Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer 252 – Heimatroman - Toni Waidacher


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vom kalten Braten, Herr Pfarrer?«, fragte sie, als sie sah, dass Sebastian Trenkers Teller leer war.

      Sebastian lehnte dankend ab und stand auf.

      »Eigentlich wollt’ ich morgen früh eine Tour auf die Streusachhütte machen. Aber daraus wird wohl nix werden«, sagte er mit einem leisem Bedauern. »Ich glaub, ich mach mich stattdessen lieber auf den Weg zum Pörnbacher-Hof.«

      »Ich glaub auch, dass es net schaden könnt’, wenn Sie die Burgl und den Franz auf ihre neue Rolle als Fernsehstars ansprechen und sie vor allzu hohen Erwartungen warnen«, setzte Sophie Tappert hinzu. Es klang besorgt, aber nachdem Sebastian Trenker sich zurückgezogen hatte, und die Pfarrhaushälterin den Teller in die Spülmaschine stellte, fühlte sie sich etwas erleichtert. Sie war nun doch froh, die Angelegenheit mit den Pörnbachers so rasch zur Sprache gebracht zu haben. Der gute Hirte von St. Johann würde sicherlich den richtigen Weg finden, um den beiden zu helfen.

      *

      »Wie bitte? Was soll ich tun?«, rief Christine Hartmann.

      Verwirrt und wütend zugleich starrte die junge Frau ihr Gegenüber an.

      »Tickst du eigentlich noch richtig, Lukas? Oder ist bei dir im Kopf irgendeine Schraube locker?«

      Lukas Brenner, Mitarbeiter des »Bayernkanals«, musterte seine Kollegin Christine, mit belustigter Überlegenheit.

      »Ob du es glaubst oder net, Chris, aber wenn du so richtig in Fahrt bist und Funken sprühst vor Zorn, finde ich dich zum Anbeißen«, gab er grinsend zurück.

      Christine Hartmanns dunkelbraune Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Die Tatsache, dass ihre Einwände an Lukas abprallten wie Regentropen an gut imprägnierter Schlechtwetterkleidung, brachte sie nur noch mehr in Rage.

      »Interessieren würd’s mich schon, wer von unserem Sendeteam auf die Schnapsidee gekommen ist, ausgerechnet mich in dieses vermaledeite St. Johann zu schicken«, wollte sie wissen, wobei ihre Stimme gereizt klang wie die einer fauchenden Wildkatze. »Dir würd’ ich so einen unsinnigen Einfall glatt zutrauen. Dir am aller ehesten.«

      Lukas Brenner sagte nichts, sondern trat auf Christine zu, legte ihr seine kräftigen Arme um die schmalen Schultern und versuchte, sie trotz ihres Widerstrebens an sich zu ziehen.

      »Ich bin es net gewesen, Chrissie. Großes Ehrenwort. Ich bin nur der Überbringer der Nachricht. Net weniger, aber auch net mehr«, erwiderte er und tat dabei so, als wäre er sehr gekränkt, durch diese Unterstellung. »Von den anderen war es auch keiner. Es war niemand aus unserem Team, wirklich. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer. Wenn es dir net gefällt, nach St. Johann zu reisen, musst du dich bei Gregor Albrecht, unserem Programmchef, bedanken. Dass die Wahl gerade auf dich gefallen ist, geht nämlich auf sein Konto.« Lukas Brenner machte eine kleine Pause, räusperte sich und behauptete: »Wobei ich finde, dass du es als Kompliment nehmen solltest, Chris, anstatt dich dermaßen aufzuregen. Freu dich doch, dass unser Boss so große Stücke auf dich hält.«

      Christine Hartmann schob Lukas mit einer energischen Bewegung von sich.

      »Darüber kann ich mich in diesem Fall net freuen«, erwiderte sie patzig. »Und dabei geht es mir im Grunde gar net sosehr darum, ob ich nach St. Johann fahre oder net. Es geht mir in erster Linie um die Schwindelnummer, die ihr euch ausgedacht habt. Ich würd’ meinen Kopf verwetten, dass ihr das ganz allein wart. Und net unser Programmchef, der euren Plan bestimmt nur abgesegnet hat.« Ärgerlich zupfte sie an einem ihrer Ohrringe. »Als Journalistin vor Ort sein, ist eine Sache. Lügen, was das Zeug hält, ist eine andere. Ich …, ich mag solche Sachen einfach net. Und ich kann so etwas auch net. Wenn ich es könnte, wär’ ich Schauspielerin geworden und net Fernsehjournalistin.«

      Lukas Brenner seufzte. Umständlich zündete er sich mit seinem schwarz lackierten Feuerzeug, auf dem eine üppige Blondine in einem freizügigen Dirndl abgebildet war, eine Zigarette an. Er blies den Rauch in Kringeln in die Luft und ließ seine Blicke im Wohnzimmer seiner Penthousewohnung herumschweifen, als suche er nach etwas. Schließlich wandte er sich der Terrassentür zu.

