Der neue Sonnenwinkel Jubiläumsbox 1 – Familienroman. Michaela Dornberg
war ganz gerührt.
Es war für sie eine Selbstverständlichkeit, ihren Eltern im Alter etwas von dem zurückzugeben, was sie von ihnen bekommen hatte. Neben sehr viel Liebe, was überhaupt das Wichtigste war, hatten sie ihr alles ermöglicht, eine exzellente Schulausbildung, Klavierunterricht, sie hatte Tennis spielen lernen dürfen, und sie hatten ihr Auslandsaufenthalte ermöglicht, damit sie Sprachen lernen konnte.
Gut, studiert hatte sie nicht, aber gebildet war sie, sie konnte mehrere Sprachen perfekt sprechen, und das hatte sie ihren Eltern zu verdanken, die, um ihr das zu ermöglichen, auf so manches verzichtet hatten.
»Mama, Papa, das kann ich voll wiedergeben, ich bin überglücklich, euch als meine Eltern zu haben, und ich bete jeden Tag, dass Ihr mir noch lange, lange erhalten bleibt.«
Das war jetzt ein Augenblick, in dem die Gefühle überzuschwappen drohten, in dem man sich vor lauter Nostalgie gegenseitig beweihräucherte.
Das musste nicht sein, das wollten, vor allem brauchten alle drei nicht, weil sie wussten, was sie aneinander hatten.
Außerdem saßen sie beisammen, um etwas zu besprechen, was sehr real war und nichts als die Gegenwart betraf, die sich, wenn für Ricky alles nach Plan verlief, zu einer wundervollen Zukunft entwickeln konnte.
»Reden wir über unsere Ricky«, rief Inge, und dann konnte es losgehen.
Es wurde ein sehr konstruktives Gespräch, weil sich die Drei einig waren und an einem Strang zogen.
*
Nachdem Ricky mit ihren Eltern und Großeltern persönlich über ihre Zukunftspläne gesprochen hatte, nachdem auch Jörg und Stella eingeweiht worden waren, war es allerhöchste Zeit, auch die Rückerts vorsichtig auf das Kommende vorzubereiten. Das war unumgänglich, denn die würden es ihnen niemals verzeihen, wenn sie diese Neuigkeit durch Fremde erführen.
Fabian hatte sich bereiterklärt, mit seinen Eltern zu sprechen.
Ricky war so froh, dass Fabian sich opferte, auch Stella hielt es für das Beste, dass ihr Bruder diese Rolle übernahm, weil er von den Rückerts das größte diplomatische Geschick besaß.
Der Notar und Rechtsanwalt Dr. Heinz Rückert und seine Ehefrau Rosmarie gehörten ganz eindeutig zu den wichtigsten und angesehensten Bürgern von Hohenborn, und das genossen sie auch. Sie waren freundlich, nett, im Grunde genommen war gegen sie nichts einzuwenden. Es fehlte ihnen halt die Herzlichkeit, die die Auerbachs und die von Roths auszeichnete.
Fabian war da, wie gesagt, ganz eindeutig aus der Art geschlagen, und auch Stella, nicht ganz so liebenswert wie ihr Bruder, war anders als ihre Eltern.
Es konnte durchaus sein, dass Fabian und Stella sich sehr früh gebunden und dann auch gleich geheiratet hatten, um ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Und es kam gewiss auch nicht von ungefähr, dass sie sich beide für zwei Auerbach-Sprösslinge entschieden hatten.
Die Rückerts hatten erst kürzlich eine prachtvolle Villa bezogen, die ganz nach ihren Wünschen gebaut worden war.
Natürlich fragte sich so manch einer, warum sie sich das angetan hatten.
Zwei ältere Menschen allein in einem »Palazzo Protzo«, wie Stella ein wenig abfällig die Riesenvilla ihrer Eltern genannt hatte.
So eine Villa zu unterhalten, machte nicht nur viel Arbeit, der Unterhalt verschlang auch ein ganz schönes Sümmchen.
Mit dem Geld hätte man durchaus etwas anderes anfangen können.
Aber nun ja, jedem Tierchen sein Pläsierchen …
Fabian saß seinen Eltern im »gelben Salon« gegenüber und fühlte sich mehr als unbehaglich.
Er hatte es ihnen gesagt, und dann war seitens seiner Eltern ein Sturm losgebrochen.
Das Verrückte dabei war, dass es nicht die Idee ihrer Schwiegertochter war, über die sie sich aufregten, sondern sie waren außer sich, weil dieser Spleen Geld kostete, für Studiengebühren, Bücher, die Tagesmutter.
Sie beschworen ihren Sohn, es seiner Frau auszureden.
