Kinderärztin Dr. Martens Classic 7 – Arztroman. Britta Frey
fragte Anne Buschen, nachdem er sich höflich bei ihr entschuldigt hatte.
»Ja, ich habe sehr nette Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, Frau Buschen. Die Kinderklinik ist alles in allem, wie ich schon heute am ersten Tag erkennen konnte, ein ausgezeichnet geführtes Haus. Ich werde mich wohl fühlen und gern dort arbeiten.«
»Ja, es stimmt. Dr. Martens und seine Schwester sind hier bei uns in der Gegend auch sehr beliebt. Es sind tüchtige Menschen, vor deren Können man Hochachtung haben muß. Wenn meine Jüngste, die Babsi, einmal krank werden sollte, kommt für uns auch nur Birkenhain in Frage. Aber ich will Sie mit meinen Reden nicht aufhalten. Der erste Tag ist immer der anstrengendste. Wann zu Abend gegessen wird, das wissen Sie ja.«
Mit einem freundlichen Lächeln verschwand Anne Buschen hinter der nächsten Tür.
Michael Küsters ging hinauf in sein Zimmer. Er mußte eine Weile mit seinen Gedanken allein sein. Zuviel war mit der kurzen Begegnung mit Christina an diesem Tag auf ihn eingestürmt und hatte alle Fragen aufs neue wieder aufwachen lassen. Er wußte, nur eine Aussprache mit Christina konnte Aufklärung bringen. Er mußte nur den Augenblick abwarten, wenn er Christina allein antraf. Eine Aufklärung war ihm Christina ganz einfach schuldig.
Michael Küsters Erwartungen, Christina allein zu treffen, erfüllten sich gleich am nächsten Tag, kurz nachdem er seinen Dienst in der Klinik angetreten hatte. Es kam für ihn völlig überraschend.
Er kam gerade aus der Röntgenabteilung, als er ihr plötzlich gegenüberstand.
Während Christinas Gesicht die Farbe verlor und sie einen Schritt zurückwich, stieg ihm eine dunkle Röte ins Gesicht. Sekundenlang starrten sie sich an. Bevor Christina jedoch die Flucht ergreifen konnte, Michael sah es ihrem Gesicht an, griff er nach ihrer Hand und bat: »Lauf bitte nicht davon, Christina. Ich bin so froh, dich endlich wiedergetroffen zu haben. Laß uns miteinander reden. Wir können doch nicht so tun, als ob wir uns nicht kennen. Ich muß mit dir reden.«
Mit einem heftigen Ruck entzog Christina ihm ihre Hand. Ihr Gesicht verschloß sich noch mehr, und mit tonloser Stimme entgegnete sie: »Tut mir leid, ich wüßte nicht, worüber es zwischen uns noch etwas zu reden gibt.« Ihr Kinn reckte sich in die Höhe, und ohne ein weiteres Wort zu sagen wandte sie sich ab und ließ ihn einfach stehen.
»Christina, bitte, du kannst doch nicht einfach so gehen«, rief Michael Küsters der jungen Schwester mit gedämpfter Stimme nach, jedoch ohne Erfolg, denn im nächsten Augenblick schon war Christina hinter einer Tür verschwunden.
Michael starrte auf die Tür, die sich hinter Christina geschlossen hatte. Er begriff überhaupt nichts mehr. Warum nur war Christina ihm gegenüber so eigenartig? Man konnte es sogar feindselig nennen. Was hatte er ihr getan, daß sie so reagierte? Er war sich keiner Schuld bewußt. Sie war es doch auch gewesen, die vor über fünf Jahren auf einmal nicht mehr für ihn zu sprechen gewesen war und danach spurlos verschwand. Und dabei war er selbst ihrer Liebe so sicher gewesen. Er hatte sich wohl getäuscht. Was für ihn die große Liebe war, war für Christina nur ein Spiel gewesen. Aber selbst wenn es so gewesen sein sollte, war das auf keinen Fall ein Grund, sich jetzt ihm gegenüber so feindselig zu verhalten.
Michael Küsters ahnte nicht, daß Christina nur nach außen hin so feindselig wirkte, daß sie sich damit stärken wollte. Auf der einen Seite glaubte sie, ihn zu hassen, und hatte eine furchtbare Angst davor, daß er etwas herausfinden könnte, was sie ihm niemals freiwillig preisgeben würde. Doch auf der anderen Seite zog es sie mit allen Fasern ihres Herzens erneut zu ihm hin. So wie es vor all den Jahren gewesen war.
Mit wild pochendem Herzen stand sie hinter der Tür, beide Hände vor die Brust gepreßt. Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, die ihr in die Augen schossen.
»Was ist denn mit dir los, Christina? Was ist passiert?« Die Stimme ihrer Kollegin Barbara ließ Christina zusammenzucken.
