Butler Parker 177 – Kriminalroman. Günter Dönges
war nicht sein Partner, es war der Butler.
»Ich bedaure diese Kraftakte und verurteile sie im Grunde meines friedlichen Wesens«, entschuldigte sich Parker. Dann schlug er noch mal zu. Sein Schlag kam kurz und trocken. Ein Profi hätte nicht präziser zulangen können.
Der zweite Seemann verdrehte die Augen. Er produzierte einen wehmütigen Seufzer und suchte dann das Pflaster auf. Er schien sich darauf sehr wohl zu fühlen, denn er blieb liegen und hielt innigen Kontakt mit den groben Steinen. Er stand nicht mehr auf.
Josuah Parker hatte nun Zeit, sich den Morris Oxford etwas genauer anzusehen. Vorn auf dem Beifahrersitz entdeckte er ein kleines Funksprechgerät, ein Walkie-Talkie, wie es bei der Armee verwendet wird. Die beiden angeblichen Seeleute hatten sich also sehr modern ausgerüstet. Ob sie sich als reine Funkamateure auf solch eine kostspielige Sache eingelassen hatten, bezweifelte der Butler. Er vermutete realere Hintergründe.
Um den Dingen auf den Grund zu gehen, holte Parker das Funksprechgerät aus dem Wagen, zog die Teleskopantenne heraus und drückte den Sendeknopf. Mit etwas verstellter Stimme sagte er einige Male »Hallo« in das eingebaute Mikrofon hinein. Er war gespannt, ob die Gegenstelle sich meldete.
Sie meldete sich.
Eine kühle, unpersönliche Stimme fragte zurück. Sie wollte wissen, ob alles glatt verlaufen war.
»Habt ihr die Ware bekommen?« wollte die Stimme schließlich wissen.
»Ich muß Sie enttäuschen«, antwortete Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Hier spricht Josuah Parker. Ich muß in aller Form gegen Ihre unfairen Methoden protestieren. Ich wollte die Ware verkaufen, nicht aber verschenken!«
»Parker, Sie?« Ein nervöses Hüsteln folgte.
»Ich bin so frei«, gab Parker zurück. »Ich möchte Sie darauf hinweisen, daß zwei angebliche Seeleute dringend der Hilfe und Behandlung bedürfen. Sie haben das erlitten, was Sie wahrscheinlich in Ihrer Branche einen Betriebsunfall nennen werden.«
»Hören Sie, Parker, ein Mißverständnis.« Die kalte, unpersönliche Stimme war deutlich und ohne Verzerrung zu hören. Das Funksprechgerät arbeitete erstklassig. Die Gegenstelle mußte sich irgendwo in der Nähe der Docks befinden, sonst wäre wegen der hohen Bauten eine solch gute Verständigung gar nicht möglich gewesen.
»Ob Mißverständnis oder nicht, ich werde mir die Freiheit nehmen, die Ware anderweitig anzubieten.«
»Sie werden keinen Kunden finden. Vergessen Sie den Zwischenfall. Wir werden uns noch einigen.«
»Besser nicht«, meinte der Butler. »Ich bin sicher, daß es hier in London auch noch ehrliche Geschäftsfreunde geben wird. Ich empfehle mich.«
Parker ließ die Sende- und Empfangstaste los. Der Funksprechverkehr war damit beendet. Der Butler klemmte sich das Gerät unter den Arm und verschwand in der Dunkelheit. Vorher vergaß er allerdings nicht, die beiden Hinterreifen des Morris Oxford anzubohren. Er war nicht daran interessiert, daß die beiden angeblichen Seeleute allzu schnell wegfuhren. Er brauchte sie noch.
*
Fluchend und schwitzend mühten sich die angeblichen Seeleute ab, die beiden Hinterreifen zu wechseln. Sie waren übrigens vorsichtig geworden und hatten sich den Wagen samt Kofferraum sehr genau angesehen. Möglicherweise hatten sie befürchtet, Josuah Parker könnte sich als blinder Passagier eingeschlichen haben.
Nun, der Butler hatte davon Abstand genommen. Er wußte längst, daß er es mit Routiniers zu tun hatte. Und solchen Leuten konnte man nicht mit den üblichen Tricks beikommen. Um sie außer Gefecht zu setzen, mußte man sich schon etwas einfallen lassen.
