Butler Parker Box 12 – Kriminalroman. Günter Dönges
Marty was passiert?« fragte Judy hastig. Sie war etwas unfreiwillig mitgekommen, nachdem Parker sie nachdenklich zu dem kleinen Spaziergang eingeladen hatte. Für den Rückweg hatte Parker auf die Mauerpforte verzichten müssen. Lichtfluten im Galbert-Landhaus hatten ihn vorgewarnt und ihm gezeigt, daß er das Grundstück meiden mußte.
Parker und Judy hatten eine reguläre, kleine Stichstraße benutzt und waren dann zu Rander gestoßen, der sie erleichtert aufgenommen hatte.
»Ist Marty etwas passiert?« fragte Judy erneut, da Rander nicht sofort geantwortet hatte.
»Marty Galbert ist tödlich verunglückt«, sagte Rander knapp, »ich habe es vom Fahrer des Streifenwagens. Eine Highwaystreife fand ihn neben seinem Motorrad!«
»Daran sind Sie allein schuld!« schrie Judy mit versagender Stimme und warf sich auf den Butler.
»Daran ist Ihr junger Freund schuld«, erwiderte Parker ruhig und abweisend. »Ich darf an die Szene auf dem Feldweg erinnern, Miß Judy. Schließlich waren es Marty Galbert und Sie, die einen harmlosen Verkehrsteilnehmer überfallen und ausrauben wollten!«
»Mußten Sie denn hinter Marty herschnüffeln?«
»Wenn Sie etwas ruhiger geworden sind, werden Sie sich diese Frage selbst beantworten können«, sagte Parker, der am Steuer saß.
Judy ließ den Kopf hängen und sagte vorerst kein Wort. Rander, der hinter ihr auf dem Rücksitz saß, zündete sich eine Zigarette an und reichte sie ihr. Sie griff dankbar zu und inhalierte tief den Rauch.
»Sie haben recht«, sagte sie schließlich. Ihre Stimme war ruhiger geworden. »Ich glaube, ich weiß jetzt genau, was ich tun muß.«
»Wir können Sie zur nächsten Polizeistation bringen«, schlug Mike Rander vor, »immerhin geht es jetzt um Mord, Miß Judy.«
»Sie … Sie werden sich fragen, warum Marty und ich Sie überfallen wollten?« Sie wandte sich an Parker, als habe sie die Worte des jungen Anwalts überhaupt nicht gehört.
»Sollte es sich möglicherweise um eine Art Mutprobe gehandelt haben?«
»Woher … Woher wissen Sie das?« fragte sie verblüfft.
»Marty Galbert war und Sie sind finanziell nicht eingeengt«, erklärte der Butler, »es konnte Ihnen also keineswegs um meine Brieftasche gehen …!«
»Es sollte eine Mutprobe sein«, entgegnete Judy, deren Stimme immer fester wurde, »die sanften Lämmer wollten uns erst dann aufnehmen, wenn wir zeigten, daß wir ein Ding drehen können!«
»Die sanften Lämmer …?« Randers Stimme dehnte sich erstaunt.
»Die sanften Lämmer«, wiederholte Judy und nickte, »so nennen sie sich. Eine Gruppe von jungen Leuten. Sie haben irgendwas mit Hippies zu tun.«
»Und wo befindet sich das Hauptquartier dieser Lämmer?« wollte der Butler wissen.
»Irgendwo draußen vor der Stadt«, erwiderte Judy. »Sie müssen mir abnehmen, daß ich den genauen Platz nicht kenne. Marty und ich sollten ja erst aufgenommen werden.«
»Mit einer ungefähren Lagebeschreibung wäre mir bereits erheblich gedient.«
»Irgendwo am See«, präzisierte Judy etwas näher, »sie sprachen immer von einer Strandvilla. Ich selbst war noch niemals draußen, nur Marty …«
»Um wie viele Mitglieder handelt es sich?« Rander nutzte ebenfalls die Chance, daß Judy jetzt redete.
»Etwa um ein gutes Dutzend«, antwortete Judy, »die Hälfte davon sind Mädchen … So wenigstens hatte Marty mir es geschildert.«
»Darf ich unterstellen, daß es einen speziellen Anführer gibt?« fragte Parker. Er lenkte sein hochbeiniges Monstrum durch die nächtlichen Straßen, paßte aber sehr gut nach hinten auf. Er wollte nicht noch einmal von Motorradfahrern belästigt werden.
