Fürstenkrone Classic 42 – Adelsroman. Viola Marquardt

Fürstenkrone Classic 42 – Adelsroman - Viola Marquardt


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appellieren würde – ich würde alles für ihn tun, glauben Sie mir! Aber als Untertanen behandeln lasse ich mich nicht. Ich will mein Leben leben, nicht das meiner Eltern! Ist das sehr schlecht von mir, Axel?«

      Der junge Mann schüttelte den Kopf. Seine Augen ruhten mit warmem Ausdruck auf ihrem stolzen Antlitz. »Wie könnte von Ihnen etwas Schlechtes kommen, Fräulein Ditscha«, sagte er fast leidenschaftlich.

      Wieder errötete das Mädchen. »Sie haben eine allzu gute Meinung von mir, Axel!«, entgegnete sie nicht ohne Befangenheit. »Mein alter Pastor Windmöller sagte immer, ich dürfe dem Hochmutsteufel keine Macht über mich einräumen. Daran will ich künftig denken. Aber, nicht wahr,

      Axel …«, sie blickte ängstlich zu ihm auf. »Vater kann nicht von mir verlangen, dass ich einen Mann heirate, den er mir als Gatten bestimmt?«

      Axel Lowitz’ sonnengebräuntes Gesicht wurde um einen Schein blasser.

      »Hat er das denn verlangt?«, stieß er mit rauher Stimme hervor.

      Ditscha schüttelte langsam den Kopf.

      »Nein, Axel, aber es sähe ihm ähnlich! Er ist so fest davon überzeugt, dass nur er weiß, was uns Kindern zu unserem Besten dient, dass er sich nicht scheuen würde, unsere Ehepartner zu bestimmen. Davor ist mir manchmal etwas bang. Denn nie würde ich einen Mann heiraten, den ich nicht von ganzem Herzen lieben und achten kann und von dem ich nicht weiß, dass er mich ebenso liebt wie ich ihn.«

      Axel Lowitz trat einen Schritt zurück! Verwirrung spiegelte sich auf seinen klaren, ausdrucksvollen Zügen.

      »Natürlich, Fräulein Ditscha«, murmelte er, »so soll es auch sein!«

      »Ja, nicht wahr?« Ditscha holte tief Atem. Ihre blauen Augen tauchten in die des jungen Mannes.

      Plötzlich lag etwas wie eine geheime Spannung in der Luft.

      Die beiden jungen Menschen, wie Geschwister miteinander aufgewachsen, sahen einander an – und es war, als sähen sie einander zum ersten Mal. Als wäre ein Schleier zerrissen, der ihre Gefühle bisher verhüllt hatte.

      Endlich fragte Axel gepresst: »Haben Sie Ihre Bücher mitgebracht, Fräulein Ditscha?«

      »Ja, hier sind sie«, antwortete Ditscha mit unsicherer Stimme.

      Beide griffen danach. Und über dem »Gallischen Krieg« und dem »Lexikon der Lateinischen Sprache« begegneten sich ihre Hände.

      *

      In straffer Haltung schritt der Leutnant Egon von Born durch die Berliner Tiergartenstraße.

      Immer wieder hob er grüßend die Hand an die Schläfe. Obwohl er Zivil trug, sah man ihm den kaiserlichen Offizier schon von weitem an. Und viele bewundernde, kokett oder schüchterne Frauenblicke folgten ihm auf seinem Weg.

      Das war verständlich. Egon von Born war eine auffallend stattliche Erscheinung.

      Groß und schlank, mit einem feingeschnittenen Gesicht, das stark an das von Frau Melanie erinnerte, leicht gelocktem aschblondem Haar und einem kecken blonden Schnurrbärtchen, war er der Leutnant par excellence. Der elegante Gesellschaftsanzug kleidete ihn ebenso gut wie die Uniform.

      Ab und zu griff er in die Tasche und befühlte ein längliches, in Seidenpapier eingeschlagenes Päckchen. Dann kräuselte jedes Mal ein erwartungsvolles Lächeln seinen Mund.

      Als er zuletzt in der Villa Barby zu Besuch gewesen war, hatte die schöne Nadine immer wieder von einem bestimmten Fächer geschwärmt, den sie im Schaufenster eines bekannten Luxusartikelhändlers Unter den Linden entdeckt hatte.

      »Einfach himmlisch! Elfenbein und echte Brüsseler Spitzen! Wie geschaffen für meine neue Balltoilette! Aber Papa will ihn mir nicht spendieren. Denken Sie nur, Baron Egon, so herzlos kann ein Vater sein! Ich werde den alten Straußenfederfächer zum Spitzenkleid tragen müssen, ist das nicht entsetzlich?«

      Und dazu hatte sie ihn mit ihren großen schwarzen Augen angesehen, dass ihm noch bei der bloßen Erinnerung daran heiß wurde.

