Der kleine Fürst Classic 41 – Adelsroman. Viola Maybach

Der kleine Fürst Classic 41 – Adelsroman - Viola Maybach


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eine Fürst Classic – 41 –

      »Schön, dass Sie vorbeigekommen sind, Clara«, sagte Irina Mahler zu ihrer jungen Besucherin. »Ich weiß das zu schätzen, in Ihrem Alter hat man wenig Zeit, daran erinnere ich mich gut.« Sie lächelte. »Und normalerweise hat man auch eher Interesse am Umgang mit Gleichaltrigen. Umso mehr freue ich mich über Ihren Besuch.«

      »Sie tun ja fast so, als könnten Sie meine Großmutter sein, Frau Mahler«, lachte Clara von Bethmann. »Dabei sind Sie höchstens zwanzig Jahre älter als ich.«

      Irina Mahler war Mitte Vierzig, was man ihr nicht ansah, obwohl sie die grauen Strähnen in ihren tiefschwarzen Haaren nicht färbte. Sie trug sie in einem exakt geschnittenen Pagenkopf mit langem Pony – und allein diese Frisur gab ihr etwas Verwegenes und betonte ihr klassisches Profil, zu dem nur die vollen Lippen nicht ganz passen wollten. Sie verliehen ihrem Gesicht, das sonst vielleicht ein wenig streng gewirkt hätte, eine unerwartet pikante Note.

      »Zwanzig Jahre können sehr viel sein.«

      »Ich empfinde den Altersunterschied zwischen uns als nicht besonders groß. Jedenfalls habe ich mich noch nie, nicht ein einziges Mal, in Ihrer Gegenwart gelangweilt, während mir das mit Gleichaltrigen schon oft passiert ist.«

      »Dieses Kompliment gebe ich zurück, Clara. Und nun sagen Sie mir, wohin Sie fahren wollen.«

      »Zu einer Auktion!« Claras dunkle Augen begannen zu leuchten, sie strich sich mit einer Hand die ebenfalls dunklen Haare nach hinten – es war eine für sie typische Geste. Ihre Schönheit, hatte Irina schon öfter gedacht, wurde erst richtig sichtbar, wenn Clara redete und sich bewegte. Sie tat das Eine wie das Andere elegant und geschmeidig, es war eine Freude, ihr zuzusehen und dazuzuhören. »Sie wissen ja, dass ich nach dem Tod meiner Eltern ihren Antiquitätenhandel mit dem zugehörigen Ladengeschäft übernommen habe, und ich hoffe, ich kann auf der Auktion einige schöne Stücke erbeuten. Seit Tagen bin ich schon ganz aufgeregt deshalb.«

      »Sie sind noch so jung«, stellte Irina fest, »aber trotzdem kommt es mir so vor, als seien Sie bereits eine Expertin für wertvolle alte Stücke.«

      »Ich habe Kunstgeschichte studiert«, erklärte Clara. »Außerdem haben mich alte Sachen schon immer fasziniert, und meine Eltern und auch meine Großeltern haben diese Liebe früh erkannt und gefördert.« Clara sah sich in Irinas elegant möbliertem Salon um und lächelte ihre Gastgeberin an. »Und diese Liebe war es ja schließlich auch, die dazu geführt hat, dass Sie und ich uns kennengelernt haben. Sie haben erlesene Stücke in Ihrer Wohnung, Frau Mahler.« Irina hatte sich eines Tages in Claras Geschäft eingefunden, die beiden so unterschiedlichen Frauen waren schnell miteinander ins Gespräch gekommen.

      »Ja, ich weiß.« Auch Irinas Blick streifte jetzt über die kostbaren Möbel und Bilder. »Alles Erbstücke, mit denen meine Familie schon immer gelebt hat. Zu jedem kann ich eine Geschichte erzählen.«

      Clara hoffte, das werde die Ältere auch tun, denn sie hörte ihr gerne zu. Irina Mahler war in Frankreich zur Welt gekommen, hatte sie einmal erzählt, als Tochter eines vermögenden kunstsinnigen Ehepaars, das sie schon als kleines Mädchen mit auf weite Reisen genommen hatte. Sie konnte erstaunliche Geschichten aus fernen Ländern erzählen und hatte Clara schon mehrmals damit verblüfft, dass sie mehrere Sprachen fließend sprach: Neben Französisch, Englisch und Deutsch auch Russisch und Italienisch. Nun lebten ihre Eltern schon lange nicht mehr, und sie hatte sich in Deutschland niedergelassen, in der schönen Landschaft rund um Schloss Sternberg, wo auch Clara lebte.