»Der Leithammel heißt Johnny«, lautete Judys Antwort. »Ja, wundern Sie sich nicht, er nennt sich Leithammel. Klingt jetzt sehr albern, aber vor ein paar Stunden war’s für mich noch faszinierend.«
»Sind Ihnen möglicherweise weitere Mitglieder namentlich bekannt?«
Judy schüttelte den Kopf.
»Gibt es hier in der Stadt irgendeine Lokalität, in der sich die sanften Lämmer zu treffen pflegen?«
»In Lew’s Bierkeller«, erwiderte Judy plötzlich eifrig, »davon hat Marty mal gesprochen. Aber fragen Sie mich nicht, wo dieser sich befindet.«
»Und wenn Sie sich auf den Kopf stellen, Madford, jetzt bin ich auf Parkers Seite«, sagte Mike Rander energisch zu dem Lieutenant der Mordkommission, der ins Studio gekommen war, »Sobald Sie und Ihre Leute ermitteln, Madford, ziehen die sanften Lämmer sich in ihre Schlupfwinkel zurück.«
»Hier geht es um Mord! Um Mord, begangen an Marty Galbert!« Madford, der schmale, drahtige Polizeioffizier mit dem cholerischen Temperament drückte seine Zigarette wütend im Ascher aus. »Okay, diesen Mord können wir im Moment nicht beweisen, aber das schaffen wir noch.«
»Um ihn beweisen zu können, Sir, sollte man Beweismaterial herbeischaffen«, schaltete Parker sich in die Unterhaltung ein, »und dieses Material müßten die sogenannten sanften Lämmer liefern.«
»Wenn wir diese Bande unter Druck setzen, werden wir schon Geständnisse bekommen.« Madford blitzte seinen Sergeant McLean an, der wieder einmal drauf und dran war, ein kleines Nickerchen zu halten. Groß wie ein Grislybär, scheinbar phlegmatisch und kein Lieferant von Geistesblitzen, aß McLean mit Vorliebe, trank noch, lieber scharfe Sachen und hielt sehr viel von kleinen Ruhepausen. Wenn es darauf ankam, konnte McLean allerdings blitzschnell zuschlagen. Wie ein gereizter Bär, der nach dem Zulangen wieder seine Ruhe haben will.
»Und wo wollen Sie die sanften Lämmer finden?« erkundigte sich Mike Rander ironisch.
»In Lew’s Bierkeller«, sagte Madford, »Sie haben mir ja eben diesen Tip geliefert.«
»In diesem Bierkeller, Sir, wird man sehr schnell herausfinden und merken, daß eine Überwachung stattfindet.«
»Die sanften Lämmer werden sich dann hüten, sich dort noch einmal blicken zu lassen«, fügte Rander hinzu. »Unsere Chance, Madford, liegt einzig und allein darin, daß vorerst überhaupt nichts unternommen wird. Diese Lämmer müssen den Eindruck gewinnen, daß wir die Polizei eben nicht informiert haben.«
»Es wäre in der Tat gut, Sir, wenn diese sanften Lämmer den Eindruck gewinnen würden, Mister Rander und meine bescheidene Wenigkeit hätten die Absicht, auf eigene Faust zu ermitteln.«
»Und Sie rechnen nicht damit, daß sie schnell herausbekommen, wer Sie und Mister Rander sind?« Madford winkte gereizt ab.
»Mit dieser Möglichkeit muß selbstverständlich gerechnet werden, Sir!« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich setze aber auf die Eitelkeit dieser jugendlichen Verbrecher. Für sie wird es ein Spaß sein, Mister Rander und meine Wenigkeit mundtot zu machen.«
»Klar, Chef«, sagte McLean, der sich entschlossen hatte, später im Dienstwagen zu schlafen, »wenn Sie ’n Wirbel veranstalten, vergraulen Sie die komischen Vierbeiner. Geben Sie denen doch ’ne Chance, auf die Tube zu drücken.«
»Ich brauche Ihre Kommentare nicht, McLean«, raunzte Madford sofort los. Aber er wurde nachdenklich.
»Jawohl, Sir!« sagte McLean in dienstlichem Tonfall.
»Mit anderen Worten, Parker, Sie wollen wieder einmal einen Alleingang unternehmen, wie?« Madford runzelte die Stirn und blitzte den Butler an.
»Im Dienste der Gerechtigkeit und des Rechts«, sagte Parker würdevoll.
»Also gut!« Madford war zu einem Entschluß gekommen. »Ich gebe Ihnen und Ihnen, Mister Rander, drei Tage Zeit! Wenn Sie bis dahin diese Lämmer nicht aufgespürt haben, lasse ich meine Leute von der Kette los.«
»Das