      Ob es stimmte, was in den Berliner Salons gemunkelt wurde? Dass die Barbys – Oberst von Barby, seine Gattin Antoinette, geborene Fleury, und beider Kinder, Rittmeister Alexander von Barby und Nadine – nur mehr einen Schritt vom Abgrund des völligen finanziellen Ruins entfernt waren?

      Ach was, Geschwätz, dachte Egon. Wer ein Haus führt wie die Barbys, der kann nicht so schlecht gestellt sein! Fast jeden Tag Gäste, jede Woche eine Soiree, ein kleines Jeu im Roten Salon, eine Schlittenpartie, ein Kostümball – Alexander hat sich erst neulich wieder ein fabelhaftes Pferd zugelegt – und Nadines Toiletten sind die elegantesten von ganz Berlin. Die Leute mit ihrem bösartigen Klatsch! Neidisch sind sie, weiter nichts.

      Wieder griff er in die Tasche und lächelte. Nadine würde sich freuen. Kleine Aufmerksamkeiten schätzte sie über alles. Übrigens hatte ihn die »kleine Aufmerksamkeit« an die hundert Euro gekostet. Wie gut, dass

      Muttchen für Nachschub gesorgt hatte.

      Freilich – sie brauchte nicht zu wissen, dass ihre heimlichen Zuwendungen fast alle in irgendeiner Form den Weg in die Barbysche Tiergartenvilla nahmen. Aber er war nun einmal bis zur Tollheit verliebt in die reizende Nadine und dachte ernstlich daran, sie zu seiner Frau zu machen. Wenn er dem Großstadtleben schon früher oder später ade sagen musste, wollte er wenigstens ein Stückchen der großen Welt mit sich in die Mark nehmen, eben in Gestalt der kapriziösen Nadine.

      Mit ihr halte ich es sogar in Bornhagen aus! dachte er.

      Mittlerweile war er am Tor der Villa Barby angelangt und zog an der Klingelschnur.

      Ein alter Diener mit weißem Backenbart öffnete.

      »Guten Abend, Herr Baron!«, grüßte er ehrerbietig. »Darf ich um Herrn Barons Hut und Handschuhe bitten?«

      »Abend, Theodor«, erwiderte Egon. »Viele Gäste da?«

      »Ziemlich viele, Herr Baron. Graf Tollen, Oberleutnant von Rietz, Major Janda, Freiherr von Zülch, Herr von Ellern …«

      »Der auch?«, entfuhr es Egon unmutig. »Jawohl, Herr Baron. Darf ich Herrn Baron melden?«

      »Lassen Sie, Theodor! Ich muss doch noch … Es ist gut, ich brauche Sie nicht mehr. Den Weg finde ich schon.«

      Egon zog ein silbernes Bürstchen aus der Brusttasche, um Haar und Bart den letzten Schliff zu geben.

      »Wie Herr Baron empfehlen. Die Herrschaften sind im Roten Salon.«

      Der Diener zog sich mit einer Verbeugung diskret zurück.

      Egon zupfte verärgert an seiner seidenen Krawatte. Ellern – immer Ellern! Warum blieb er nicht dort, wohin er gehörte: auf Ellernried? Kaum eine Woche verging, in der er nicht in Berlin – und leider auch im Hause Barby – auftauchte, von Nadine jedes Mal mit dem schmelzenden Lächeln empfangen, mit dem sie alle ihre Verehrer bedachte.

      Egon war sehr missgestimmt auf einmal. Seine Freude war wie weggeblasen.

      Eigentlich hatte er nichts gegen den Mann. Es hatte sogar eine Zeit gegeben, da er die Abneigung seines Vaters gegen den Gutsnachbarn innerlich borniert genannt hatte. Doch nun begann er in Ellern einen höchst unbequemen Rivalen zu sehen. Warum musste Ellern auch mit den Barbys verwandt sein! Es war freilich nur eine sehr weitläufige Verwandtschaft, aber sie genügte doch, um ihm das Haus der Barbys zu öffnen.

      Egon seufzte. Er vergewisserte sich nochmals, dass das Päckchen mit dem Fächer an seinem Platz lag, und durchschritt dann die teppichbelegte Halle in der Richtung, aus welcher der Klang fröhlicher Stimmen kam.

      Sein Herz klopfte rascher, als er die Klinke niederdrückte. Gleich darauf stand er im Roten Salon, der seinen Namen der bordeauxfarbenen Damastbespannung der Wände verdankte. In den gläsernen Glaslüstern brach sich regenbogenfarbig das Licht.

      Aber noch heller strahlte das Lächeln Nadine von Barbys, die im Kreis ihrer Anbeter »Hof hielt«.

      *


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