      »Wollen Sie mich nicht begleiten?«, fragte Clara. »Ich bleibe zwei Tage, dann komme ich zurück.«

      »Nein, wirklich nicht, danke für das Angebot, aber ich bleibe lieber hier. Außerdem habe ich alles, was ich brauche, noch mehr will ich mir nicht anschaffen, und ich möchte auch nicht in Versuchung geführt werden.«

      Clara wunderte sich nicht über diese Ablehnung. Die weitgereiste Irina Mahler führte jetzt ein außerordentlich zurückgezogenes Leben, und sie schien nichts zu vermissen. Ein paar wenige Freunde hatte sie, mit denen sie sich regelmäßig traf, aber bei gesellschaftlichen Anlässen sah man sie nie. »Ich mache mir nichts daraus«, hatte sie einmal auf eine entsprechende Frage Claras geantwortet, »und warum soll ich dann meine Zeit damit verschwenden?«

      »Schade«, seufzte Clara. »Es wäre viel netter gewesen, nicht allein da herumzulaufen. Außerdem bin ich sicher, dass Sie mir noch einige wertvolle Tipps hätten geben können, wo ich bieten und wo ich es lieber lassen soll.«

      »Meine liebe Clara, wenn es einen Menschen gibt, der meine Tipps nicht braucht, dann sind Sie das«, stellte Irina mit einem kurzen Auflachen fest. »Werden Sie Bekannte treffen?«

      »Ja, auf jeden Fall die Sternberger, mit denen habe ich telefoniert, sie werden kommen, weil ein altes Schmuckstück angeboten wird, das einer Fürstin von Sternberg gehört haben soll – einer Vorfahrin des kleinen Fürsten.«

      »Der kleine Fürst«, murmelte Irina nachdenklich. »Das ist ein seltsamer Name für einen Fünfzehnjährigen. Am Anfang konnte ich gar nicht verstehen, warum der Junge so genannt wird, aber mittlerweile habe ich es verstanden, glaube ich: Er ist noch nicht volljährig und daher noch kein Fürst.«

      »Sie wissen ja, dass seine Eltern letztes Jahr tödlich verunglückt sind«, sagte Clara. »Früher haben die Leute hier in der Gegend immer gesagt: ›Der große und der kleine Fürst‹, wenn sie von Christian und seinem Vater gesprochen haben. Nun gibt es nur noch ihn, und der Name ist ihm geblieben. Aber mit dem Tag seiner Volljährigkeit, schätze ich, wird er verschwinden, denn dann wird Prinz Christian von Sternberg der nächste Fürst von Sternberg sein.«

      »Armer Junge«, murmelte Irina. »Mit fünfzehn Jahren seine Eltern zu verlieren, muss furchtbar sein.«

      »Er hat trotzdem noch Glück gehabt, Frau Mahler. Er konnte ja im Schloss bleiben, weil seine Tante Sofia mit ihrer Familie ebenfalls schon lange dort lebt. Und er versteht sich besonders mit seiner Cousine Anna sehr gut. Jedenfalls hilft ihm der Zusammenhalt der Familie, die Trauer über seinen Verlust zu bewältigen.« Clara sah auf die Uhr. »Ich sollte aufbrechen«, seufzte sie. »Heute Abend kann man sich alles, was morgen versteigert wird, noch einmal ansehen. Ich hatte bisher nur einen Katalog, da bekommt man zwar einen ersten Eindruck, aber mehr auch nicht.«

      »Ich hoffe, Sie berichten mir«, erklärte Irina, während sie Clara hinausbegleitete.

      Clara versprach das, verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung, setzte sich in ihren Wagen und fuhr davon.

      Irina Mahler aber kehrte nachdenklich in ihre Wohnung zurück. Sie musste aufpassen, dass sie sich der jungen Frau nicht allzu sehr öffnete, weil sie sie gern hatte. Mit einem Seufzer betrachtete sie ihr Bild in dem schweren Spiegel, der über einem Rokokotischchen hing, wandte sich jedoch nach wenigen Sekunden ab und ging zum Fenster, wo sie lange auf die Straße hinuntersah, in Gedanken sehr weit weg.

      *

      »Wenn du mitfährst, komme ich auch mit«, beschloss Anna von Kant, die dreizehnjährige Cousine Christian von Sternbergs. »Ich finde Auktionen zwar stinklangweilig, aber die Sache mit dem Collier ist schon interessant.«

      Christian und sie standen vor einem Portrait der Fürstin Josefine von Sternberg – es war im Jahre 1756 gemalt worden und zeigte die Fürstin mit eben dem Collier, das jetzt auf der Auktion des berühmten Auktionshauses Arndt & Semmeling versteigert werden sollte. Wieso es sich nicht mehr im Besitz der Familie Sternberg befand, hatte sich bislang nicht einwandfrei feststellen lassen.

      »Ja, das finde ich auch«, erwiderte der kleine Fürst. »Außerdem ist das doch mal was Neues für uns, Anna.«

      »Und Konny wird sich freuen, wenn er machen kann, was er will«, stellte sie fest. »Er hat ja schon gesagt, dass er nicht mitkommt.« Ihr Bruder Konrad empfand sich mit seinen sechzehn Jahren als erwachsen, was ihn eine Zeitlang veranlasst hatte, Dinge zu tun, die er für »erwachsen« hielt: Er hatte unter anderem zu viel Alkohol getrunken, die Schule geschwänzt und sich die falschen Freunde gesucht. Das schien vorbei zu sein, doch noch immer sorgten sich die Eltern, Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant, um ihn und fürchteten, dass er in seine früheren schlechten Gewohnheiten zurückfallen könnte.

      »Na ja, er wird schon nichts anrichten«, meinte Christian und löste


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