Pepi, lass mi eine ...!. Peter Elstner

Pepi, lass mi eine ...! - Peter Elstner


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Urgewalt, die einen überrollt, niederwalzt. Dementsprechend auch die Angst, die man in diesem Augenblick des Gegenübertretens empfindet. Ich werde das nie vergessen können.

      Beim Näherkommen bemerken wir erst, dass zwischen den Panzern Soldaten marschieren, mit Helm, Gewehren, Maschinengewehren.

      Ein Trupp kommt auf unser Haus zu, während die Panzerphalanx weiter Richtung Lengau rasselt.

      Der Kommandant des US-Stoßtrupps lässt von seiner Gruppe das Haus nach deutschen Soldaten oder Deserteuren durchsuchen – niemand wird gefunden. Klar, da war nie wer. Da war nur bis einen Tag, bevor die Amis kamen, ein halbes Schwein in der Scheune gehangen – das hatte der Wegmacher Karl glücklicherweise noch am Vorabend zerlegt und bei uns im Keller gut aufbewahrt. Hätten das die Amis entdeckt, wer weiß, wie sie da reagiert hätten – das Verbot, selbst zu schlachten, war auch von ihnen ausgesprochen worden.

      Zum Glück entdeckten die Amerikaner dagegen unter unserem Birnbaum, der etwas außerhalb des Gartens steht, Minen, die offenbar von durchziehenden deutschen SS-Soldaten als letzte Hindernisse für die alliierten Befreier gelegt worden waren. Einer der US-Boys gibt das Mama in ganz gutem Deutsch zu verstehen: »Sie und Ihre Kinder haben Glück, dass sie auf diese heimtückische Minen nicht getreten sind.« Dabei hatten wir Kinder dort oft gespielt. Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können …

      Der Krieg ist aus

      Wir werden wieder nach Wien verfrachtet. Ich kenn mich überhaupt nicht aus, weiß nicht wie’s in einer Großstadt zugeht. Ich grüß zum Beispiel jeden, dem ich begegne, mit »Grüaß Gott!« und wundere mich, dass mich niemand zurückgrüßt. Bis Mama mir erklärt: »Du kannst nicht alle eineinhalb Millionen Wiener kennen, da brauchst du auch nicht alle grüßen, nur die, die du kennst.«

      Das ist mir bald klar …

      Von Papa kommt noch eine Karte – dann nichts mehr.

      Ich gewöhne mich allmählich an die Stadt, zumal die Umgebung der Siebenbrunnenfeldgasse ziemlich interessant ist.

      Mutation zum Gassnbuam

      Rechts neben uns zwischen Amtshaus und Embelgasse steht das Arbeitsamt – jetzt, 1945/46, ist das die Kaserne der englischen Besatzungstruppen. Wenn die exerzieren und die Seargents ihre Kommandos brüllen, dann hängt die ganze Gasse aus den Fenstern, um bei diesem Spektakel zuzusehen.

      »Do you have a chewing gum …?«, sind auch die ersten englischen Worte, die ich lerne, von den anderen Buben, die auf der Gasse spielen. Die englischen Soldaten sind freundlich – von einem bekomm ich sogar einmal eine Tafel Schokolade. »Cadbury« steht drauf. Wir haben sie daheim aufgeteilt, und ich bekam das größte Stück – es hat sensationell gut geschmeckt, vor allem auch, weil es meine erste Schokolade war.

      Wie fast alle Buben bin ich meistens »unten« – und werd schön langsam ein richtiger »Gassnbua«.

      Vor meinem Fenster eine ovale Bahn, drauf eine Wiese mit Bäumen: der Pferde- und der Heumarkt. Links von mir (ich schau nach Süden zum Fenster raus) eine freie, große Fläche, die teils asphaltiert hinauf bis zum Matzleinsdorfer Platz reicht. Dort steht eine Feuerwache, daneben ein Häuserblock, dort, wo Reinprechtsdorfer Straße und Wiedner Hauptstraße zusammentreffen; dort drinnen das kleine »Metropol«-Kino und im Souterrain ein Sattler-Geschäft, weil eben der Pferdemarkt daneben liegt.

      Ich war noch nie im Kino, und nach langem Betteln und der Fürsprache meiner Oma gibt mir Mama das Geld für eine Kinokarte.

      »Durch die Wüste«, nach Karl May, ist der erste Film meiner Wahl, obwohl Mama gesagt hat: »Schau dir keinen Tschinn-Bumm-Kitsch an!«

      Zur Mitte des Schwarzweiß-Films eine Szene, in der sich »Kara Ben Nemsi« und »Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah« an die Gruppe ihrer Feinde anschleichen. Unterlegt ist diese lange Szene mit unheimlich drohender Musik – ich fürcht mich so, dass ich aus dem Kino stürze …

      Mama ist verwundert, dass ich etwas verstört, vor allem aber zu früh nach Hause komme. Sie fragt mich aber nichts – im Stillen bin ich ihr sehr dankbar dafür.

