Dr. Laurin Classic 43 – Arztroman. Patricia Vandenberg
hohen Gummistiefeln kam er aus einem Stall, jenseits des Zaunes, zu dem Annemarie schnell gegangen war.
»Grüß dich, Luggi«, rief sie. »Wie geht es Traude? Ich habe sie schon ein paar Tage nicht gesehen.«
Ihre Stimme konnte man deutlich verstehen, die von Ludwig Rieding nicht.
»Ja, dann herzlichsten Glückwunsch. Es freut mich sehr für euch«, sagte Annemarie. »Kann ich Traude mal besuchen?«
Sie kam wenig später mit nachdenklicher Miene zurück, um sich nochmals zu entschuldigen.
»Komisch«, sagte sie, »nun haben sie einen Erben, und man müßte doch meinen, daß die Freude groß ist. Meine Nachbarin liegt übrigens in der Prof.-Kayser-Klinik, wie ich eben hörte.«
»Da ist sie gut aufgehoben«, sagte Teresa, und nun halfen ihr Konstantin und Kevin weiter.
»Hat sie ein Baby bekommen?« fragte Konstantin interessiert.
»Ja«, erwiderte Annemarie.
»Bei uns bekommen viele Damen Babys«, erklärte Kevin.
»Hoffentlich geht es ihr gut«, sagte Annemarie geistesabwesend. »Ich mag die Traude, aber mit ihren Schwiegereltern hat sie es nicht leicht.«
Und nun bahnte sich doch ein für Teresa recht ergiebiges Gespräch an, während die beiden Buben recht unternehmungslustig überall Umschau hielten und danach auch wie kleine Ferkel aussahen.
Teresa machte das nichts aus, auch nicht, daß sie nicht gerade gut rochen, als sie heimwärts fuhren.
*
»Anscheinend haben wir schon lange keine Schwierigkeiten mehr gehabt«, sagte Leon, als Antonia ihm das Findelkind präsentierte.
»Wenn es welche gibt, bade ich sie aus«, sagte Antonia.
»Bitte, Frau Doktor«, lächelte Leon. Dann legte er den Arm um sie. »Ich meine es ja nicht so.«
»Das weiß ich«, sagte sie und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. »Solch ein hilfloses kleines Geschöpf.« Sie enthüllte es vorsichtig.
»Aber gut ausgestattet«, stellte Leon fest.
»Die Sachen habe ich gekauft«, erklärte Antonia. »Es war erbärmlich beisammen.«
»Laienhafte Abnabelung«, bemerkte Leon Laurin, als er das nackte Körperchen betrachtete. Jämmerlich begann der Kleine nun wieder zu schreien. »Und ganz schlecht versorgt. Anscheinend nie richtig gewaschen. Immerhin wurde er nicht umgebracht.«
Vermutungen konnte man zur Genüge anstellen, aber damit hielt sich Antonia nicht auf. Vorsichtig tupfte sie den kleinen Körper mit Öl ab. Nach ihren Anweisungen hatte Schwester Marie, die mit gewohnter Gelassenheit den Tatsachen ins Auge blickte, die Babynahrung zubereitet. Hier war ein Kind, das Hilfe brauchte.
Dem Gewicht und der Körpergröße nach konnte das Kind höchstens eine Woche alt sein, wie sie übereinstimmend feststellten.
»Es gehört einige Phantasie dazu, einen Säugling in ein solches Geschäft zu tragen«, sagte Leon.
»Oder auch der Wunsch, daß es von jemandem gefunden wird, der in der Lage ist, für dieses Kind zu sorgen«, meinte Antonia.
»Das Kind hat einen Schutzengel«, sagte Schwester Marie.
»Es hat sich den besten ausgesucht«, stellte Leon fest. »Aber du bist dir doch im klaren, Antonia, daß die Wogen der Bürokratie in Bewegung geraten werden?«
»Ich werde sie glätten. Dieses Baby gehört unter ärztliche Aufsicht.«
»Zugegeben, aber wo ist die Mutter? Wir haben jetzt ein Kind ohne Namen.«
»Das ist auch schon mal dagewesen«, warf Schwester Marie ein.
»Ihr Frauen seid euch ja mal wieder einig«, bemerkte Leon Laurin schmunzelnd.
»Es kann sich doch nicht allein in dieser rauhen Welt behaupten«, sagte Antonia gedankenvoll. »Aber vielleicht hat sich die Mutter schon gemeldet.«
Doch der Tag ging zu Ende, ohne daß dies geschah.
Das Baby war Tagesgespräch im Hause Laurin. Ausführlich berichtete Kaja dieses Erlebnis ihren Brüdern und Großeltern, während Kyra sehr schnell eingeschlafen war.
Lena war tief enttäuscht, daß sie so wenig Anteil an dem Findelkind haben durfte. Gar zu gern hätte sie das Baby mit heimgenommen.
Konstantin dagegen war nicht erbaut, daß seine Mami so lange ausblieb.
»Hat Mami denn jetzt gar keine Zeit mehr für uns?« meuterte er.
»Sie muß es doch genau untersuchen«, sagte Kaja. »Es ist winzig, viel kleiner als eine große Puppe.«
»Ich weiß, wie winzig Babys sind«, sagte Konstantin unwillig. »Ich kann mich noch genau an Kyra erinnern. Aber das war unser Baby. Wir sind genug Kinder.«
Blanke Eifersucht sprach aus seinen Augen und seinen Worten.
Kaja dachte weniger egoistisch. »Es muß sich doch jemand um das Butzerl kümmern, wo seine Mutter es einfach weggelegt hat. So was ist ein starkes Stück.«
»Unsere Mami würde das nicht tun«, sagte Kevin. »Aber kleine Kinder brauchen Liebe, sagt Omi.«
»Es gibt genug Leute, die keine Kinder haben und welche haben wollen«, meinte Konstantin. »Ich kann mir jetzt schon denken, was es da wieder für Ärger geben wird.«
Und damit sollte er recht behalten.
*
Bei der Visite hatte Traude Rieding einen apathischen Eindruck gemacht und auf vorsichtige Fragen kaum geantwortet. Während Antonia um ihr Findelkind besorgt war, hatte Dr. Laurin sich an das Bett seiner schwierigsten Patientin gesetzt. Bevor ihr das Kind zum ersten Mal gebracht wurde, wollte er doch ihre Stimmung erkunden.
»Ich habe gestern Ihren Mann benachrichtigt, Frau Rieding«, begann er.
»Haben Sie ihn denn erreicht?« fragte sie mit rauher Stimme.
»Ja, er hat sich sehr über die Geburt des Kindes gefreut. Er war gestern noch hier, aber Sie schliefen.«
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