Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
berufliches Interesse mit meinen Fragen verbunden«, antwortete sie ein wenig ausweichend. »Ich muß Sie bitten, Hochwürden, sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und nicht weiter nachzufragen. Ich unterliege im gewissen Maße ebenso der Schweigepflicht, wie Sie.«
Pfarrer Trenker nickte.
»Gut, das muß ich natürlich akzeptieren. Allerdings kann ich mir denken, was hinter der ganzen Angelegenheit steckt. Ich weiß um die Pläne einiger Leute, die mit unserem Ort bestimmte Dinge vorhaben.«
Elke sah erst ihren Verlobten an, dann Sebastian. Dabei schmunzelte sie.
»Die Leute, von denen Sie sprechen, werden allerdings unangenehm überrascht sein, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin…«, meinte sie schließlich.
Jetzt war es Sebastian, der schmunzelte. Er hatte die junge Frau verstanden. Ohne viel zu verraten oder einen Vertrauensbruch zu begehen, hatte sie ihm etwas mitgeteilt, das ihn beruhigt sein ließ.
»Wie lange bleiben Sie noch?« wechselte er das Thema.
»Ich muß am Freitag wieder zurück nach Hamburg«, antwortete Carsten. »Elke hat sich glücklicherweise entschlossen, ebenfalls so lange zu bleiben.«
»Obwohl mein Bruder, der Teilhaber unserer Firma ist, händeringend auf mich wartet«, sagte Elke. »Er behauptet steif und fest, in Arbeit zu ertrinken. Dabei möchte ich zu gern’ wissen, was er anfängt, wenn ich eines Tages nicht mehr so oft für die Firma da sein werde.«
Carsten war erstaunt.
»Willst nur noch halbtags arbeiten?«
Die junge Frau lachte.
»Irgendwann will ich für ein paar Jahre gar nicht arbeiten«, verriet sie. »Dann nämlich wenn ich unsere Kinder großziehe.«
Sebastian lachte mit ihr. Carsten hingegen schloß sie fest in seine Arme.
Als sie die Kirche verließen, sah der Geistliche ihnen hinterher, und er dachte an den Bruckner-Markus und dessen Pläne. Eine innere Stimme hatte ihm verraten, daß es wieder einmal so weit war. Schon oft hatte der Bürgermeister von St. Johann versucht, seine verschiedenen Vorhaben in die Tat umzusetzen. Keines war dabei gewesen, das Sebastian guten Gewissens hätte mittragen können, so daß alle nicht zuletzt an des Pfarrers gewichtiger Stimme im Gemeinderat scheiterten. Sei es, weil die Umwelt gefährdet gewesen wäre, oder eine vernünftige Finanzierung nicht zustande gekommen war.
Diesmal mußte Bruckner sich seiner Sache sehr sicher sein, wenn er sogar schon eine Firma beauftragt hatte. Sebastian konnte sich vorstellen, welcher Art der Auftrag war, den Elke Kerner hatte, auch wenn sie ihm nichts darüber verraten hatte.
Sebastian respektierte natürlich Elkes Entscheidung. Sie war ihrem Auftraggeber verpflichtet und sonst niemandem. Um so dankbarer war er jedoch für den leisen Hinweis, den sie ihm schmunzelnd gegeben hatte.
Es schien, als könne St. Johann für dieses Mal wieder aufatmen. Offenbar war es noch einmal Markus Bruckners hochtrabenden Plänen entgangen.
*
Sophie Tappert haderte immer noch mit ihrem Schicksal, das sie so hart getroffen hatte. Selbst ein Besuch bei ihrer Freundin Herta Breitlanger vermochte nicht sie aufzuheitern. Natürlich war der dreiste Diebstahl Gesprächsthema während des Kaffeetrinkens.
»Ich hab’s ja gleich g’wußt«, sagte die Haushälterin. »Gleich, als ich den Kerl g’sehen hab’, wußt’ ich, daß wir nur Ärger mit ihm haben werden!«
Hertha legte ihr ein zweites Stück Mohnkuchen auf den Teller.
»Und was sagt Pfarrer Trenker dazu?« fragte sie.
Sophie Tappert zog die Augenbrauen hoch.
»Der?«
Sie zuckte mit der Schuler.