      »Wäre es net schöner, alles Weitere draußen zu besprechen, Chrissie?«, schlug er vor. »Bei romantischem Kerzenlicht und einem prickelnden Glas Sekt? Dann könnten wir, während wir reden, wenigstens den herrlichen Blick über die Altstadt von München-Schwabing und den Englischen Garten genießen. Es ist sowieso der erste laue Sommerabend in diesem Jahr. Den wollen wir uns doch auf keinen Fall im muffigen Zimmer um die Ohren schlagen, oder?«

      Christine Hartmann machte immer noch ein mürrisches Gesicht. Sie zuckte nur stumm die Schultern und folgte Lukas ins Freie.

      Eine Weile standen die beiden nebeneinander an das Geländer der Dachterrasse gelehnt und schauten auf das rege Treiben in den engen verwinkelten Gassen Alt-Schwabings. Aus den zahlreichen Kneipen drang ein Gewirr von Musik und lachenden, kreischenden Stimmen zu ihnen herauf.

      »So klingt das heitere, unbeschwerte Leben«, sagte Lukas.

      Er lächelte Christine aufmunternd zu und rückte dichter neben sie, aber sie hielt abweisend ihre Arme vor der Brust verschränkt.

      Für einen Moment kamen Lukas Brenner nun doch Zweifel, ob Christine der ihr zugedachten Aufgabe wirklich gewachsen war, aber er schob seine Bedenken rasch beiseite.

      Die Doku-Soap »Jungbauer gesucht!« war allein seine Idee gewesen. Einer seiner bisher besten Einfälle, auf den er mächtig stolz war. Und das vollkommen zu Recht, wie er glaubte.

      Natürlich hatte er schon von Anfang an gehofft, dass die von ihm geplante Sendung recht bald umgesetzt werden würde. Dass sein Konzept bei Gregor Albrecht, dem Programmchef, wie eine Bombe einschlug und einen wahren Begeisterungssturm auslöste, hatte ihn dann aber doch überrascht. Noch nie in seiner ganzen bisherigen Laufbahn war er dermaßen gelobt worden!

      Obendrein war sein Honorar um ein Beträchtliches erhöht worden und sollte, wenn die Doku-Soap tatsächlich die erhofften Einschaltquoten erzielte, erneut steigen. Unwillkürlich trat beim Gedanken an den zu erwartenden Geldsegen ein Lächeln auf Lukas Brenners Lippen. Er drückte seine Zigarette am Balkongeländer aus und zündete sich eine neue an. Dabei musterte er Christine eine Weile von der Seite, überließ sich dann aber wieder voll und ganz seinen hochtrabenden Zukunftsträumen.

      Im Stillen sah er sich schon, wie er den Goldenen Löwen für die beste Unterhaltungssendung in Empfang nahm! Ganz deutlich sah er sich, wie er im eleganten Smoking auf der Bühne stand und die begehrte Trophäe in seinen Händen hielt!

      Wer konnte ihm verdenken, dass er bei der Angelegenheit auf Nummer sicher gehen wollte? Und ganz spontan war ihm, als er auf der Fahrt ins Fernsehstudio im Gasteig wieder einmal im Stau festhing, die richtige Idee zum Aufpeppen der Sendung gekommen.

      Wieder warf Lukas Christine ein paar flüchtige Seitenblicke zu. Wie konnte eine derart gutaussehende Frau nur so schrecklich spießig sein! Und seinen genialen Schachzug verkennen und ablehnen, bloß weil …

      Unwillig schüttelte Lukas den Kopf.

      Eine schöne Städterin, die Aussteigen wollte und fest entschlossen war, sich eine Existenz als Bäuerin aufzubauen, musste in der heutigen Zeit bei den Zuschauern einfach Interesse, wenn nicht sogar Neugierde wecken. Und nicht zuletzt auch die Lachmuskeln reizen. Vor allem, wenn sie schon nach den ersten Tagen ernüchtert feststellen musste, dass die Praxis sich doch ein wenig anders anfühlte als der schöne Traum vom Landleben.

      Lukas Brenner schnippte launig die Asche von seiner Zigarette.

      Bestimmt würde der Pörnbacher, der einen eher konservativen Eindruck machte, ebenfalls für Zündstoff sorgen. Spätestens, wenn er sich als gestandener Bauer einer jungen Frau aus der Stadt gegenübersah, die seinen Hof übernehmen wollte.

      Lukas spitzte seine Lippen, als wollte er pfeifen. Natürlich war ihm von Anfang an klar gewesen, wer die Aussteigerin und Möchtegern-Bäuerin sein sollte: Christine natürlich.

      Im Grunde verstand sich das ja von selbst, dass es jemand aus seinem Team sein musste, wenn er alle Fäden in der Hand halten wollte. Und Gregor Albrecht hatte ihm auch in


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