      Die Gassenspiele

      Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie viele Filmbeiträge ich noch fürs Fernsehen machen würde, und auch von Fußball war noch immer nicht die Rede.

      Wenn man wer sein wollte im Gretzl, dann musste man die »Gassenspiele« beherrschen:

      Messerpecken mit einem klappbaren Taschenfeitl mit Holzgriff auf einer Parkbank oder der hölzernen Umrandung einer Kinder-Sandkiste. Mit dem kleinen Klappmesser mussten verschiedene Messerstellungen (etwa im rechten Winkel abgebogen) so geschleudert werden, dass am Ende eines Wurfes die Messerspitze im Holz stecken blieb.

      »Anmäuerln« mit 2- bis 10-Groschen-Münzen. Wer näher mit einer Münze zu einer Linie oder zu einer Wand traf, durfte sich das hingeworfene Geld behalten, wenn er es von der inneren Handfläche so auf den flachen Handrücken schupfen und dann auffangen konnte, dass nichts herunterfiel.

      »Pfitschigogerln« auf einem glatten Untergrund – eine Art »Tischfußball«. Die großen Münzen sind die Spieler, das kleine, silbrig-leichte 2-Groschen-Stück der Ball. Man stößt den Spieler mit einem Kamm gegen den Ball und versucht, diesen ins gegnerische Tor zu bugsieren.

      Einen »Servierer« mit einem Tennisball machen – mitten auf der Straße (da kam vielleicht ein Auto in zwei Stunden vorbei)!

      Eine »Glöckerl-Partie« mit dem Rad, wobei die abgeschraubte Haube einer Fahrradglocke mit dem Vorderrad an jeweils eine Gehsteigkante geschubst werden musste. Gezählt wurde bis zehn, wer zehnmal als Erster die Gehsteigkante erreicht hatte, war Sieger.

      Ein Köpfel-Match – wieder mit einem Tennisball (mir dröhnte danach immer der Kopf).

      Erst wenn man sich da bestätigt hatte, konnte man in eine »Bande« aufgenommen werden, wobei fast jede längere Gasse eine »Bande« hatte. Im »Fünften« (Bezirk) waren das vor allem die »Zitsch«- und die »Kauer«-Bande in der Jahn- bzw. der Stork-Gasse.

      Bemerkenswert aber, dass es damals keine extremen Auswüchse bei pubertierenden Jugendlichen gab, weil jeder Erwachsene eine Autoritätsperson war. So konnte es schon vorkommen, dass einem 13-, 14-Jährigen, der rauchte, vom nächstbesten Passanten die Zigarette weggenommen wurde und er außerdem noch eine »Tachtel« mitbekam – mit dem Zusatz: »So – des kannst jetzt deinem Vater oder deiner Mutter daheim erzählen!« Machte man das, dann riskierte man noch eine Watschn, die man als Draufgabe daheim erhielt!

      Die Zeiten waren halt wirklich noch anders …

      Endlich – mein Lederfußball

      Ungefähr in dieser Zeit, bevor ich zehn Jahre alt wurde, gab’s die erste Berührung mit Fußball – dem Sport Nummer eins auf Wiens Straßen und Plätzen.

      Vorerst nur durch Köpfel-Matches, die ich mit dem Sohn vom Hauswart des Nachbarhauses auf dem Gehsteig austrage – mit einem Tennisball, der oft schon ziemlich kaputt ist. Auf alle Fälle tut’s höllisch weh, wenn man versucht, mit der Schläfe den Ball ins gegnerische Tor zu köpfeln.

      Ich wurde langsam besser, und nachdem ich auch schon ab und zu eine Partie gewann, ließen sich die Buben aus meiner Gasse auch darauf ein, mit mir einen Servierer (wieder mit einem Tennisball oder einer kleinen braunen Gummikugel) auf der Straße zu spielen.

      Da war ich aber nur fehl am Platz – es fehlte neben der Technik am Ball auch das Verständnis für das Spiel und manch »harte« Attacken, die dabei vorkommen.

      Aber woher nehmen – ich kannte mich, bedingt durch die Umstände, eher bei Mädchenspielen aus, die mich Trude in Lengau lehrte oder die vier fast gleichaltrigen Mädchen, die bei uns im Haus Nr. 16 wohnten und mit denen ich als einziger Bub im Haus auch viel spielte: Tempelhüpfen, Diabolo (da war ich ein Meister), Schnurspringen


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