»Hochwürden hat dem Dieb vergeben. Er meint, es wäre ja nix Schlimmeres passiert. Als wenn’s net schlimm genug wär’. Der Lump hat net nur einen Anzug und ein Hemd von unserem Herrn Pfarrer bekommen, dazu auch noch Kost und Logis. Und wie hat er’s gedankt?!«
»Die Welt ist schlecht«, nickte Hertha zustimmend.
»Er ist einfach zu gutmütig, der Herr Pfarrer«, wandte Sophie Tappert ein. »Anzeigen hätt’ er’s müssen. Wozu hat er einen Bruder, der bei der Polizei ist?«
»Was meint denn der Max? Könnt’ man den Kerl überhaupt noch fassen?«
Die Haushälterin schüttelte betrüblich ihren Kopf.
»Wahrscheinlich net. Der Max sagt, daß die Obdachlosen alle gleich ausschau’n. Eine Fahndung würd’ net viel nützen. Bestenfalls würd’ man zwanzig von ihnen verhaften, und wir müßten den richtigen herausfinden. Dabei wird der schon über alle Berg’ sein.«
Hertha Breitlanger stand auf und ging an das Stubenbüffet. Hinter der rechten Seitentür befand sich eine eingebaute Bar, mit rotem Samt, Spiegel und Beleuchtung. Viele Flaschen befanden sich nicht darin. Eigentlich waren es nur zwei, und in beiden befand sich Herthas selbstangesetzter Eierlikör, von dem sie jetzt zwei Gläser einschenkte.
»Aber wirklich nur eins«, mahnte Sophie Tappert.
Was sollte Hochwürden denn denken, wenn sie nach Hause kam und nach Alkohol roch!
*
Elke und Carsten aßen im Restaurant zu Abend. Danach blieben sie noch bei einem Glas Wein sitzen und unterhielten sich.
»Am Freitag hab’ ich übrigens noch eine Überraschung für dich«, sagte Elke beiläufig.
»So? Was ist es denn?«
Die junge Frau tätschelte seine Hand und zwinkerte ihm zu.
»Das wird net verraten«, antwortete sie. »Sonst wär’s ja keine Überraschung mehr.«
»Das ist unfair«, schmollte er. »Jetzt hast du mich erst recht neugierig gemacht. Bestimmt schlaf’ ich bis dahin keine Nacht mehr.«
Er drohte ihr mit dem Zeigefinger.
»Dann komm’ ich ’rüber zu dir und weck’ dich«, drohte er.
»Versuch’s«, gab sie zurück. »Wenn ich meinen Schönheitsschlaf halte, dann kanst’s lang’ klopfen. Da hör’ ich nix.«
Er nahm ihre Hand und küßte sie.
»Weißt du, daß ich sehr glücklich bin?«
Elke schaute ihm liebevoll in die Augen.
»Genau wie ich«, sagte sie leise.
Sepp Reisinger trat zu ihnen an den Tisch, er hatte beide Hände hinter dem Rücken verborgen.
»Guten Abend, die Herrschaften. Darf ich einen Moment stören?« fragte er.
»Natürlich«, erwiderte Carsten.
Elke nickte dem Wirt freundlich zu.
Sepp wirkte ein wenig verlegen.
»Also, meine Frau und ich…, wir haben natürlich mitbekommen, daß sie beide sich in unserem Haus kennen- und wie ich denke – auch liebengelernt haben. Wir möchten uns daher erlauben, Ihnen dies Flascherl Sekt zu überreichen.«
Mit diesen Worten zauberte er die Flasche hinter seinem Rücken hervor.
Elke und Carsten waren angenehm überrascht.
»Aber nur, wenn Sie und Ihre Frau mittrinken«, bestanden beide darauf, daß die Wirtsleute sich zu ihnen setzten.
Sepp Reisinger winkte seine Frau heran. Irma trug ihren weißen Kittel und wirkte ein wenig verlegen.
»Entschuldigen S’, ich hab’ bis eben in der Küch’ gestanden und noch keine Zeit g’habt, mich umzuziehen.«
»Um so besser wird Ihnen jetzt ein kühler Schluck schmecken«, meinte Carsten, der wußte, wie heiß es manchmal in einer Hotelküche hergehen konnte.