Butler Parker Box 12 – Kriminalroman. Günter Dönges
einen Wagen ausleihen.«
»Oder eine Taxe kommen lassen.«
»Wir gehen hinüber zu Johnny«, entschied Bert, »der muß hier in der Nähe wohnen. Und da bleiben wir auch, bis es hell geworden ist.«
Bert schloß die Türen seines Rolls ab. Wenig später befanden sich sechs mehr oder weniger schlecht gelaunte Rocker auf dem Fußmarsch durch die Nacht.
Diese schlechte Laune jedoch registrierte der Kleinstsender schon nicht mehr. Er hatte sich nur darauf beschränkt, die Unterhaltung zwischen den Rockern peinlich genau zu übertragen.
»Sie hatten tatsächlich auf uns gewartet«, meinte Rander respektvoll, nachdem der Butler berichtet hatte, »glauben Sie, Parker, daß sie sich jetzt sicher fühlen?«
»Man sollte in der Tat nach wie vor mit einer Falle rechnen«, erwiderte der Butler. Er stand mit seinem jungen Herrn am hochbeinigen Wagen.
»Wenn Sie gestatten, Sir, sollte man jetzt diesen Standort verlassen.« Parker öffnete die Tür, ließ seinen jungen Herrn einsteigen und setzte sich anschließend ans Steuer. Dann fuhr er an, ohne aber die Lichter des Wagens einzuschalten. Wenig später war das hochbeinige Monstrum, wie Parkers Wagen genannt wurde, in der Dunkelheit verschwunden.
Der Feldweg endete auf einem freien Platz, der von ein- und zweistöckigen Holzhäusern umgeben war. Die Häuser waren um diese Zeit unbeleuchtet. Nur hinter den Fenstern einer Fremdenpension brannte im Erdgeschoß Licht.
Vom nahen Michigan-See her wehte eine inzwischen steife Brise, die den Geruch von Wasser und faulem Holz transportierte. Der kleine Ferienort Bageside schien unter dieser Brise zu frösteln.
Bert und seine fünf Begleiter hatten Bageside erreicht und waren mehr als sauer. Den Gebrauch ihrer Beine hatten sie fast verlernt. Sie zogen es vor, auf Motorrädern oder im Rolls durch die Lande zu fahren.
Bert hielt zielsicher auf die Fremdenpension zu, winkte seine Freunde zurück in die Dunkelheit und klopfte gegen die Scheibe der Eingangstür. Überraschend schnell schlurfte ein alter Mann heran und sah Bert durch die Scheibe fragend an.
Bert war sich klar, daß er in seiner schwarzen Lederkleidung nicht gerade vertrauenerweckend aussah. Er kannte die Abneigung und Angst der Bürger, die die Lederkleidung nicht schätzten. Um unnötige Fragen auszuschalten, preßte er einen Geldschein gegen die Scheibe und machte dem alten Mann durch eine Geste klar, daß er telefonieren wollte.
»Schieben Sie den Schein unten durch die Tür«, rief ihm der Mann hinter der Scheibe zu.
Bert verkniff sich eine wütende Antwort, bückte sich und drückte den Geldschein unten durch den Türspalt.
»Welche Nummer soll ich anrufen?« rief der alte Mann, der nicht im Traum daran dachte, die Tür zu öffnen.
Bert schoß das Blut ins Gesicht. Am liebsten hätte er die Tür eingetreten und es dem alten Burschen nach seiner Art gezeigt. Aber er bezwang sich. Aus bestimmten Gründen wollte er nicht auffallen.
Er nannte die Nummer.
»Sagen Sie Johnny, daß er mich hier abholen soll«, fügte Bert hinzu, »machen Sie schon, ich habe eine Autopanne.«
Der alte Mann schlurfte von der Tür weg, um nach knapp zwei Minuten zu dem ungeduldig wartenden Bert zurückzukommen.
»Ihr Freund kommt«, rief er durch die Scheibe, »gegenüber gibt es eine Wartehalle für den Bus.«
Bert preßte die Lippen aufeinander und riß sich zusammen. Im Moment konnte er es diesem Burschen nicht heimzahlen. Aber er nahm ihn auf seine Liste. Für ihn war es klar, daß er bei Gelegenheit hier erschien und aufräumen würde. War nur eine Frage der Zeit.
Er ging hinüber zur Wartehalle, in der sich bereits seine fünf Bandenmitglieder versammelt hatten.
»Wir warten hier«, sagte er.
