Butler Parker 176 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 176 – Kriminalroman - Günter Dönges


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ection> Butler Parker – 176 –

      Er schnarrte mit der Stimme wie ein Oberst alter Schule, hatte sich ein Monokel ins linke Auge geklemmt und hielt Hof in einem kleinen Nebenzimmer des örtlichen Pub. Der Mann mochte etwa sechzig sein, war groß, hielt sich straff und strich hin und wieder über seinen gepflegten weißen Schnurrbart.

      Er sprach deutlich von alten Zeiten und betonte mehr als penetrant, welche Heldentaten er im zweiten Weltkrieg vollbracht hatte. Seine wesentlich jüngeren Zuhörer hingen mit Blicken bewundernd an seinen schmalen Lippen und hatten ein verdächtiges Leuchten in ihren Augen. Sie waren stolz auf diesen Mann, der durch Stahlgewitter geschritten war, wie er gerade überlaut geschildert hatte.

      »Mister Parker, dieser Gimpel geht mir auf die Nerven«, stellte Lady Agatha Simpson fest, »ich glaube nicht, daß ich das noch länger aushalte.«

      »Ein Mann, der von einer sehr dubiosen Vergangenheit lebt«, erwiderte Josuah Parker,« falls Mylady es wünschen, könnte man die Verbindungstür schließen.«

      Lady Agatha hatte sich ablenken lassen. Sie hörte, wie dieser Oberst alter Schule gerade von einem Kommandounternehmen bei Tobruk berichtete. Er allein hatte die Landung überlebt und anschließend eine feindliche Stellung im Handstreich genommen.

      »Härte allein gegen sich selbst, Leute, nur Härte allein zählt«, schwadronierte der ehemalige Kriegsheld ungeniert und lautstark weiter, »und keine Gnade mit dem Gegner. Nur wer gefürchtet ist, wird respektiert.«

      »Es dürfte nun an der Zeit sein, Mylady, die Tür zu schließen.« Butler Parker wartete die Erlaubnis dazu gar nicht erst ab, stand auf und schritt würdevoll wie ein Haushofmeister zur Verbindungstür. Sein Schließen fiel ein wenig nachdrücklich aus.

      »Das war sein Glück, Mr. Parker,« Lady Simpson entspannte sich sichtlich, »ich spielte bereits mit dem Gedanken, ihn zur Rede zu stellen.«

      Agatha Simpson, eine füllige, majestätische Dame, die das sechzigste Lebensjahr längst überschritten hatte, war eine ungemein temperamentvolle Natur, die ungeniert sagte, was sie dachte. Sie liebte geradezu Fettnäpfchen, um mit Genuß in sie zu treten. Hemmungen waren ihr absolut fremd.

      Sie befand sich auf der Heimfahrt nach London. Die ältere Dame hatte in der Nähe von Harlow ein Pferdegestüt besichtigt und nahm bei dieser Gelegenheit überrascht zur Kenntnis, daß sie die Eigentümerin dieses Gestüts war. Agatha Simpson war nämlich eine immens vermögende Frau, die sich jede Marotte leisten konnte.

      Um ihren angegriffenen Kreislauf zu stärken, war sie eingekehrt und trank gerade ihren zweiten Kognak. Josuah Parker hingegen hielt sich an Tee, zumal er den Wagen fuhr, der sie zurück nach London bringen sollte.

      »Guter Gott, Mr. Parker, die Stimme dieses Helden ist ja immer noch zu hören«, räsonierte die Lady und erhob sich ohne jede Vorankündigung.

      »Mylady beabsichtigen eine Intervention?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art. Er war ein altersloser Mann, etwas über mittelgroß, fast schlank und bot das Bild eines englischen Butlers, wie man ihn nur noch auf der Leinwand und auf dem Bildschirm zu sehen bekommt. Über seinem schwarzen Zweireiher trug er einen ebenfalls schwarzen Covercoat. Auf einem Stuhl in der Nähe lagen sein altväterlich gebundener Regenschirm und eine schwarze Melone.

      »Wir fahren weiter«, meinte Agatha Simpson, »ich will mir meine gute Laune nicht verderben lassen.«

      Sie hatte den Satz noch nicht ganz beendet, als die Tür zum Nebenraum schwungvoll aufgestoßen wurde. Einer der jungen Zuhörer und Bewunderer des Oberst erschien mit einem Zinnkrug, in dem frisch gezapftes Bier schäumte.

      »Mit den besten Grüßen vom Oberst«, sagte er und nahm militärische Haltung an.

      »Man dankt und erlaubt sich, diese Grüße zu retournieren«, antwortete Josuah Parker, der angesprochen war, »aus Gründen der Fahrsicherheit sieht meine Wenigkeit sich außerstande, die möglicherweise gut gemeinte Gabe anzunehmen.«

      »Machen Sie keinen Quatsch«, antwortete der etwa vierzigjährige Mann, »wollen Sie dem Oberst einen Korb geben?«

      »So kann man es natürlich auch ausdrücken«, lautete Parkers Antwort.

