Der exzellente Butler Parker 24 – Kriminalroman. Günter Dönges
fragte die Lady halblaut und blickte nachdenklich zur Decke. »Mir ist, als hätte ich den Namen schon mal gehört, Mister Parker.«
Der Butler, der das Namensgedächtnis seiner Herrin nur zu gut kannte, frischte es diskret auf.
»Mister Pierre Lebrun, Mylady«, korrigierte er, um prompt unterbrochen zu werden.
»Papperlapapp, Mister Parker«, monierte sie. »Was sind schon Namen? Mich interessiert nur die große Linie, das wissen Sie doch! Woher kenne ich den Lümmel eigentlich? Ich bin gespannt, ob Sie darauf kommen«, fuhr sie fort und wartete ungeduldig auf Parkers Antwort.
»Mylady wechselten mit Mister Lebrun nach der Modevorführung gestern nachmittag einige Worte«, erklärte Parker würdevoll. »Dabei kam es zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit, die Mylady jedoch schnell bereinigen konnten.«
»Richtig, Mister Parker. War da nicht auch noch diese Boutiquenbesitzerin dabei, die sich unbedingt mit mir anlegen wollte?« Agatha Simpson lächelte in Erinnerung an die besagte Szene und fuhr spielerisch mit einer Hand durch die Luft, als teilte sie nochmal eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen aus.
Parker wurde einer Antwort enthoben, weil in diesem Augenblick der beschwipste Modeschöpfer Myladys Tisch erreichte und sich in einen der futuristisch geformten Sessel fallen ließ. Dabei stieß er an den etwas wackeligen Tisch und brachte Myladys Drink in die Horizontale.
Die Flüssigkeit mit der undefinierbaren Farbe ergoß sich über den Tisch und tröpfelte dann langsam über die Kante, wobei auch ein Tropfen andeutungsweise Myladys großzügig geschnittenes Sackkleid streifte.
Die Detektivin sprang auf. Sie stützte eine Hand auf den Tisch, musterte den erschrockenen Modedesigner und erteilte ihm umgehend eine Rüge in Form einer Ohrfeige, die klatschend auf seiner Wange landete.
Daraufhin erhob sich Lebrun andeutungsweise aus dem Sessel, kippte nach hinten um und ... riß einen Kellner mit zu Boden, der gerade Vorbeigehen wollte, um an einem entfernten Tisch zu servieren.
Das Tablett des Mannes flog durch die Luft und katapultierte die darauf befindlichen Gläser im freien Flug durch die Gegend, was einigen Gästen überhaupt nicht gefiel. Sie sprangen auf, als sie von Gläsern oder diversen Flüssigkeiten getroffen wurden, äußerten mehr oder weniger laut ihre Mißbilligung und sahen sich aufgebracht nach dem Urheber der Störung um.
*
»Ich kann nichts dafür, laßt mich los!« kreischte der Modedesigner und zappelte verzweifelt im Griff eines sehr massiv gebauten Mannes, von dessen spärlicher Frisur eine grüne Flüssigkeit tropfte. »Ich bin selbst angestoßen worden, das war die Lady da.«
»Das ist ja wohl doch die Höhe, Mister Parker. Haben Sie gehört, was man einer alten, wehrlosen Frau andichtet?« Lady Agatha glaubte ihren Ohren nicht zu trauen und sah den Butler empört an.
»Von wegen alte, wehrlose Frau!« schaltete sich Lebruns Begleiterin mit schriller Stimme ein. »Sie haben doch Pierre umgestoßen, Sie Monsterweib, Sie!«
»War das gerade eine Beleidigung, meine Liebe?«
Es war das Pech der jungen Frau, daß sie die Lady und deren Temperament nicht kannte. Mutig wiederholte sie ihre Äußerung und fügte lautstark weitere hinzu. Lady Agatha hörte ihr lächelnd zu und nickte beifällig. Dann holte sie aus und ... traf den massiven Mann, der Pierre Lebrun unsanft auf seinen Sessel drückte und dabei in Myladys Reichweite kam. Die junge Frau hatte die drohende Gefahr im letzten Augenblick erkannt und sich schnell zur Seite gedreht. So geriet der Mann mit dem spärlichen Haarwuchs in den Genuß, Myladys Schlagfertigkeit am eigenen Leib zu erfahren.
Ungläubig blickte er auf und starrte die Detektivin verdutzt an. »Das darf doch wohl nicht wahr sein!« Er kam langsam um den Tisch herum.