Nur mit Mühe gelang es ihr, sich zu fassen, und mit spröder Stimme entgegnete sie: »Es ist nichts, Barbara. Ist schon wieder alles in Ordnung.«
»Um nichts weint man nicht, Christina. Bin ich nun deine Freundin, oder bin ich es nicht? Warum willst du mir nicht sagen, was auf einmal mit dir los ist?«
»Bitte, Barbara, wenn du meine Freundin bist, dann frage bitte nicht. Ich kann dir nichts sagen. Ich kann es doch einfach nicht. Und bitte nicht böse sein.«
»Ich bin dir nicht böse, Christina. Ich bin nur ein wenig enttäuscht, daß du so gar kein Vertrauen zu mir hast. Ich sehe doch, daß dich etwas quält, dir schwer zu schaffen macht. Du weißt, wie sehr ich dich mag. Ich möchte dir doch nur helfen. Du weißt, daß ich mich nicht in dein Vertrauen drängen will. Du kennst mich, denn ich habe dich bisher auch nie gefragt, warum du deine freien Tage und Wochenenden immer allein verbringen willst. Ich habe deinen Wunsch in dieser Hinsicht immer respektiert, obwohl ich mich immer und immer wieder gefragt habe, warum du gerade aus diesen Tagen ein solches Geheimnis machst. Ich werde dich auch jetzt nicht bedrängen. Du sollst jedoch wissen, daß, wann immer dir danach ist, du mit mir über alles reden kannst.«
»Es gibt Dinge, über die ich mit niemandem reden kann, Barbara. Bitte verzeih mir, aber ich kann nicht, noch nicht. Wenn es einmal der Fall sein sollte, wirst du die erste sein, die alles erfährt. Jetzt laß uns an unsere Arbeit denken, sonst kommt der Chef und findet nichts vorbereitet vor.«
»Wie du willst, Christina. Also dann, auf geht’s, an die Arbeit.«
*
Es kam zwar selten vor, doch an diesem Morgen hatte Hanna doch wahrhaftig verschlafen. Erst lautes Pochen an ihrer Schlafzimmertür und eine helle Frauenstimme ließen sie hochschrecken.
»Es ist gleich halb sieben, Frau Doktor. Aufstehen, es wird allerhöchste Zeit.«
Mit einem Ruck sprang Hanna aus dem Bett und rief: »Ich komme sofort, Füchsin. Gießen Sie mir ruhig schon den Kaffee ein!«
Keine zehn Minuten später betrat Hanna den kleinen, gemütlich eingerichteten Eßraum in ihrem neuen Heim.
Der Duft des Kaffees stieg ihr in die Nase, und auf dem Teller lagen die zwei Hälften eines knusprigen Brötchens, mit Käse und rohem Schinken belegt.
»Guten Morgen, Füchsin«, wünschte Hanna und sah lächelnd auf die rothaarige, etwas vollschlanke junge Frau, die sich mit den Blumen auf der Fensterbank beschäftigte.
»Guten Morgen, Frau Doktor. Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit. Ich habe in der Küche noch frisch ausgepreßten Orangensaft. Darf ich Ihnen ein Glas davon bringen?«
»Gern, Füchsin, aber ein halbes Brötchen reicht heute. Danke, daß Sie alles schon vorbereitet haben. Wenn ich noch einmal verschlafen sollte, bitte wecken Sie mich dann ruhig eine Viertelstunde früher. Es ist nur gut, daß heute am Sonnabend der Tag drüben in der Klinik ruhig sein wird.«
Während des kurzen Gespräches trank Hanna ihren Kaffee und aß dazu eine Brötchenhälfte.
Jolande Rilla, von Hanna auf ihren eigenen Wunsch seit kurzem nur Füchsin genannt, holte den Orangensaft aus der Küche, und danach wurde es für Hanna auch höchste Zeit, hinüber in die Klinik zu gehen, denn die Uhr zeigte ein paar Minuten vor sieben.
Rasch zog sich Hanna eine warme Strickweste über, schlüpfte in ihre gefütterten Stiefeletten und verließ das Haus. Mit raschen Schritten, denn es war auch an diesem Februarmorgen draußen sehr kalt, eilte sie durch den Park hinüber ins Klinikgebäude.
Hanna war gerade dabei, in bequeme Schuhe zu schlüpften, als es an die Tür klopfte und kurz darauf Kay in das Zimmer trat.
»Guten Morgen, Hanna, ich habe dich schon vermißt«, sagte er neckend.
»Guten Morgen. Mein Bett war so mollig, daß ich wahrhaftig verschlafen habe. Wenn die Füchsin mich nicht geweckt hätte, würde ich wohl jetzt noch in den Federn liegen. Zum Glück kann ich mich auch in solchen Fällen auf sie verlassen. Es hat ja auch gerade noch mit der Zeit geklappt.«
»Es war nur ein Scherz von mir, Hanna. Der Grund, warum ich zu dir komme, ist ein anderer. Du hast