      »Das würd’ ich an Ihrer Stelle aber nicht tun«, warnte der Mann, »der Oberst kann verdammt empfindlich sein.«

      »Eine empfindsame Seele, wie man bereits deutlich hörte«, gab Josuah Parker zurück.

      »Bestellen Sie Ihrem komischen Oberst, daß er sich zum Teufel scheren soll«, schaltete Lady Agatha sich ein, »er ist mir bereits gründlich auf die Nerven gegangen.«

      Diese Feststellung bekam der Haudegen mit. Er stand bereits in der Tür und rückte sein Monokel zurecht. Sein Gesicht war krebsrot. Er hatte Mühe, einen Hustenanfall der Empörung zu unterdrücken.

      »Wie war das gerade?« erkundigte er sich schnarrend.

      »Der Mann hier weigert sich das Bier anzunehmen«, meldete der junge Mann und deutete dann auf Parker.

      »Wohl wahnsinnig geworden, wie?« Der Mann, der Oberst genannt wurde, rückte erneut an seinem Monokel und musterte dann den Butler, der bereits nach Melone und Regenschirm gegriffen hatte.

      »Aus Gründen, die mit der allgemeinen Sicherheit im Straßenverkehr zu tun haben, verzichtet meine Wenigkeit auf die Annahme des Tranks«, sagte Josuah Parker, »wenn Sie erlauben, nimmt man die Absicht für die Tat.«

      »Sie trinken das Bier, ist das klar?« schnarrte der Oberst und baute sich breitbeinig vor Parker auf. »Bisher hat es noch keiner gewagt, einem Oberst Randolph Bingham einen Drink abzuschlagen.«

      »Kommen Sie, Mr. Parker«, schaltete die streitbare Dame sich ein, »dieser Mann ist ja betrunken.«

      »Sie trinken jetzt, klar?« Bingham riß dem jungen Mann den Zinnkrug aus der Hand, daß das Bier überschwappte. Dann stieß er den Krug leichtsinnigerweise in Richtung Parker, um ihn so zu zwingen, dem Befehl nachzukommen.

      Josuah Parker reagierte.

      Der Bambusgriff des altväterlich gebundenen Regenschirms stieß fast zufällig unter den Boden des Zinnkrugs. Das Getränk verließ daraufhin den massiven Behälter und formte sich zu einem Riesentropfen, der über den Rand quoll, dann zu einer Fontäne wurde und sich schließlich auf das Gesicht des kriegerischen Mannes legte.

      »Sehr schön«, lobte Lady Agatha und nickte wohlwollend in Richtung Parker.

      »Meine bescheidene Wenigkeit möchte nicht versäumen, sich zu entschuldigen«, erklärte der Butler und deutete eine knappe Verbeugung an. Randolph Bingham wischte sich mit fahriger Bewegung das Bier vom Gesicht und griff dann nach seinem Monokel, ohne es allerdings zu finden.

      »Falls Sie nach Ihrem Einglas suchen sollten, so finden Sie es im Zinnkrug«, meinte Parker gemessen.

      »Das war ein Angriff auf meine Person«, deutete der Oberst diesen Zwischenfall und wandte sich abrupt ab. Er stakste zurück in den Raum, aus dem er gekommen war. Seine Begleiter folgten dicht auf, dann wurde die Verbindungstür hart ins Schloß geworfen.

      »Ein Zwischenfall, Mylady, der meiner Wenigkeit ungemein peinlich ist«, äußerte Josuah Parker.

      »Unsinn, Mr. Parker«, gab sie zurück, »Sie hätten ihm den Griff unter das Kinn setzen sollen. Kommen Sie! Dieser Lümmel dürfte inzwischen begriffen haben, wer ich bin.«

      Sie verließ die Ecke, in der sie mit Parker gesessen hatte und durchquerte den Pub. Die wenigen Gäste vorm Tresen schienen von diesem kleinen Intermezzo überhaupt nichts bemerkt zu haben. Sie taten so, als wäre Lady Simpson und Parker überhaupt nicht vorhanden.

      Vor dem Pub blieb die Detektivin einen Moment stehen und blickte zum nächtlichen Himmel, der Regen verhieß.

      »Ich glaube, Mr. Parker, ich habe einen Fehler begangen«, schickte sie dann nachdenklich voraus, »ich hätte diesen Flegel ohrfeigen sollen.«

      »Eine Reaktion, Mylady, die dieser Mann wohl kaum verdient hat«, gab Josuah Parker zurück. Er ging voraus und hielt auf seinen Privatwagen zu, der auf dem Parkplatz vor dem Pub stand. Bei diesem Wagen handelte es sich um ein betagt aussehendes Londoner Taxi,


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