Es dauerte übrigens nicht lange, bis die beiden sogenannten Seeleute Verstärkung erhielten. Eine 58er Jaguar Limousine kam aus einer Seitenstraße und hielt genau hinter dem Morris Oxford an. Zwei Männer verließen den Wagen und halfen ihren Freunden beim Reifenwechsel. Josuah Parker, der in Deckung gegangen war, konnte alles sehr genau überblicken. Er stand hinter der nur spaltbreit geöffneten Tür einer Mauerpforte. Mit seinem Universalschlüssel hatte er sich Zutritt verschafft. Parker merkte sich nicht nur die Nummer des Jaguars, er überlegte auch, welchen Streich er der Besatzung des Wagens noch spielen konnte.
Schnell fand er eine ansprechende Lösung.
Parker holte aus einer der unergründlichen Taschen seines schwarzen Covercoats eine zusammenlegbare Gabelschleuder eigener Konstruktion.
Innerhalb weniger Sekunden war sie betriebsbereit. Prüfend strammte er die starken Gummistränge, die an den Gabelenden befestigt waren. Als Spezialmunition verwendete er grobe Schrotkörner.
Diesmal begnügte er sich nicht mit einem einzigen Schrotkorn. Ihm kam es auf einen lautstarken Effekt an. Parker packte die Lederschlaufe der Gabelschleuder also voll mit Schrotkörnern. Darm spannte er die beiden Gummistränge, visierte den Morris an und schickte seine Munition auf die Reise.
Natürlich traf er haargenau. Wie hätte es auch anders sein sollen. Was Parker tat, besorgte er richtig.
Prasselnd landeten die Schrotkörner auf dem Blech des Kofferraums. Ein Theatergewitter hätte nicht lauter sein können. Die abgeprallten Bleikörner verwandelten sich in winzig kleine Querschläger und pfiffen den vier Seeleuten um die Nasen.
Die Wirkung war einzigartig.
Die Gauner verwandelten sich in erschreckte Veitstänzer. Sie schienen von einem halben Dutzend Taranteln gebissen worden zu sein. Die Männer fühlten sich angegriffen, warfen sich blitzschnell in Deckung und hielten nun Ausschau nach ihrem Feind.
Damit hatten sie allerdings Pech.
Parker befand sich nämlich längst wieder in Deckung. Und da seine Gabelschleuder beim Abschuß keinen Lärm verübt hatte, konnten die vier Männer nicht herausbekommen, wo der Schütze sich befand.
Es dauerte einige lange Sekunden, bis die vier angeblichen Seeleute sich vorsichtig erhoben. Zwei von ihnen hatten längst ihre Schußwaffen gezogen. Sie warteten nur darauf, einen Schuß anbringen zu können.
Parker beobachtete zwei Männer. Zwei von ihnen schirmten die beiden Männer ab, die sich noch immer mit den platten Reifen abmühten
Um etwas Leben in die Szene zu bringen, spannte der Butler erneut die Gabelschleuder. In der Lederschlaufe befand sich diesmal ein kleiner Federbolzen, dessen Spitze nadelscharf geschliffen war.
Der Butler öffnete die Pforte so weit, daß er den Morris erneut anvisieren konnte. Genauer gesagt, ihn interessierte das Gesäß eines der Männer. Es präsentierte sich gefällig und gestrammt, da der Mann sich gerade bückte.
Unhörbar sirrte der Federbolzen durch die Luft.
Dann erreichte er das Gesäß. Die scharfe Spitze durchschlug den Anzugstoff und bohrte sich in die Gesäßmuskeln.
Der Gauner richtete sich blitzartig auf. Dann schrie er kurz und entsetzt auf. Er faßte nach der schmerzenden Stelle und improvisierte einen neuen Tanz, der an Schnelligkeit und Artistik nichts zu wünschen übrig ließ.
Der zweite Reifenwechsler hatte sich hastig aufgerichtet. Er schrie seinem Partner einige Fragen zu, die der aber infolge seines Tanzes nicht beantworten konnte. Um diesem fragenden Mann zu zeigen, mit welchen Problemen sein Partner zu tun hatte, schickte der Butler einen zweiten Federbolzen auf die Reise.
Er traf genau.
Der zweite Reifenwechsler brüllte auf, faßte nach seinem Gesäß und startete zu einem rasanten Sprint. Innerhalb weniger Sekunden war er in der Dunkelheit verschwunden.
Die beiden Waffenträger verloren die Übersicht. Mit einem unsichtbaren Gegner hatten sie es noch niemals zu tun gehabt. Sie wollten sicherheitshalber erst mal hinter dem Jaguar in Deckung gehen.
Einer schaffte es.
Der zweite Revolverbesitzer wurde von einem dritten Federbolzen erwischt. Auch in diesem Fall wurde das Gesäß getroffen. Der Mann sprang aus dem Stand etwa dreißig Zentimeter in die Höhe, schnappte nach Luft und verlor