Kinderärztin Dr. Martens Classic 7 – Arztroman. Britta Frey
mit ihren Gedanken beschäftigt, legte sie mit Schwester Laurie behutsam die frischen Verbände an.
»So, mein Junge, jetzt lassen wir dich wieder allein. Vielleicht kannst du noch ein wenig schlafen. Ich komme heute mittag noch einmal zu dir, dann unterhalten wir uns ein wenig.«
Sanft strich sie Peter über das dunkle Haar, danach verließ sie mit Schwester Laurie, die dem Jungen noch einen mitleidigen Blick zuwarf, das Krankenzimmer.
*
Nachdem Hanna sich noch einmal gründlich mit den Unterlagen von Peter König beschäftigt hatte, suchte sie Kay auf, der sich in der chirurgischen Ambulanz aufhielt.
»Was gibt es, Hanna?«
»Ich möchte mit dir über Peter König sprechen. Hast du einen Augenblick Zeit?«
»Natürlich, ich bin hier fertig. Gehen wir hinüber in mein Sprechzimmer.«
»Hast du diesen Dr. Küsters schon erreichen können?« wollte Hanna wissen, während sie über den Gang gingen.
»Hab ich. Er wird am Donnerstag zu einem persönlichen Gespräch zu uns in die Klinik kommen.«
»Das ist prima, daß es so rasch klappen kann.«
»Das ist auch meine Meinung«, erwiderte Kay.
Sie betraten Kays Sprechzimmer, und er fragte interessiert: »Was ist mit dem kleinen Peter? Ist mit ihm etwas nicht in Ordnung? Hast du nicht persönlich die Verbände gewechselt?«
»Natürlich habe ich das, und ich bin auch sehr zufrieden. Natürlich wird der Junge noch ein paar Wochen bei uns bleiben müssen. Aber die Verbrennungen sind es nicht, über die ich mir im Augenblick Sorgen mache. Ich habe mir die Unterlagen noch einmal durchgelesen, und mir sind da einige Unklarheiten aufgefallen. Aber erst zu dem Jungen. Er scheint sich vor irgend etwas sehr zu fürchten. In seinen Augen lag ein Ausdruck panischer Angst, als ich zu ihm sagte: Wir wollen doch, daß du recht bald gesund wirst und du mit deinen Freunden spielen kannst.«
»Das ist in der Tat recht eigenartig. Doch was für Unklarheiten sind dir in den Krankenunterlagen aufgefallen?«
»Nun, es wurde doch angegeben, daß der Brand, bei dem sich Peter verletzt hatte, beim Spielen entstanden sei. An sich mag das so gewesen sein. Ich versteh dabei nur nicht ganz, warum ausschließlich Peter so schlimme Brandwunden davongetragen hat und sonst niemand von den anderen Kindern auch nur die kleinste Verletzung aufwies. Ehrlich, Kay, diese Frage möchte ich ja unbedingt geklärt haben. Ich möchte in Erfahrung bringen, vor wem oder was sich dieser neunjährige Bub so fürchtet. Ich werde natürlich vorsichtig forschen und den Jungen zunächst nicht befragen. So lange nicht, bis es ihm bessergeht. Du kennst mich ja. Was ich mir vornehme, das führe ich auch bis zum Ende durch.«
»Eben weil ich dich genau kenne, werde ich dir auch nicht widersprechen. Wenn da wirklich etwas nicht in Ordnung ist, wirst du es schon herausfinden. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sage mir Bescheid.«
»Ich werde es nicht vergessen, Kay. Jetzt jedoch will ich dich nicht länger aufhalten. Ich muß noch hinunter in die Küche und einiges mit Marike Schriewers besprechen.«
»Ist es nicht bald soweit, daß Marike ihr Baby bekommt?«
»In vier Wochen. Aus diesem Grund muß ich auch noch etwas mit ihr besprechen. Sie weist ja schon seit vierzehn Tagen ihre Vertretung ein, und ich interessiere mich natürlich dafür, ob während Marikes Abwesenheit auch alles reibungslos weiterläuft. Immerhin wird sie eine Weile aussetzen.«
»Und ist es schon sicher, daß sie danach ihre Arbeit bei uns wieder aufnehmen wird?«
»Ja, denn ihre Mutter wird das Kleine versorgen.«
»Dann ist ja alles bestens. Du, ich muß mich jetzt aber entschuldigen, ich muß ins Labor hinunter und ein paar Ergebnisse holen. Wir sehen uns dann später.«
Marike Schriewers, mit der Kay und Hanna genau wie mit ihrem Ehemann Martin ein fast freundschaftliches Verhältnis verband, kam sofort auf Hanna zu, als diese die große, geräumige Küche betrat, in der es schon recht hektisch zuging.