»Wenn du es nicht willst oder kannst, mein Sohn«, bemerkte Heinz Rückert, »dann werde ich mal mit Ricky reden. Also wirklich, jetzt studieren zu wollen. So etwas Verrücktes habe ich noch nicht gehört. Wenn sie Langeweile hat und daheim nicht ausgelastet ist, dann soll sie sich einer karitativen Aufgabe zuwenden. Meinethalben kann sie auch ein Kochbuch schreiben oder eines über die Herstellung von Marmeladen. Davon versteht sie was. Die Himbeermarmelade, die sie uns gebracht hat, ist köstlich.«
Fabian hatte schweigend zugehört.
In ihm kochte es.
Wie war sein Vater denn drauf?
Er atmete tief durch, dann sagte er erstaunlich ruhig: »Papa, es ist alles besprochen. Wir sind uns einig, und wenn das nicht so wäre, findest du nicht auch, dass das eine Sache zwischen Ricky und mir ist? Wir sind keine Kinder mehr.«
Jetzt griff Rosmarie ein, die hektische rote Flecken auf ihrem Gesicht hatte, das allerdings nicht wegen des Gesprächs, sondern weil sie sich maßlos darüber ärgerte, dass die Auerbachs es vor ihr erfahren hatten.
Das durfte sie natürlich nicht aussprechen, weil Fabian das nicht verstehen würde. Er war der Meinung, dass sowohl seine Eltern, als auch seine Schwiegereltern, froh darüber sein konnten, dass man sie in alles mit einbezog, dass aber darüber, wann wer was zuerst erfahren hatte und erfahren durfte, keine Strichliste geführt wurde und man sich im Übrigen nicht bei irgendwelchen Ausscheidungskämpfen befand, in denen über den ersten oder zweiten Platz entschieden wurde.
»Apropos, Kinder«, sagte sie. »Ihr habt immerhin vier davon. Was soll denn aus denen werden? Du in der Schule, deine Frau in der Uni, weil sie sich als Spätberufene fühlt. Also, bei allem Wohlwollen, und wir lieben unsere Enkel sehr, eines möchte ich klarstellen. Bei uns könnt ihr sie nicht parken. Zu Besuch ja, als Dauerzustand … eindeutig nein. Papa und ich haben zu viele gesellschaftliche Verpflichtungen.«
Seine Mutter konnte wirklich sehr, sehr nett sein, und er mochte sie, schließlich war sie seine Mutter. Doch manchmal könnte er sie schütteln, so wie gerade jetzt.
Es fiel ihm schwer, ruhig und sachlich zu bleiben.
»Mama, diese gesellschaftlichen Verpflichtungen hattet ihr schon immer, die haben uns durch unser Leben begleitet. Stella und ich konnten eher die Namen unserer Kinderfrauen aussprechen als Mama und Papa sagen, weil wir diese Frauen kannten und ihr für uns nicht mehr als Besucher wart, die hier und da vorbeikamen. Oder wir wurden herausgeputzt, wenn es galt, für ein werbewirksames Familienfoto zu posieren.«
»Willst du damit sagen …«
Fabian unterbrach seine Mutter.
»Mama, es ist vorbei, Vergangenheit. Und aus Stella und mir ist ja was geworden, ihr könnt uns und unsere Familien für ›gut‹ mitnehmen. Also, keine Sorgen, aber auch keine Vorwürfe. Ich bin hier, um euch zu informieren, mehr nicht. Ricky und ich haben alles im Griff, und ich bin sehr stolz auf meine Frau, ich bewundere sie für das, was sie plant, und, wie gesagt, sie hat meine volle Unterstützung, die von Jörg und Stella im Übrigen auch.«
»Na ja, ich weiß nicht, ob Stella die Kompetenz besitzt, das beurteilen zu können«, wandte Heinz Rückert ein. Eine Leuchte war sie nie, und vom Ehrgeiz besessen auch nicht. Und jetzt die Erbschaft … Finchen hat da keine glückliche Entscheidung getroffen.«
Fabian hatte es niemals ausgesprochen, doch jetzt konnte er nicht anders. Einmal musste es gesagt werden.
»Papa, bei Stella wäre sicherlich so manches anders gelaufen, wenn du sie nicht ständig unter Druck gesetzt hättest, wenn nicht diese irre Erwartungshaltung von dir gewesen wäre. Nachdem du mich nicht dazu zwingen konntest, in deine Fußstapfen zu treten, weil ich viel lieber Lehrer geworden bin, hast du es bei Stella versucht. Wenn du deine Tochter nur ein wenig kennen würdest, hättest du dir sagen müssen, dass sie für diesen Beruf total ungeeignet ist, dass sie die Juristerei nicht die Bohne