Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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dann nehme ich den Zander, dazu hätte ich gern einen trockenen Weißwein und ein Mineralwasser mit nur wenig Kohlensäure.«

      Er staunte sie so richtig an.

      Es kam wohl nicht häufig vor, dass jemand sich so spontan entschied, ohne vorher in die Karte zu blicken und ohne sich nach dem Preis zu erkundigen.

      »Mineralwasser haben wir nur mit und ohne, mit wenig Kohlensäure haben wir keines.«

      »Macht nichts, dann bitte ohne Kohlensäure.«

      Er sagte nicht, welchen Wein er im Angebot hatte, hoffentlich erlebte sie keine böse Überraschung. Ringsum und am Tresen wurde nämlich ausschließlich Bier getrunken.

      Ach was, sie durfte nicht so pessimistisch sein. Wer in dieser ländlichen Idylle Zanderfilet anbot, der hatte auch einen guten Wein dazu.

      Es dauerte nicht lange, da bekam sie Wasser und Wein serviert und kurz darauf den Salat, serviert auf einem hübschen Teller, bestehend aus mehreren Salaten, angemacht mit einem köstlichen Dressing.

      In diesem Augenblick beschloss Roberta, keine Vorurteile mehr zu haben.

      Der Fisch war frisch, auf den Punkt gegrillt, dazu wurde mediterranes Gemüse serviert, und die Rosmarinkartoffeln waren ebenfalls hervorragend.

      Hier stand jemand in der Küche, der von seinem Handwerk etwas verstand, und Roberta fragte sich, wie sich das für den Wirt rechnete. Spitzenköche kosteten viel Geld.

      Sie war mehr als zufrieden, all ihr Ärger war vergessen. Sie wollte gerade den Wirt heranwinken, um zu zahlen, als sie sah, wie eine Frau aus der Küche kam, ohne Zweifel seine Frau. Obwohl man eigentlich eher bei einem Koch oder einer Köchin eine gewisse Beleibtheit vermutete, war sie schlank, aber sie machte einen erschöpften Eindruck.

      Da stimmte etwas nicht.

      Ein Eindruck, der sich verstärkte, als sie durch das Lokal ging, um Gäste, die sie kannte, zu begrüßen.

      Höflichkeitshalber blieb sie auch an Robertas Tisch stehen, die bemerkte sofort die feinen Schweißperlen auf der Stirn der Frau, die verkrampfte Körperhaltung.

      Sie hatte Schmerzen, die sie tapfer zu unterdrücken suchte.

      Alles deutete auf einen Herzinfarkt hin, die Körperhaltung, der feine Schweiß, die fahle Gesichtshaut.

      Sie war hier zwar Gast, aber sie war in erster Linie Ärztin. Sie sprach die Frau auf die von ihr erkannten Symptome an, die sie bestätigte.

      Sie bat sie, Platz zu nehmen, dann fühlte sie den Puls der Frau, der ihr praktisch um die Ohren flog.

      Sie fragte nicht, sie erklärte nichts, sondern zog ihr Handy aus der Tasche, drückte die eingespeicherte Notruftaste und erklärte, worum es ging und dass eine dringende Einweisung ins Krankenhaus zu erfolgen hatte.

      Die Frau stand neben sich, sie hing mehr als sie saß auf dem Stuhl.

      Mittlerweile hatten sich nicht nur der Wirt, sondern auch alle Gäste um sie gescharrt.

      »Können Sie mir mal sagen, was das hier zu bedeuten hat?«, blaffte der Wirt sie an. »Möchten Sie sich profilieren und demonstrieren, dass Sie die Nachfolgerin vom Dr. Riedel sind? Das wäre nicht nötig gewesen. Wir wissen, wer Sie sind.«

      Roberta musste ihren Zorn unterdrücken.

      Dieser Mann hatte das Gemüt eines Fleischerhundes. Seine Frau hatte einen Herzinfarkt, Eile war geboten, um deren Leben zu retten, was sie gerade versucht hatte, weil sie für alle Notfälle ­immer ein Fläschchen Nitro in der Tasche hatte, zum Glück auch jetzt, was ihr ein wenig Erleichterung verschaffte, weil es die Herzfrequenz ein wenig herunterbrachte.

      Er redete dummes Zeug daher!

      Sie blieb ganz ruhig.

      »Ihre Frau hat einen Herzinfarkt«, sagte sie ganz ruhig. »Jetzt zählt jede Minute. Das, was hier geschehen ist, ist erste Hilfeleistung und hat­ nichts mit Profilierung oder einer Demonstration zu tun.«

      Dann wandte sie sich der Frau zu, versuchte, sie zu stabilisieren, dank des Nitros ging der Puls ein wenig herunter.