»Nun, wie läuft es, Marike?«
»Prima, Hanna. Frau Blomfeld ist eine ausgezeichnete Köchin. Sie wird auch hervorragend mit den Küchenhilfen fertig. Ich habe es nicht anders erwartet, sonst hätte ich sie nicht empfohlen. Ich muß auch zugeben, daß mir die Arbeit nun doch mit jedem Tag schwerer fällt und ich wohl ab nächsten Montag aussetze. Ich muß jetzt an mein Kind denken.«
»Ist doch schon seit vierzehn Tagen mein Reden, Marike. Wenn es nach mir geht, sollten Sie noch nicht einmal mehr diese Woche durcharbeiten. Zuviel des Guten ist auch nicht das Wahre. Wenn man es hier in der Klinik schon ohne Sie schafft, bleiben Sie ruhig gleich morgen daheim. Ihre Mutter hat sich ja bestimmt schon hier bei uns in der Gegend eingelebt, nicht wahr?«
»Das hat sie, Hanna. Sie sagte es mir erst gestern abend, daß sie sich schon riesig auf die Zeit freut, in der die Heide wieder zu blühen beginnt. Es wurde auch Zeit, daß sie endlich aus der Enge der Stadt herauskam. Martin hat sich mit ihr schon immer sehr gut verstanden und er ist sehr froh, daß sie in Zukunft mit uns zusammenleben wird. Ich hatte doch sehr häufig große Sehnsucht nach ihr.«
»So geht es mir auch, Marike. Zum Glück ist meine Mutter nicht allein. Wenn auch mein Vater in den vergangenen Monaten immer etwas kränkelt, weil sein Herz nicht mehr so recht mitmachen will, so hat meine Mutter doch wenigstens jemanden, den sie umsorgen kann. Ihre Mutter dagegen lebte ja völlig auf sich gestellt in der Stadt.«
Bevor Marike etwas darauf entgegnen konnte, trat Irma Blomfeld, eine zur Fülle neigende Frau von gut vierzig Jahren, zu ihnen und wollte mit einem freundlichen Lächeln wissen: »Haben Sie einen Wunsch, Frau Dr. Martens?«
»Nein, Frau Blomfeld, ich wollte nur nach Frau Schriewers sehen und mich einen Augenblick mit ihr unterhalten. Aber da Sie gerade hier sind… Sind Sie mit den Arbeitsbedingungen bei uns zufrieden? Kommen Sie schon mit allen klar?«
»Selbstverständlich, Frau Dr. Martens. Es läßt sich hier auch ausgezeichnet arbeiten. Ich bin vollauf zufrieden, und ich komme auch schon mit allem allein klar. Frau Schriewers sollte sich langsam mehr schonen und an das Baby denken, das sie in Kürze erwartet.«
»Das habe ich ihr auch gerade geraten. Ich will auch jetzt wieder gehen und Sie nicht von der Arbeit abhalten. Ich weiß ja, daß es um diese Zeit jede Menge Arbeit gibt, wenn das Essen zubereitet wird. Es bleibt auch dabei, daß ich es mit Ihnen genauso halte wie mit Frau Schriewers. Immer am Sonnabend nach der Mittagszeit werde ich mit Ihnen den Speiseplan für die kommende Woche besprechen. Also dann, ich muß wieder auf die Krankenstation hinauf.«
Hanna reichte Marike lächelnd die Hand und nickte Irma Blomfeld freundlich zu, danach verließ sie die Küche und ging zur Krankenabteilung hinauf.
*
Das persönliche Vorgespräch zwischen Kay und Michael Küsters, bei dem auch Hanna anwesend war, verlief für alle drei sehr erfreulich. Schon als der sympathische junge Arzt das Sprechzimmer Kay Martens’ betrat, waren beide angenehm überrascht. Im Verlauf des Gespräches stellte sich vor allen Dingen für Hanna sofort heraus, daß sie und Kay sich für den Richtigen entschieden hatten. Nicht das angenehme Äußere allein, sondern auch, wie er sich gab: höflich, zurückhaltend, und dabei doch mit einem verschmitzten Ausdruck in den Augen. Die für Kay und Hanna sehr wichtige Aussage über seine Fähigkeiten als Arzt ließen die Geschwister und den zukünftigen Mitarbeiter schnell einig werden. Dr. Michael Küsters würde also in gut einer Woche, zum ersten Februar, seinen Dienst in der Kinderklinik Birkenhain antreten. Es blieb ihm die Zeit, sich nach einer vorläufigen Unterbringung umzusehen.
Hanna empfahl ihm, sich erst einmal in der Pension »Haus Daheim« ein Zimmer zu nehmen.
»Also, Dr. Küsters, dann auf die kommende Woche und auf gute Zusammenarbeit«, sagte Kay, als sich der neue Mitarbeiter von Hanna und ihm verabschiedete, und reichte ihm mit einem herzlichen Lächeln seine Rechte.
Als Hanna und Kay