Butler Parker 147 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 147 – Kriminalroman - Günter Dönges


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Schlangennummer herausbringen? Eine Begabung dafür haben Sie mit Sicherheit.«

      »Sie beschämen und beglücken zugleich meine bescheidene Wenigkeit«, bedankte sich Parker für das Kompliment und begab sich zur nahen Tür. Seine stets hellwachen Sinne hatten ein Geräusch auf dem Korridor mitbekommen, das seiner Ansicht nach nicht ganz regulär sein konnte.

      Agatha Simpson, Kathy Porter und Mike Rander befanden sich zu dieser Zeit in einer Großhandlung für exotische Tiere. Die Firma, die einen guten Namen hatte, gehörte einem gewissen Charles Haggan, der von Zeit zu Zeit als Tierfänger unterwegs war.

      Charles Haggan war etwa fünfzig und wirkte so trocken wie ein Bankbuchhalter, fand Mike Rander insgeheim. Haggan war klein, rundlich und trug eine dickglasige Brille. Es war kaum vorstellbar, daß gerade dieser Mann sich in den Dschungeln des Amazonas auskannte wie in seiner Westentasche. Noch weniger nahm man ihm ab, daß er sich ausgerechnet auf den Fang von Schlangen spezialisiert hatte.

      Er hatte seine Besucher im Büro seiner Tierhandlung bei den Victoria Docks empfangen und führte sie über eine eiserne Wendeltreppe in die Lagerräume für Exoten. Seine Bewegungen waren erstaunlich geschmeidig und schnell.

      »Sie werden sich wundern, Mylady, was für besonders hübsche Würgeschlangen ich habe«, meinte Charles Haggan begeistert, »ich habe gerade erst wieder eine Sendung erhalten.«

      »Gibt es hübsche Würgeschlangen?« fragte die ältere Dame.

      »Aber natürlich, Mylady«, redete Haggan sich in Begeisterung, »sie gehören mit zu den schönsten Tieren, die ich kenne. Denken Sie nur an die einmalige Geschmeidigkeit dieser Körper, dieses Gleiten, diese Kraft und diese höchst sensitiv ausgebildeten Sinne.«

      »Sinne?« schaltete der Anwalt sich ein, »sind die Schlangen nicht so gut wie blind?«

      »In gewissem Sinn schon, Mr. Rander«, bestätigte Haggan und führte seine Gäste in ein Gewölbe, in dem eine feucht-warme Atmosphäre herrschte, »die Augen der Schlangen sind nicht besonders ausgebildet. Die Tiere können gerade so etwas wie Umrisse erkennen, aber das ist es nicht, was ich meine. Ich denke da an die Wärmefühligkeit und an die Sinnesorgane, die auf die feinsten Erschütterungen spezialisiert sind. Ein Jagdhund ist dagegen direkt stumpfsinnig.«

      »Aber einen Jagdhund kann man dressieren«, warf Kathy Porter ein, »eine Boa dagegen nicht.«

      »Ist das richtig, Haggan?« wollte die Lady wissen. Sie stand inzwischen vor einem großen Terrarium, in dem einige Boas es sich bequem gemacht hatten. Die Reptilien lagen entweder auf dem Boden oder hingen wie schwere Trauben in einigen Astgabeln.

      »Dressieren kann man Schlangen natürlich nicht«, lautete Haggans Antwort, »was wieder für den gesunden Instinkt dieser Tiere spricht, nicht wahr? Aber wenn man die Verhaltensweisen kennt, kann man sich natürlich darauf einstellen.«

      »Gibt es überhaupt so etwas wie eine Killer-Boa?« Agatha Simpson begutachtete das nächste Terrarium, das wesentlich feuchter eingerichtet war und so etwas wie eine kleine Wasser- und Sumpfstelle enthielt. Hier waren zwei Anakondas untergebracht, jede gut und gern fünf Meter lang.

      »Ist das nicht wunderbar?« freute sich Haggan.

      »Gibt es Killer-Boas?« wiederholte Lady Agatha ihre Frage, »kann man eine Schlange darauf abrichten, Menschen anzugreifen und zu Tod zu würgen?«

      »Eine schwierige Frage.« Charles Haggan rückte sich die Brille zurecht. »Ich möchte in etwa zustimmen, gleichzeitig die Frage aber auch wieder verneinen.«

      »Präziser kann kaum eine Auskunft sein«, fand Lady Agatha grollend.

      »Ich weiß«, entschuldigte sich Haggan, »eine Schlange, gleich welcher Art, greift nur an, wenn sie hungrig ist. Hat sie ihre Beute geschlagen, braucht sie Tage bis Wochen, um in aller Ruhe zu verdauen. Denken Sie nur daran, daß eine Anakonda – um ein Beispiel zu nennen – mit einem Wasserschwein oder Tapir wochenlang zu tun hat.«

      »Ich spreche von Menschen, auf die man Boas ansetzen kann, Mr. Haggan«, erinnerte die Detektivin streng.

