch mal hin. Sie hat es nämlich mit dem Herzen. Und wenn sie erfährt, daß ich immer noch hier bin, und was hier los ist, dann…« Marlies schluchzte auf, »sie regt sich doch so schrecklich auf, und das ist schlecht für ihr Herz.«
Dagegen konnte Franzi allerdings nichts sagen. Sie streichelte nur beruhigend die Hände von Marlies.
Inzwischen hatte sich Kommissar Keller nach gründlichem Überlegen zu einem weiteren Vorstoß entschlossen. Diesmal begab er sich selbst an die Tür der Praxis und sagte laut, daß man doch wieder die Stecker in die Fernsprechanlage einstecken möge, damit man sich über das Lösegeld und die Übergabebedingungen unterhalten könne. Hunderttausend Euro würden sofort übergeben, wenn die Patienten freigelassen würden.
»Erkläre dich einverstanden, Mike, dann brauchen wir nicht auf so viele aufzupassen«, stieß Sally hervor.
»Gut, wir sind einverstanden«, sagte Mike schrill, »aber wenn ihr den Versuch macht, hier einzudringen, knalle ich Norden nieder.«
»Wir erfüllen unsere Zusagen, wenn Sie sich daran halten.«
»Wann kommt das Geld?«
»In zehn Minuten.«
Hunderttausend waren keine Million, aber Fee Norden hatte gesagt, daß sie diese Hunderttausend schnell zusammenbringen könnte. Und die würden auch von der Bank nebenan geliefert werden, die sehr interessiert daran waren, daß der Bankräuber gefaßt wurde, und darauf setzten sie, denn sie waren überzeugt, daß es sich nicht um einen Profi handelte.
Im Wartezimmer ging es jetzt ganz ruhig zu, nachdem Eva Marten draußen im Vorraum von Sally in Schach gehalten wurde. Man war sich einig, daß man diese Situation nur mit Ruhe bewältigen konnte, und man vertraute auf Dr. Nordens kluge Überlegenheit. Und die meisten vertrauten auch auf die Hilfe ihrer Angehörigen, wenn es dann nur noch um Geld ging.
Kommissar Keller hatte sich einen Plan zurechtgelegt. Für jeden Patienten sollten zehntausend Euro übergeben werden, und erst, wenn der Letzte die Praxis verlassen hatte, der Rest. Und bis dahin hoffte Keller, ein paar Beamte über das Dach in die Praxis bringen zu können, da sie inzwischen den Plan von den Räumlichkeiten vorliegen hatten und auch wußten, daß Franzi mit einer Patientin im Labor war und von den Gangstern noch nicht entdeckt worden war. Sie hatte einen zweiten Zettel mit entsprechenden Notizen heruntergeworfen, diesmal