»Allerdings, Sie nehmen mir das Wort aus dem Mund.« Lady Agatha erhob sich und sah dem Massigen entgegen. »Das ist doch wohl die Höhe!« fuhr sie fort und rang die Hände dabei. »Kann eine alte Frau wie ich nicht mehr in ein Lokal gehen, ohne belästigt zu werden? Sie sollten sich schämen, junger Mann, so was gehört sich einfach nicht!«
»Wie bitte?« Der Massige sah die Lady verblüfft an und schüttelte ungläubig den Kopf. Bevor er weitersprechen und seine Meinung zu dieser Anschuldigung äußern konnte, wurde er von der Detektivin nachdrücklich daran gehindert. Sie hatte nämlich ausgeholt, und einen Augenblick später kam es zu einem sehr innigen Kontakt zwischen ihrem Schuh und dem gegnerischen Schienbein.
Der Getroffene heulte auf, griff mit den Händen an die malträtierte Stelle und begann, einen Tanz zu improvisieren. Danach wollte er sich auf keine weitere Diskussion mehr einlassen und ohne Rücksicht auf Verluste seinen Standpunkt klarmachen. Er walzte mit ausgebreiteten Armen auf Lady Agatha zu und hatte offensichtlich die Absicht, sie zu umarmen.
»Gestatten Sie, Sir?« schaltete sich Parker höflich und formvollendet in die Auseinandersetzung ein und stellte sich dem Mann in den Weg.
Dabei hob er ein Tablett, das er von der Theke geholt hatte, und stieß versehentlich an den nur schütter behaarten Kopf des Wütenden. Es gongte hohl, als Tablett und Schädel zusammentrafen, dann seufzte der Massige und verdrehte abenteuerlich die Augen.
Parker legte das Tablett beiseite und fing den Stürzenden scheinbar mühelos auf. Ohne daß ihm auch nur die geringste Mühe anzusehen war, trug er den schweren Mann in eine Nische, wo er ihn auf einen Sessel legte. Dann zog er sich diskret zurück und schloß einen Vorhang, um den Ruhebedürftigen vor neugierigen Blicken zu schützen.
*
»Das ist doch wirklich nicht zu fassen, Mister Parker«, beschwerte sich Lady Agatha auf dem Weg zum Parkplatz. »Da sehen Sie wieder mal, wie leicht es einen Unschuldigen trifft.«
»Mylady wurden in der Tat das Opfer einer bedauerlichen Verwechslung«, bestätigte Parker umgehend, obwohl er es natürlich besser wußte.
Der Manager des »Le Point« hatte sich in die Auseinandersetzung eingemischt und Mylady der Urheberschaft beschuldigt, um sie anschließend zu bitten, sein Lokal zu verlassen. Damit hatte er Parker in Verlegenheit gebracht, der alle Mühe aufwandte, seine aufgebrachte Herrin zu beruhigen und aus dem »Le Point« zu lotsen.
»Aber in dieser Angelegenheit ist noch nicht das letzte Wort gesprochen«, fuhr die Lady fort und konnte es noch immer nicht fassen. »Ich werde demnächst zurückkommen und diesen Möchtegern-Manager zur Rechenschaft ziehen, Mister Parker.«
»Mylady pflegen grundsätzlich nichts und niemandem etwas schuldig zu bleiben«, erwiderte Parker gemessen und bedauerte im vorhinein den Manager, der die Ordnung in seinem Lokal herstellten wollte.
Man erreichte Parkers sogenanntes hochbeiniges Monstrum. Dabei handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das sich im fortgeschrittenen Stadium von Altersschwäche zu befinden schien und bei nicht eingeweihten Beobachtern Spott und Mitleid hervorrief.
In Wirklichkeit handelte es sich um eine sogenannte Trickkiste auf Rädern, die mit modernster Technik ausgestattet war und bei einem gewissen James Bond mit Sicherheit einen Anfall von Neid hervorgerufen hätte.
An diesem bemerkenswerten Gefährt lehnte ein schlanker, hochgewachsener Mann in einem violetten Smoking, der Mylady umgehend die Nase rümpfen ließ.
Der Violette blickte auf, als er Agatha Simpson und den Butler bemerkte, und trat seine Zigarette auf dem Asphalt aus. Er verzog sein etwas verlebt wirkendes Gesicht zu einer Grimasse, die er wohl für ein freundliches Lächeln hielt, und nickte dem Paar aus Shepherd’s Market grüßend zu.
»Ich hoffe, Sie haben eine gute Erklärung dafür, daß Sie sich an Mister Parkers Wagen zu schaffen machen«, grollte die Detektivin, die eine unerwartete Gelegenheit witterte, ihren aufgestauten Ärger abreagieren zu können. »Sie dürfen ruhig erst ein wenig lügen, junger Mann, das macht mir gar nichts aus.«
»Wie bitte?« Der Mann im Smoking sah die energische Dame stirnrunzelnd an und verstand offensichtlich nicht den Sinn ihrer Äußerung. Dann zuckte er die Achseln und gab sich einen deutlich sichtbaren Ruck.
»Ich