      »Vorausgesetzt, man läßt eine Würgeschlange entsprechend lange hungern«, erklärte Haggan weiter, »vorausgesetzt, man kennt sich mit Schlangen besonders gut aus, dann wäre es unter Umständen vielleicht möglich, solch ein Reptil auf ein menschliches Opfer zu hetzen. Doch dazu bedarf es besonderer Voraussetzungen.«

      »Die ich von Ihnen hören möchte«, sagte die Lady streng, »kommen Sie endlich zur Sache, Haggan!«

      »Man müßte einen entsprechenden Köder in die Nähe eines Menschen bringen«, setzte der Tierfänger seiner Besucherin weiter auseinander, »falls eine Boa dann zupackt, falls der Mensch wach wird und sich bedroht fühlt oder falsch verhält, nun ja, dann wird solch eine Boa vielleicht auch diesen Menschen attackieren, weil sie sich ihrerseits angegriffen fühlt. Verstehen Sie, was ich meine?«

      »Überhaupt nicht«, entschied Agatha Simpson. »Sie zählen mir zu viele Voraussetzungen auf, Haggan.«

      »Um herauszustellen, daß man eine Würgeschlange kaum abrichten kann, einen Menschen anzugreifen«, faßte Haggan zusammen, »nein, wenn ich es recht überlege, so dürfte man auch bei größter Geduld kaum eine Würgeschlange zum Killer dressieren können, eine schreckliche Vorstellung, aber das nur am Rand. Gäbe es die Möglichkeit, eine Boa abzurichten, so hätte ein Mensch kaum eine Chance. Ihm würden sämtliche Knochen im Leib gebrochen, verlassen Sie sich darauf.«

      »Angenommen, ich würde eine Boa durch ein geöffnetes Fenster in ein Schlafzimmer einschleusen«, schickte Mike Rander voraus, »wie würde die Schlange sich verhalten? Ich gehe natürlich davon aus, daß in diesem Zimmer ein ahnungsloser Mensch schläft.«

      »Ich glaube kaum, daß etwas passieren würde«, lautete die Antwort des Schlangenexperten, »die Boa würde herumkriechen und nach Beute suchen, falls sie hungrig ist, doch einen Menschen würde sie sicher kaum anfallen.«

      »Und dennoch, so etwas dürfte erst vor kurzer Zeit passiert sein«, erklärte der Anwalt, »und genau dabei scheint so etwas wie eine Killer-Boa im Spiel gewesen zu sein.«

      »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen«, meinte Haggan, »oder hat das Opfer sich mit der Schlange etwa angelegt? So etwas kann dann natürlich nur tödlich ausgehen.«

      »Einzelheiten sind noch nicht bekannt«, bedauerte der Anwalt, »sagen Sie, gibt es vielleicht irgendwelche chemische Mittel, eine Boa anzuheizen?«

      »Darüber ist mir wirklich nichts bekannt«, erwiderte Charles Haggan und befaßte sich wieder intensiv mit seiner dickglasigen Brille, »Sie denken an ein Dopingmittel?«

      »So in etwa«, meinte Rander und nickte.

      »Nein, nein, ausgeschlossen«, gab Haggan zurück, »wenn Sie mich als Fachmann fragen, so glaube ich, daß man die Killer-Boa nur erfunden hat, um Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen.«

      »Was man bei mir nie schaffen würde«, behauptete Agatha Simpson.

      »Würden Sie sich eine Boa um den Hals legen lassen, Mylady?« fragte Haggan und deutete durch die Scheibe des Terrariums auf eine Netzboa, die etwa vier Meter lang war.

      »Selbstverständlich«, gab Lady Agatha zurück, »eine Kleinigkeit, aber es muß ja nicht gerade jetzt und hier sein, ich habe schließlich noch viel zu tun, nicht wahr, Kathy? «

      »Da bin ich überfragt, Mylady«, antwortete Kathy Porter und lächelte.

      »Ich habe eine Menge zu tun«, entschied die ältere Dame und betonte das Wort »habe« sehr nachdrücklich, »schließlich gilt es, einen Kriminalfall zu lösen, Kindchen. Kommen Sie, verlieren wir keine Zeit.«

      Agatha Simpson hatte es plötzlich mehr als eilig, die Gewölbe der Tierhandlung zu verlassen. Dabei übersah sie das Lächeln, das Mike Rander und Kathy Porter miteinander tauschten.

      *

      Mandy Brock beobachtete Parker, der plötzlich die Tür aufriß und einem schlanken, mittelgroßen Mann gegenüberstand,


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