»In der Kälte?« fragte einer seiner Leute aufgebracht. »Warum gehen wir nicht ’rüber in die Pension?«
»Weil wir nicht auffallen dürfen«, sagte Bert, »wenn wir Ärger machen und die Bullen kommen, können wir nicht abrauschen, klar? Wir bleiben friedlich wie die Lämmer.«
Bei dem. Wort Lämmer grinsten sie sich plötzlich an. Sie wußten, was sie erwartete. Und sie wußten, daß sie für ihr Warten entschädigt wurden. Sie zündeten sich Zigaretten an und unterhielten sich leise miteinander.
Weder. Bert noch seine fünf Begleiter kamen auch nur auf den Gedanken, daß sie bereits wie Marionetten an langen Drähten geführt wurden.
Sie konnten ja nicht wissen, daß hinter der Fremdenpension ein Wagen stand, der sich durch Hochbeinigkeit und Häßlichkeit auszeichnete und der einem gewissen Josuah Parker gehörte.
»Achtung, Parker – der Wagen!«
Rander winkte seinen Butler ans Fenster des Zimmers, das sie in der Fremdenpension gemietet hatten. Rander schob den Vorhang etwas weiter zur Seite, damit Parker besser sehen konnte.
Vor der Wartehalle der Busstation erschien ein klapprig aussehender Ford mit offener Ladefläche. Aus dem Wagen stieg ein Mann, der etwa achtundzwanzig bis dreißig Jahre alt war. Er trug eine bestickte Weste, Jeans und Tennisschuhe. Diese Einzelheiten waren deutlich zu erkennen, als er vorn durch das Licht der hoch eingeschalteten Scheinwerfer ging.
Das Haar des Mannes fiel, lang auf die Schultern. Irgendwie erinnerte der Mann an einen Darsteller aus dem Musical »Hair«. Er ging auf Bert zu, der im Scheinwerferlicht auftauchte, nickte ihm zu und deutete auf die Ladefläche.
Die fünf Freunde Berts stiegen steifbeinig auf die Ladefläche. Bert und der Langhaarige setzten sich vorn ins Fahrerhaus. Sekunden später ging die Fahrt los. Der Ford verschwand in der Dunkelheit, dabei eine Atmosphäre von Heimlichkeit und Bedrohung zurücklassend.
»Haben Sie das Kennzeichen?« fragte Rander seinen Butler. Er fragte, obwohl er wußte, daß Parker sich diese Kleinigkeit mit Sicherheit gemerkt hatte.
»Auch der Eigentümer dieses Wagens, Sir, wird identifiziert werden können.«
»Damit dürfte sich unser nächtlicher Ausflug erschöpft haben, oder?«
»In der Tat, Sir. In dieser Nacht sollte man den Lämmern auf keinen Fall einen Besuch abstatten. Sie könnten sonst verwirrt werden.«
»Hoffentlich wechseln sie nicht das Quartier?«
»Damit, Sir, dürfte wohl kaum zu rechnen sein. Bedingt durch die Tatsache, daß Sie und meine bescheidene Wenigkeit nicht mehr erschienen, werden sowohl die Rocker als auch die Lämmer sich sicher fühlen.«
»Lassen wir uns überraschen!« Rander nickte und war froh, daß sie endlich etwas Luft holen konnten. Wenn Parker sich in einen Kriminalfall einschaltete, war das Tempo in der Regel atemberaubend.
»Zum Teufel, wo haben Sie gesteckt?« fragte Lieutenant Madford, nachdem er Mike Randers Studio betreten hatte. Er sah den Anwalt empört, den Butler anklagend an. Sergeant McLean, sein mächtiger Schatten, ließ sich schon wieder erschöpft in einem Sessel nieder und massierte sich seine Waden.
»Parker hatte mich zu einem nächtlichen Ausflug eingeladen«, antwortete Rander ausweichend, »was ist los, Madford? Irgendeine Panne passiert?«
»Das kann man wohl sagen.«
»Judy Calmer ist abgehauen«, warf McLean ein, seinem Vorgesetzten die Pointe wegnehmend.
»Judy Calmer?« Rander sah den Polizeioffizier verblüfft an.
»Und sie hat es verstanden, meine beiden Leute abzuschütteln«, redete Madford gereizt-anklagend weiter, »ich hatte diese Calmer natürlich unter Beobachtung gestellt. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Und sie stand unter Beobachtung, seitdem Parker sie bei Judys Freundin untergebracht hatte.«
»Wie konnte dies passieren, Sir?« Parker fragte ruhig und würdevoll, als mache ihm diese neue Entwicklung nichts aus.
»Sie