      Der Krankenwagen war erstaunlich rasch da, und sie legte einfach Geld auf den Tisch, von dem sie hoffte, dass es genug war, dann entschloss sie sich, mit dem Krankenwagen mitzufahren und dem Notarzt, der sich voll auf sie verließ und nicht durch weitere Untersuchungen und Befragungen Zeit verlor, zu assistieren.

      Er war ein netter junger Mann mit noch wenig Berufserfahrung, der froh war, eine so erfahrene Kollegin an seiner Seite zu haben.

      Als sie das Kreiskrankenhaus erreichten, war es ihnen gemeinsam gelungen, die Patientin noch ein wenig zu stabilisieren.

      Sie konnten sie jetzt dem ­bereitstehenden Krankenhaus-Team überlassen.

      »Das war knapp«, sagte der junge Kollege und blickte sie bewundernd an, als er hinzufügte: »Ohne Sie und Ihr umsichtiges Handeln hätte die Frau die Attacke nicht überlebt.«

      Er stammte aus der Gegend, kannte sich aus, hatte natürlich die Frau des Wirtes erkannt.

      Es wunderte Roberta nicht, als er sie angrinste und bemerkte: »Normalerweise müssten Sie ab sofort Ihr Leben lang im ›Seeblick‹ freies Essen haben. Hoffentlich hat Hubert kapiert, was da abgelaufen ist.«

      Roberta hörte ihm kaum zu. Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. Sie hatte in ihrer Praxis einen grottenschlechten Tag ohne Patienten gehabt, denn die von Roths waren ja keine gewesen, aber die hatten ihr den Rat gegeben, im Gasthaus zu essen.

      Es hatte wohl alles so sollen sein.

      Ohne ihr Eingreifen hätte die Frau nicht überlebt, sie hatte versucht, alles herunterzuspielen, und ihm war es überhaupt nicht bewusst gewesen, was da mit seiner Frau passiert war.

      Nun ja, sie hatte es bereits gesagt, er hatte halt das Gemüt eines Fleischerhundes.

      Trotzdem würde sie wieder hingehen, um dort zu essen, aber erst, wenn seine Frau aus dem Krankenhaus entlassen war und wieder in der Küche stehen konnte.

      Jetzt aber wollte sie erst einmal nach Hause. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, zumindest was das Ende betraf.

      Sie fragte ihren jungen Kollegen, wo sie ein Taxi finden konnte, und als er ihr anbot, sie mit seinem Auto nach Hause zu bringen, freute sie das, und sie sagte ja. Das Angebot nahm sie gern an.

      Sie unterhielten sich angeregt, und als sie ausstieg, ver­abschiedete Roberta sich mit der Gewissheit, nun schon ­wieder einen sympathischen ­Menschen kennengelernt zu haben.

      Das war angesichts der vorherigen Frustration ganz wunderbar.

      *

      Bambi Auerbach kam ins Haus gerannt, stürzte sich in die Arme ihrer Mutter, um­armte und herzte sie stürmisch.

      Inge Auerbach wusste überhaupt nicht, wie ihr geschah.

      Gut, Bambi war ein sehr liebevolles Mädchen, und mit Umarmungen und Küsschen geizte sie nicht.

      Heute allerdings war sie außer Rand und Band.

      Nach noch einer Umarmung rief Bambi voller Begeisterung aus: »Mami, du bist die Allergrößte. Alle waren bei der Generalprobe hin und weg von meinem roten Prinzessinenkleid, das du mir genäht hast. Sogar die Lehrer konnten sich nicht einkriegen. Und stell dir mal vor, die Cordelia, diese dumme Pute, die ich überhaupt nicht leiden kann, hätte mir das Samtkleid am liebsten vom Körper gerissen, so toll findet sie es.« Bambi kicherte. »Und, Mami, weißt du, was das Allerschönste ist? Sie will es mir doch tatsächlich abkaufen, wenn die Aufführung vorüber ist. Oder sie will zu uns kommen und dich bitten, ihr auch so ein Kleid zu nähen. Sie sagt, dass das total couturig ist. Ist das nicht toll, Mami?«

      Nun kam über die offene Terrassentür Jonny hereingeschossen, um Bambi zu begrüßen. Die Beiden waren halt ein Herz und eine Seele, und obschon Jonny bereits ein betagter Hundeherr war, benahm er sich manchmal noch wie ein Welpe,


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